Schon bemerkenswert, dass wir Gitarristen seit über 100 Jahren auf relativ unveränderten Acoustics spielen. Würde man diese Baton Rouge per Zeitmaschine in die „Roaring Twenties” zurückschicken, es würde sich niemand sonderlich über dieses Instrument wundern … nur das Pickup-System würde für Erstaunen sorgen.
Die X11LS entstammt der 20s Reloaded Serie des Herstellers. Das ist eine wirklich umfangreiche Linie mit nicht weniger als 58 Modellen! Die Mischung aus Althergebrachtem und Modernem ist hier Programm.
KONSTRUKTION
Wir haben es hier mit einem Folk-Modell zu tun (etwa die Dimensionen eines Orchestra-Modells), das im Handel für etwa € 300 zu haben ist. Somit muss sich die Baton Rouge gegen eine riesige, gut aufgestellte Konkurrenz behaupten. Schauen wir uns die Specs an.
Der Korpus zeigt ein rundliches Cutaway und besteht aus Boden und Zargen aus Mahagoni. Das Holz ist offenporig matt versiegelt und kommt so charaktervoll zur Geltung. Die Decke aus Fichte präsentiert sich in einem Antique-Brown-Matt-Finish mit weißer Einfassung.
Zusammen mit der Schalllochumrandung im Abalone-Look ergibt sich ein elegantes Gesamtbild. Man muss natürlich festhalten, dass alle Hölzer laminiert sind, Massivholz finden wir hier nicht. Im schön ausgeformten Steg aus Ovangkol sind die Saiten mit schwarzen Kunststoff-Pins fixiert und liegen auf der kompensierten Stegeinlage aus Nubone. Das Besondere an dieser Steelstring ist der Hals.
Er ist aus Mahagoni, am 14. Bund angesetzt, sehr offenporig, versiegelt und vom Profil her flach und breit. Das Ovangkol-Griffbrett ist am Sattel (Nubone) 48 mm breit – das müsste für ein spezielles Spielgefühl sorgen. Etwas eigenartig ist die Platzierung der Dot-Inlays im Griffbrett zur Lagen-Orientierung. Sie verstecken sich unter der tiefen E-Saite und sind nicht gut zu sehen.
Ganz in ihrer Nähe – auf der Sichtkante des Griffbretts – sind aber auch Dots, und die helfen dann weiter. Ganz hervorragend poliert und an den Enden verrundet, präsentieren sich die 21 Bundstäbchen … das verspricht Spielkomfort. Der Hals hat natürlich auch einen Stellstab (Trussrod) zur Verstärkung und zur Justierung der Halskrümmung. Mit dem beiliegenden Inbusschlüssel findet man im Schallloch Zugang am Halsende.
Die schlichte Kopfplatte zeigt das BR-Logo und verströmt Vorkriegs-Charme mit den offenen Mechaniken und der leicht angelaufenen Verchromung der kleinen Butterbean-Stimmwirbel. Modern wird es dann noch mal beim Pickup-System. Der Piezo-Tonabnehmer unter der Stegeinlage wird über ein kleines Cockpit auf der Zarge geregelt.
Es gibt drei Drehknöpfe für Volume, Bass und Treble – die beiden Letzteren rasten in Mittelposition leicht ein. Das Besondere: Das System wird nicht von einer Batterie befeuert, sondern ist wiederaufladbar … das entsprechende Kabel liegt bei. Da hier kein Display und/oder Tuner gespeist werden müssen, sollte eine Ladung recht lange halten. Eine winzige LED warnt, wenn die Energie zur Neige geht. Eine Tasche oder ein Koffer sind nicht im Lieferumfang enthalten, was man aber bekommt, ist ein sauber, tadellos hergestelltes Instrument aus moderner chinesischer Großserien-Fertigung.
(Bild: Winfried Reinhardt)
PRAXIS
Was die Spielpraxis betrifft, stellen sich vor allem zwei Fragen: Wie fühlt sich der breite Hals an? Wie viel Klangvolumen können die laminierten Korpushölzer offerieren? OK, von der allgemeinen Haptik her fühlt sich der offenporig mattierte Hals sehr gut an. Sein Profil unterscheidet sich schon deutlich von dem eines Standard-Steelstring-Necks.
Player mit großen Händen, Umsteiger von der Konzertgitarre und Fingerstyler, die einen sauberen, schnellen Fingersatz suchen, werden sich auf dem Baton-Rouge-Griffbrett pudelwohl fühlen. Das besondere Spielgefühl betrifft aber beide Hände, denn der Saitenabstand von E- zu e-Saite ist von Sattel bis Steg gleichmäßiger als üblich (48 auf 56 mm anstatt etwa 43 auf 56 mm).
Das erzeugt eine gewisse Sicherheit und Zielgenauigkeit, insbesondere bei Fingerpicking und beim Anschlagen von einzelnen Saiten. Das elegant geschnittene Cutaway erleichtert dann auch noch den Zugang zu den höchsten Lagen. Schon nach relativ kurzer Eingewöhnung fange ich an, diese Spielbedingungen zu schätzen.
Und, was geht klanglich? Da breitet sich ein Akkord mit guter Lautstärke und Fülle sowie einem recht beeindruckenden Sustain aus. Das Verhältnis zwischen Bässen, Mitten und Höhen kann man nur als ausgewogen bezeichnen. Kein Wummern im Bass, kein nerviges Klirren in den Höhen.
Was die Baton Rouge mit ihrer Holzauswahl nicht in dem Maße liefern kann, ist dann eben diese abgehangene Holznote, dieser trockene Ton, den eine massive Gitarre zu bieten hat. Hier klingt alles etwas glatter, etwas glasiger – aber das kann ja ein Charakterzug sein, der vielleicht genau so gesucht ist.
Über den Acoustic-Verstärker bestätigen sich die positiven Eindrücke. Der Piezo-Tonabnehmer verstärkt die einzelnen Saiten ausgewogen in Klang und Lautstärke. Die Zwei-Wege-Klangreglung ist einfach, aber effektiv. Der Bass kann erheblich verschlankt oder angefettet werden, und die Höhen lassen sich gut auf den Raum-Sound abstimmen. Ich nehme am Amp noch ein wenig die Mitten zurück und dann ergibt sich ein Sound, mit dem man wirklich arbeiten kann.
RESÜMEE
Die Baton Rouge X11LS/FCE-W-AB ist eine elegant designte Steelstring Folk-Gitarre mit Oldschool-Flair und moderner Präzision. Vielleicht bringen es die Stimmmechaniken am besten auf den Punkt: Sie sehen aus, als hätten sie viele Jahrzehnte überstanden, erlauben aber exaktes Tuning nach heutigem Anspruch und Standard.
Sowohl unverstärkt als auch über Anlage liefert die Gitarre klanglich sauber ab. Die Spielbedingungen auf dem breiteren Griffbrett sind hervorragend – da könnte ich mich dran gewöhnen. Leute mit zierlichen Händen und Spieler, die einen Sound suchen, der nur mit massiven Hölzern zu erreichen ist, greifen vielleicht zu einem anderen Modell. Alle anderen könnten mit der Baton Rouge goldrichtig liegen. Antesten!
Plus
● Design, Finish
● Verarbeitung, Werkseinstellung
● Hardware
● Pickup-System
● ausgewogene A- und E-Sounds
Minus
● Position Griffbretteinlagen

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2025)