Alte Schule

Test: Atkin 0037-S-A

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(Bild: Dieter Stork)

Eine Gitarre aus den 30er-Jahren? Kann wohl nicht. Die Firma Atkin aus Canterbury, England wurde erst 1995 gegründet und gilt damit in der Acoustic-Zeitrechnung ja praktisch noch als Newcomer.

In seinen Modellreihen widmet sich der Hersteller konsequent der Acoustic-Historie und übernimmt dabei auch die von C. F. Martin etablierte Methode der Modellbezeichnung, wo die Anzahl der Nullen die Korpusgröße definiert. Die hier vorliegende Double-0-Steelstring ist also eher klein und geht Richtung Parlor-Format.

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Das Auge isst mit

Diese Gitarre ist ein Augenschmaus. Entnimmt man sie dem ebenfalls sehr schicken Koffer – der im Deckel sogar ein Rundinstrument mit Hygro- und Thermometer zu bieten hat – ist man zu allererst vom Decken-Finish fasziniert. Das nenne ich mal ein dezentes, authentisches, maßvolles Aging mit einem satt-dunklen Honiggelb und ganz feinen Haarrissen im Nitro-Lack. Eingefasst ist die Decke mit einem makellosen Herringbone-Purfling, das dicke, matte Tortoise-Schlagbrett passt perfekt ins Bild. Innen ist die Decke mit einem Scalloped-Bracing nach Vorkriegsart stabilisiert. Indischer Palisander kam für Zargen und zweiteiligen Boden zum Einsatz. Die mittige Trennlinie im Boden wurde im Zipper-Style ausgeführt.

Ganz oldschool ist auch der Steg aus Ebenholz mit seinen Pyramiden oben und unten, den elfenbeinfarbenen Saiten- Pins und der Stegeinlage aus Knochen. Der Hals aus Mahagoni ist am 12. Bund angesetzt und leicht rötlich klar lackiert. Das ganz dezent gezeichnete Griffbrett aus Ebenholz hat einen 16″-Radius und ist mit 20 perfekt eingesetzten, polierten und verrundeten Vintage-Bünden ausgestattet. In den Lagen 5, 7 und 9 finden sich klassische Mother-of-Pearl-Einlagen – weitere Orientierung bieten die kleinen Punkteinlagen in der Griffbrettkante.

Der Knochensattel ist geradezu perfektionistisch gearbeitet und bildet einen herrlichen Übergang vom Hals zur Kopfplatte. Diese ist geschlitzt, und so finden die Saiten in den entsprechenden Achsen Aufnahme. Konstruktionsbedingt laufen die beiden E-Saiten dabei nicht sehr gerade über den Sattel. Die vernickelten Stimmmechaniken sind von Gotoh, und bei ihnen war der Hersteller in Sachen Aging nicht ganz so maßvoll wie beim Korpus. Die sehen aus, als hätten sie zwei Winter lang in einer Pfütze gelegen – für meinen Geschmack etwas übertrieben. Naja, wie heißt es bei Neil Young: „Rust Never Sleeps“

(Bild: Dieter Stork)

Komfort & Klang

Handling, Bespielbarkeit, Komfort – diese Faktoren werden bei einer solchen Gitarre natürlich groß geschrieben. Die Eckdaten dazu: Der Halsansatz am 12. Bund und die Mensur von 635 mm sorgen für kurze Dienstwege der Spielhand. Die 0037 hat eine Gesamtlänge von nur 96 cm und legt sich mit federleichten 1,55 kg auf den Schoß des Spielers. Optimale Bedingungen … hier aber auch eine Einschränkung: Die Saitenlage ist nichts für schwache Nerven. Ich mag ja durchaus etwas Luft zwischen Saite und Bundstäbchen, aber hier geht es von besten Bedingungen am Sattel bis auf 5,2 mm am 20. Bund hoch – das finde ich etwas heftig. Da wäre nach meinem Befinden eine neue Stegeinlage fällig, oder man feilt die vorhandene auf Wunschmaß runter. Alles kein Beinbruch und letztendlich ja auch Geschmackssache.

Das Halsprofil füllt bestens die Hand und die ersten Akkorde lassen einen staunen. Was für ein Volumen, was für eine Klangfülle angesichts der Korpusmaße. Hier tritt die Qualität der Hölzer und auch die der Handwerkskunst entschlossen zutage. Die ganze Gitarre resoniert wie ein jahrelang eingespieltes Instrument. Der sonore Klang und die detailreiche Auflösung der Akkorde vermitteln ebenfalls dieses Gefühl, eine alte Bekannte vor sich zu haben. Auch Sustain und Dynamik liegen auf hohem Niveau, was diese kleine Atkin dann auch zu einem Highend-Allrounder macht, wo Fingerstyle ebenso viel Freude bereitet wie kraftvolles Strumming oder auch Bottleneck-Einsätze. Folk-Ballade oder Roots-Blues, Ragtime oder Country-Tune – die Atkin setzt ihren Player perfekt in Szene. Es gibt das Modell bei Wunsch auch mit Pickup-System. Bühneneinsatz kein Problem.

(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Eine geradezu liebenswerte Gitarre mit ganz toller Optik und ganz viel klanglichen Möglichkeiten. Hölzer und Verarbeitung haben Top-Niveau. Ich behaupte mal: Egal was du vor hast – die Atkin macht den Job, und zwar richtig gut.

PLUS

  • sehr gelungenes Vorkriegs-Design mit maßvollem Aging
  • Handling, Spielkomfort
  • Sustain, Dynamik, Ansprache
  • voluminöser, detailreicher Charakter-Klang

MINUS

  • hohe Stegeinlage

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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