On Broadway

Test: 48ers Loveliner

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Das muss man sich erst einmal trauen: Eine Gitarre auf den Markt zu bringen, mit einem Griffbrett so breit wie ein Skateboard! Aber auf was für Ideen man nicht alles kommt, wenn man „dicke, ungelenkige“ Finger hat …

So geschehen im beschaulichen Niederneisen, mit Dirk Grunert als Protagonist dieser Geschichte. Er, der gesegnet mit den besagten „dicken, ungelenkigen“ Fingern (O-Ton Grunert) ist, suchte lange nach einer Gitarre mit einem richtig breiten Griffbrett – und fand keine. Von der Idee, dass er vielleicht nicht der einzige mit diesem Problem ist, bis zur Lösung, solche Gitarren selbst bauen zu lassen, dauerte es nicht lange.

Anzeige

Dirk fand einen Hersteller für die Holzarbeiten in Rumänien und gründete dann die 48ers Guitar Company. Bisher besteht der 48ers-Katalog aus zwei Modellen: die Aggronaut in klassischem Singlecut- und die Loveliner im genauso klassischen JM-Design. Beide werden unter dem Motto „Need More Space?“ ins Rennen um die Gunst des Publikums geschickt.

SPACEMAN

Dirk Grunert hatte jahrelang auf einer Gitarre mit 48 mm breitem Griffbrett gespielt, die ihm der Gitarrenbauer Jozsi Lak gebaut hatte. Jozsi war auch verantwortlich für die beiden Prototypen, mit denen Grunert auf die Suche nach einem Produktionspartner in Europa ging und in Rumänien bei dem Hersteller Hora fündig wurde. Hier werden die Holzarbeiten gemacht, Pickguards, die Knochensättel sowie das komplette Assembling inkl. Setup erledigt Grunert dann selbst in seiner eigenen Werkstatt.

Die Loveliner ist optisch eine typische Offset-Gitarre. Ihr Basswood-Korpus hat vorne und hinten an den bekannten Stellen Konturen, im großen Tortoise-Pickguard sitzen zwei Pickups von Tesla und auf einer verchromten Controlplate finden Master-Volume- und Tone-Potis sowie die Input-Buchse Platz. Alle Teile fügen sich harmonisch zusammen und ergeben eine geschlossene, in sich stimmige Optik. Nicht nur hier, sondern auch am schwungvollen Design der Kopfplatte erkenne ich die Formensprache Jozsi Laks wieder.

Wem auf den ersten Blick der Hals vielleicht etwas zu kurz vorkommt und diesen Eindruck auf dessen ungewöhnliche Breite alleine schiebt, weiß nicht, dass Grunert sich für eine Gibson-typische Mensur von 628 mm entschieden hat. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Wahl, aber spätestens beim Spielen auf diesem Surfbrett wird klar, dass eine längere Mensur eine noch größere Herausforderung für die Greifhand dargestellt hätte. Deshalb war die Entscheidung für die kürzere Mensur durchaus weise.

TESLA OHNE STROM

Diese Gitarre gibt einen Klangcharakter vor, der wirklich eigen ist – und das schon im akustischen Einsatz ohne Verstärkung. Jeder Ton strotzt vor Sustain, und insgesamt wird eine Bandbreite in den Frequenzen erreicht, die man nur als rundum ausgewogen bezeichnen kann. Bässe, Mitten, Höhen – alle stehen neben- und miteinander und erklingen mit diesem starken Sustain lange, lange aus … Was ja durchaus zu erwarten war, denn solch eine Masse an Hals wirkt sich natürlich positiv auf das Schwingungsverhalten der Saiten aus, weil durch diese Stabilität weniger Schwingungsenergie verloren geht.

Die beiden Tesla-Pickups, weder verwandt noch verschwägert mit Elon Musk, sondern koreanischen Ursprungs, beweisen auch in diesem ungewöhnlichen Setting wieder einmal ihren guten Ruf … zumindest teilweise.

Vor allem der VR-3-Humbucker in der Steg-Position, basierend auf AlNiCo-5-Magneten und Formvar-Kupferdraht, macht in der Loveliner eine richtig gute Figur – kraftstrotzend und vor allem sehr ausgewogen, kann er sowohl in cleanen als auch verzerrten Settings überzeugen. Ein muskulöser, zupackender Sound, der viel mehr kann als nur Mittenbrett und sehr gut zu dem sustain-starken Grundcharakter dieser Gitarre passt.

Der Plasma-STS „stacked“ Humbucker in der Hals-Postion, mit AlNiCo-5-Polepieces ausgerüstet, kann qualitativ mit dem Steg-Pickup leider nicht mithalten. Er bringt weder die Fülle noch den Klangreichtum, den ein guter Hals-Pickup haben sollte, sondern kommt eher dünn, unterbelichtet und merkwürdig höhenarm und indirekt rüber. Das besserte sich zwar etwas, als ich den Pickup näher an die Saiten stellte, aber trotzdem war das Ergebnis nicht wirklich gut.

Es fällt auf, dass der Pickup ein gutes Stück entfernt vom Ende des Griffbrettes sitzt. So wird eine gute Portion Lebendigkeit, Lautstärke und Direktheit verschenkt. Ein Heranrücken des Pickups an das Halsende könnte aus meiner Sicht dessen Performance vermutlich verbessern. Beim Check der Elektronik ist mir zudem aufgefallen, dass 48ers für Lautstärke und Ton CTS-Potis mit einem Widerstandswert von 250 kOhm verwendet. Es wäre einen Versuch wert, 500-kOhm-Typen einzubauen, denn die könnten dem Hals-Pickup in Sachen Höhenverhalten und Direktheit sehr gut tun.

ON BROADWAY

Der Klang ist das eine, aber wie sieht es denn mit dem Spielgefühl auf dieser so speziellen Gitarre aus? Anfangs beschleicht einen schon ein komisches Gefühl beim Umfassen dieses mächtigen Halses, denn eine Griffbrett-Breite von 48 mm am Sattel erfährt man ja nicht alle Tage. Zum Spielgefühl trägt bekanntlich nicht nur die Breite, sondern auch das Profil des Halses bei. Und das ist nichts für kleine Hände, denn es ist sehr mächtig – von der Form her ein angedeutetes D mit ausgeprägt fetten Schultern, die die Greifhand ordentlich beanspruchen. Wären diese Schultern etwas weniger betont, würde der Hals trotz seiner Breite etwas bequemer in der Hand liegen. Aber auch so gewöhnt man sich erstaunlich schnell an die unendlichen Weiten dieses Griffbrettes, auf dem für den Otto-Normal-Gitarristen alles anders ist als sonst.

Die hervorragende Saitenlage hilft zwar, aber für Akkorde über mehr als drei Lagen muss man die Hand schon sehr strecken, und Speedo-Shredding will man erst gar nicht spielen. Was ja irgendwie auch gut ist.

Aber natürlich sind dies nur Eindrücke eines Gitarristen, der keine dicken, ungelenkigen Finger hat und eine übliche Griffbrettbreite gewohnt ist. Für Dirk Grunert und seine Gesinnungsgenossen bedeuten solche Griffbrettmaße jedoch den Himmel auf Erden – insofern macht diese Konstruktion wirklich Sinn.

 

RESÜMEE

Die grundsätzliche Qualität der 48ers Loveliner ist grundsolide und die verwendeten Parts sind allesamt von guter Qualität, sodass einem zuverlässigen und professionellen Einsatz nichts im Wege steht. Die Wahl oder die Position des Hals-Pickups sollten allerdings noch einmal überdacht werden, wohingegen der Steg-Pickup eine großartige Performance ohne Abstriche abliefert. Dirk Grunert bedient mit seiner 48ers Guitar Company eine winzig kleine Marktnische, braucht Konkurrenz also nicht zu fürchten. Wer eine Gitarre braucht, die mit solch einem breiten Hals daherkommt, wird früher oder später bei 48ers landen. Und ist dort bestens aufgehoben, zumal die Gestaltung des Endpreises wirklich erfreulich ist, wenn bedenkt, dass die 48ersInstrumente sicherlich nicht in hohen Auflagen gebaut werden.

PLUS

● Konzept
● Preis
● Verarbeitung
● Steg-Pickup

MINUS

● Hals-Pickup

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

Produkt: Gitarre & Bass 6/2023
Gitarre & Bass 6/2023
IM TEST: Harley Benton 25th Anniversary: Special Edition Guitars +++ IK Multimedia ToneX Software & Pedal +++ KMS Saddles & Bridges für Telecaster +++ Schecter Nick Johnston PT +++ Guild Surfliner HH +++ Sandberg Florence Bässe +++ Taylor Guitars 417e +++ Orange MK Ultra Marcus King +++ Fender Rumble 800 Combo

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Vermutlich eher für „Fingertiere“ mit extrem schlanken Händen geeignet.
    Wozu ein extra breites Griffbrett? Woran wir Gitarristen uns zukünftig gewöhnen sollen,-es ist ja nicht zu fassen! Die sehr blasse Farbgebung erinnert an einen Swimmingpool,-ist durchaus Geschmackssache,-sowie auch die recht plumpe Gestaltung der knubbeligen Kopfplatte. Hergestellt in Rumänien,scheint mal ein eher selteneres Herkunftsland. Wichtig ist,daß sie grundsolide gebaut wurde,gut klingt,und der Kaufpreis noch relativ vertretbar ist. Mein „Ding“ wäre sie jedoch nicht,denn sie sieht optisch eher sehr unbedeutend aus.Und ein „extra“ breites Fretboard brauche ich sowieso nicht. Die Tesla Pickups haben bereits seit vielen Jahren einen sehr guten Ruf, sie klingen absolut top,und wurden mitunter z.B. sogar schon in den sündhaft teuren,aber sehr edlen elektrischen „Minarik Custom Goddess Gitarren“ eingepflanzt. Custom Made Gitarren von Marc Minarik aus den U.S.A. sind ja hierzulande derzeit leider nur von Insidern bekannt,aber ganz sicher würde Marc Minarik himself wohl kaum irgendwelche schlecht klingenden Tonabnehmer in seine außergewöhnlich schönen Gitarren einbauen,wäre er nicht von Tesla Pickups überzeugt! Und ja,die neue „Loveliner“ von der 48er Guitar Company kostet weitaus weniger als eine echte Minarik aus der U.S.-Custom Schmiede,das kann man sicher nicht vergleichen,-jedoch die Tesla Pickups sind wirklich super! Eine „Loveliner“ scheint wohl eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen,-sorry,für mich käme sie (aufgrund ihres extra breiten Griffbretts und des optischen Designs) eher nicht in Betracht.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Wir(?) Gitarristen “sollen” uns auf breitere Griffbretter auf einer E-Gitarre umstellen?
      Das muss ja wohl niemand, denn 99,9% aller E-Gitarrenhälse werden auch zukünftig auf in ihrer üblichen Schmalheit hergestellt werden.
      Es gibt allerdings so einige Gitarristen aus dem akustischen Bereich, die sich nicht auf ein schmaleres Griffbrett umstellen wollen oder können.
      Das um die 52mm breite Griffbrett einer klassischen Gitarre hat schon seinen Sinn und einige Techniken aus dem klassischen Bereich bleiben beim Umstieg auf das E-Gitarrengriffbrett auf der Strecke oder werden erschwert bzw. in die höheren Lagen verschoben.
      Zudem gibt es auch anatomische Unterschiede bei Menschen.
      Im Bereich der “Westerngitarre” sind breitere Griffbretter vor allem im höherpreisigen Bereich durchaus verbreitet.
      Für den E-Gitarristen mit entsprechenden Wünschen bestand bisher nur die Möglichkeit, sich einen entsprechenden Hals oder die ganze Gitarre einzeln anfertigen zu lassen, was dementsprechend ins Geld geht.
      Von daher ist die Idee der 48ers auf jeden Fall eine Bereicherung auf dem E-Gitarren-Markt.
      Der geneigte Kunde ist zudem auch nicht auf die hier getestete Bauform beschränkt.

      Auf diesen Kommentar antworten
      1. AnderBühr
        Ich selber habe große Hände mit breiten Fingerkuppen, sodass ich mir bereits z.B. von Lakewood eine M32 mit 48 mm statt 46 mm sonderanfertigen ließ (ab Werk mit Rücksprache Herrn Seeliger). Eine Godin XTSA, geschraubter Hals, habe ich in Kassel beim Gitarrenbauer von 42 mm auf 48 mm für 500,.€ umbauen lassen. Früher gab es für Fender Strat max. Gitarrenhälse zum Umbauen separat zu kaufen, heute leider nicht mehr. Ein anatomischer Größenabgleich der Halsbreiten sollte von den Gitarrenherstellern obligatorisch sein. Die Bemerkung von Wunderkugel deutet darauf hin, dass er mit den normalen Halsbreiten 42-43 mm gut klar kommt, viele Männer ca. 20 – 30 % haben aber Platzprobleme mit den Saitenabständen, weniger mit der Halsbreite.

        Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren