+++ Interview mit Entwickler Doug West +++

Straff, böse und britisch roh: Mesa Boogie Badlander 100 im Test

Anzeige

(Bild: Dieter Stork)

Dual und Triple Rectifier haben seit 1991 unzählige Gitarristen und sogar Genres geprägt. Der aggressive High-Gain-Sound mit enormem Bassfundament traf den Zeitgeist und wurde damit zum modernen Klassiker. Über die Jahre durchliefen die Rectifier-Modelle mehrere Revisionen und wurden zeitweise durch weitere Modelle ergänzt. Der zweikanalige Badlander ist eine weitere Variation, die das Thema von der britischen Klangseite beleuchtet.

Anzeige

Der Badlander ist in drei Leistungsstufen (25, 50 und 100 Watt), als Topteil, im 19″-Format oder als 1×12″-Combo mit Celestion-Creamback65-Lautsprecher erhältlich – immer mit zwei Kanälen. Die EL34-Endstufe steht dabei klar im Fokus der Modelle Badlander 100 und 50, wie wir später im Interview erfahren werden, und wie das auch bereits in der Stiletto-Serie der Fall war. Anders als bei den Modellen Electra Dyne und Royal Atlantic, aber wie beim dreikanaligen Triple Crown, kommt eine Class-A/B-Endstufe zum Einsatz.

(Bild: Dieter Stork)

AUSSTATTUNG

Der Badlander 100, unser Testgerät, kommt im robusten und dekorativen Topteilformat, das trotz kleinerer Abmessungen deutliche Anleihen bei der Rectifier-Serie macht. Die Ausstattung ist geradlinig: Es gibt zwei übereinander platzierte Kanäle mit je drei Voicings (Clean, Crunch, Crush). Justierbar sind jeweils die Ausgangslautstärke, Presence, die drei Bänder der passiven Klangregelung und die Intensität der Verzerrung. Dazu lassen sich die Kanäle frontseitig umschalten oder über den mitgelieferten simplen Fußschalter wechseln. Neben einem Powerschalter mit Bold- und Variac-Einstellung und Standby gibt es eine übergreifende Umschaltung der Leistung zwischen 100, 50 und 20 Watt.

(Bild: Dieter Stork)

Auf der Rückseite hat man freien Blick auf das Quartett EL34-Röhren (STR447), die fünf Vorstufen- und Treiberröhren, einen kaum hörbaren Lüfter sowie die bulligen Netzteile und Ausgangsübertrager. Es gibt drei Lautsprecherausgänge, einen nicht schaltbaren, seriellen Effektloop sowie die hauseigene Lautsprechersimulation „CabClone IR“. Schließlich lässt sich der Badlander über einen versenkten Schalter auch für den Betrieb mit 6L6-Endstufenröhren konfigurieren.

CABCLONE IR

CabClone IR basiert auf Impulsantworten, die den Frequenzgang einer mikrofonierten Lautsprecherbox enthalten. Dieser wird in Echtzeit mit dem Signal verrechnet und an einem XLR-Anschluss und Kopfhörerausgang ausgegeben. Ein Lastwiderstand sorgt dafür, dass der Verstärker sogar ganz ohne echte Lautsprecher betrieben werden kann.

(Bild: Dieter Stork)

Insgesamt acht Impulsantworten befinden sich im Gerät und lassen sich über eigene Schalter pro Kanal auswählen. Die Auswahl umfasst zwei 4×12″-Rectifier-Boxen sowie sechs weitere hauseigene Boxen mit 1×12″- und 2×12″-Bestückung. Neben dem Celestion Vintage 30 findet man hier auch den Celestion C90 und den Jensen Alnico „Blackbird“. Außerdem bietet der Badlander eine USB-Schnittstelle, über die sich auch alternative Impulsantworten laden lassen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

SOUND

Kurzum, der Badlander 100 klingt überragend. Ein Volltreffer, wenn man sich von der Erwartungshaltung löst, hier den Sound des Dual Rectifiers in leicht veränderter Version zu hören.

Der Clean-Sound ist für einen Verstärker dieser Stoßrichtung gut, übersteuerungsfest und offen, wenn auch nicht auf einer Höhe mit den Lonestar- oder Mark-Modellen. Dafür lässt sich dieser Kanal bei aufgedrehtem Clean-Regler aber für richtig straffe und dynamische Crunch-Sounds nutzen. Das Crunch-Voicing schließt direkt nahtlos an. Hier erlebt man, wie britisch der Badlander klingt. Herrlich aufgeräumt und mit viel Attack, allerdings druckvoller im oberen Bassbereich. Rock und Hardrock gelingen so mit Bravour und lassen sich per Boost und Overdrive auch bequem in höhere Gain-Gefilde upgraden. Der High-Gain-Sound, Crush, komplettiert die Klangauswahl in höheren Gain-Regionen. Auch hier gilt, dass die Klangeigenschaften beziehungsweise die Zerrcharakteristik erhalten bleiben.

Anders als ein Dual Rectifier klingt der Badlander mit dem EQ in Mittelposition bereits überzeugend ausgewogen – keine bissigen Höhen und wummernden Bässe, sondern straff und wuchtig. Er findet die richtige Mischung zwischen Artikulation und Grobkörnigkeit. Auch das Spielgefühl zeigt sich als gute Balance aus Kontrolle und Spielspaß.

Im zentralen Frequenzspektrum liefert der Badlander kräftige, nicht überbetonte Mittenanteile, die dem Sound Körper und Durchsetzungsvermögen verleihen. Auch die nötige Perkussion ist vorhanden. Super!

Die Gain-Reserven im Crush-Modus sind anständig, aber nicht für jedes Metal-Genre ausreichend. Wer zusätzlichen Schub benötigt, erledigt das zielsicher per Boost oder Overdrive, in meinem Fall ein Friedman Buxom Boost und ein Mesa Boogie Grid Slammer. Dennoch hätte ich mich über einen internen Gain-Boost durchaus gefreut.

Klanglich gibt es Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede zum Dual Recitifer. Beide Verstärker sind eher roh abgestimmt. Wer den raumgreifenden “Rectifer-Sound” sucht, wird hier allerdings nicht fündig. Der Badlander agiert grundsätzlich straff und stabil, nach oben weniger “giftig” und in den Mitten mit anderer Positionierung. Dazu reagiert er dynamischer auf die Härte des Anschlags.

Im Rockgenre, aber erst recht im Metal und Hardcore sollte man den Badlander unbedingt auf dem Schirm haben. Dazu ist der explizit straffe Bass auch ein handfester Vorteil in Kombination mit Extended-Range-Instrumenten.

Aufgrund seiner Durchschlagskraft finde ich das Prädikat „Rectifier“ dennoch legitim. Die vermutlich ursprüngliche Intention dieses Namens, zwischen Dioden- und Röhrengleichrichtung umschalten zu können, hat der Hersteller schon in anderen Modellen über Bord geworfen.

Schließlich erinnert mich der Badlander vom Spielgefühl her teilweise an Fryette und die Mark-Serie mit zurückgeregeltem Bass in der Vorstufe, was meinen Geschmack voll trifft. Wem das weniger gefällt, der nutzt den Variac-Modus mit abgesenkter Betriebsspannung. Hier wird der Sound dichter, weicher, etwas weniger perkussiv und verzeihender – eine Alternative bei geringeren Verzerrungen und dynamischer Spielweise.

Natürlich sollte man die Box in die Gleichung einbeziehen. In diesem Fall sollte man in der umfangreichen Rectifier-Serie fündig werden. Erwähnenswert wäre insbesondere die neue 2×12″-Box mit zwei übereinander diagonal versetzten Celestion Vintage 30, die sich in puncto Klangvolumen zwischen einer konventionellen 2×12″ und einer 4×12″-Rectifier-Box im Vollformat platziert, mit der ich meine Tests absolvierte. Auch in Kombination mit dem Celestion G12H-100 klang der Bandlander sehr gut.

Und auch die Lautsprechersimulation kann überzeugen. In kürzester Zeit erstellt man ein konsistentes Ausgangssignal für die Beschallung bzw. für das Monitoring, ganz ohne Mikrofon: ein zuverlässiges Sicherheitsnetz, eine Lösung für leises oder geräuschloses Spielen auf der Bühne und eine schnelle Aufnahmehilfe. Einzig für Studioaufnahmen würde ich zur echten Mikrofonierung tendieren, die sich selbstverständlich auch zusätzlich erledigen lässt. Kurzum: CabClone IR ist ein praxistauglicher Mehrwert, den sich mancher Musiker oder Tontechniker sicher schon oft gewünscht hat.

(Bild: Dieter Stork)

IM VERGLEICH

Meine Vergleichskandidaten waren ein Multiwatt-Dual-Rectifier und ein Revision F mit Modifikation von Hermansson. Beide Verstärker klingen deutlich anders als der Badlander: weniger Breitwandformat als kompakter Faustschlag. Dazu klingt es nahezu mühelos produktionsfertig.

Gleichzeitig hat das Testgerät Anleihen eines richtig guten Marshalls, ist aber etwas dunkler abgestimmt, ohne dabei die Geschwindigkeit im Anschlag zu verlieren. In Kombination mit EMGs schiebt der Badlander 100 bei Bedarf auch wirklich brutal im Bandkontext.

Ein naheliegender Vergleich wäre der längst nicht mehr verfügbare Stiletto Deuce II, der durchaus verwandt klingt. Im Direktvergleich hatte der Badlander bei mir allerdings bezüglich der Definition und Klarheit im High-Gain-Bereich die Nase vorn. Gleichzeitig erreicht man gute Sounds spielerisch leicht, während man am Stiletto ziemlich kurbeln muss.

WUNSCHTRÄUME

Angesichts des Preises von nahezu 3.500 Euro bin ich bezüglich der Bewertung des Badlander 100 zwiegespalten. Die Klang ist großartig, die Ausstattung zwar clever, aber eben auch eher einfach gehalten. Das Konzept mit identischen Kanälen à drei Voicings ermöglicht es, den Verstärker flexibel einzusetzen, sofern man denn mit zwei Kanälen auskommt: Clean/Crunch, Crunch/Crush, zweimal Crunch oder zweimal Crush.

Als echten Mehrwert darf man das praxistaugliche und klanglich überzeugende CabClone IR bezeichnen.

Wenn ich mal träumen darf: Ein schaltbarer Effektloop, ein einfacher dritter Clean-Kanal, ein Boost und eine schaltbare Solo-Lautstärke würden den Badlander deutlich aufwerten. Schaut man in die Preisliste von Mesa Boogie, stellt man allerdings fest, dass sich die Boogie-Dreikanaler Triple Crown und Mark VII inzwischen jenseits der 4.000 Euro-Grenze bewegen.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Der Badlander ist ein überragend und modern klingender Verstärker. Wer Metal spielt und eventuell tief stimmt, dürfte seinen Klang lieben. Er hat eine ähnliche Stoßrichtung wie die legendären Dual-Rectifier-Modelle, liefert aber eine andere Klangfarbe, die deutlich straffer und britischer gerät.

Ich würde ihn fast als eine zweikanalige Deluxe-Version des Marshall 2203 bezeichnen. Er ist somit kein Nachfolger der besagten Rectifier-Modelle, sondern eine EL34-fokussierte Neuinterpretation, die sich auch von den anderen aktuellen Modellen im Angebot von Mesa Boogie abgrenzt. Der Klang löst zumindest bei mir echte Begeisterung aus. Der Preis fällt trotz des wunderbaren CabClone IR recht selbstbewusst aus.

PLUS

  • erstklassiger Sound
  • sehr straffe Abstimmung
  • CabClone IR integriert

MINUS

  • hoher Preis
  • Effektloop nicht schaltbar
  • Beschränkung auf zwei Kanäle
  • integrierter Boost wäre wünschenswert


INTERVIEW

Doug West, Leiter der Entwicklungsabteilung bei Mesa Boogie (Bild: MESA Boogie / Gibson Inc)

Doug West

Hallo Doug, wie würdest du den Badlander vom Dual und Triple Rectifier abgrenzen?

Der Badlander ist schaltungstechnisch Teil der Rectifier-Familie und bewegt sich dort eher im “britischen” Klangbereich. Wir wollen den Klang der Serie weiterentwickeln und eine Referenz an den klassischen britischen Sound schaffen. Außerdem wollten wir den Bassbereich an die Anforderungen tiefer gestimmter Gitarren anpassen und die Höhen etwas zähmen. Dual und Triple Rectifier bieten im Vergleich recht tief liegende Bassfrequenzen, abgesenkte Mitten und recht scharfe Höhen und Obertöne. Wer sich als Gitarrist eher für die britischen Sounds begeistert, etwa Classic Rock mit mehr Gain, der wird den Badlander sicher mögen. Er ist im Mittenbereich präsenter und aufgeräumter, höher im Bass und in den Höhen umgekehrt etwas aggressiver und tiefer platziert. Die Dual- und Triple-Rectifier-Modelle klingen im Vergleich anders und eigenständig. Wer auf der Suche nach extremen Heavy-Sounds für Grunge, Metal und Nu Metal ist, für den sind die Originale unverändert ohne Alternative.

Habt ihr während der Entwicklung eine dreikanalige Version in Betracht gezogen?

Oh ja, wir haben mit allen möglichen Ideen gespielt – das tun wir grundsätzlich. Wir waren allerdings der Ansicht, dass wir das Thema Dreikanäler mit den Rectifier-Modellen von 2010, dem Triple Crown und dem Mark VII, hinreichend abdecken. Ein Zweikanaler schien uns für die Zielgruppe passender. Der Badlander ist ein Rock’n’Roll-Verstärker und in diesem Genre gilt für die besten Songs: keep it simple. Hinzu kommt, dass es jede Menge Pedale gibt, mit denen sich diese zwei Kanäle kombinieren lassen.

Wäre es denkbar gewesen, die neuen Voicings aus dem Badlander in ein neues Rectifier-Modell zu integrieren?

Wir haben das mit dem Raw-Voicing der Rectifer versucht. Allerdings ist der Badlander von Grund auf neu konstruiert worden. In diesem Fall war die Konstruktionsbasis die EL34-Endstufe und damit die Basis für alle Optimierungen.


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2025)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.