Die Echo-Legende und ihre Kumpels

SIB!: Charger, Cuda und Echodrive im Test

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SIB! Noch nie gehört? Das glaube ich gerne. Dabei ist SIB! eigentlich kein Neuling auf dem Markt. In den 90ern gehörten die Amerikaner zu den Pionieren des Boutique-Booms und waren gleichermaßen exklusiv wie teuer.

(Bild: Dieter Stork)

Bereits 1999 wurde die Produktion eingestellt, was den Kultstatus einiger SIB-Produkte nur noch vergrößerte. Vor allem das analoge Echodrive im blauen Gehäuse gilt als legendär und wird zu abenteuerlichen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt gehandelt. Aber auch das rote Echodrive – ebenfalls mit Röhrenvorstufe, aber digitaler Delay-Erzeugung – soll dem blauen klanglich nicht viel nachstehen. Schön, dass SIB! nach längerer Marktabstinenz wieder zurück ist. 15 Effektpedale befinden sich derzeit im Angebot von SIB!. Darunter natürlich die Klassiker, wie z. B. das Echodrive, das Varidrive oder das Mr. Echo. Sogar das blaue analoge Echodrive kann man im Custom- Shop für $ 849 wiederbekommen. Ein Schnäppchen im Vergleich zu den Preisen um $ 1200, die auf dem Gebrauchtmarkt für Originale aus den 90ern aufgerufen werden. SIB! beschränkt sich aber nicht nur auf die Wiederauflage der alten Geräte, sondern bietet auch Weiterentwicklungen, wie das hier zum Test vorliegende Echodrive 4, und Neuentwicklungen wie den Charger, einen Verstärker in Stompbox-Format, an. Komplettiert wird das Testtrio durch den Cuda, einen röhrenbetriebenen Overdrive/Distortion. Ein illustres Trio, das hier an den Start geht! Beginnen wir mit dem Echodrive.

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Weiterentwicklung der Legende

Boah – was ein Trumm. Der Echodrive 4 geht nicht gerade sparsam mit dem Pedalboardplatz um. Mit seinen üppige Ausmaßen von 115 x 180 x 84 mm und einem beeindruckenden Gewicht von 1,6 kg gibt er sich ganz schön selbstbewusst in einer Zeit, in der Pedale immer kleiner werden. Das super-robuste rote Stahlblechgehäuse beherbergt aber auch einen fetten Trafo, der die 230 Volt Netzspannung für die ECC83S-Röhre und die ICS des Echodrives jeweils passend aufbereitet. Neben der Röhre ist ein digitaler PT2395 das zweite Herzstück der Schaltung. Bis zu 1300 ms Echozeit schafft der IC bei Bedarf. Das dürfte für die meisten Nutzer mehr als genug sein. Mit dem Delay-Range-Schalter an der linken Seite des Pedals kann zwischen Delayzeiten von 30 ms bis 400 ms oder von 300 ms bis 1300 ms gewählt werden, sodass auch kurze Slapback-Echos sehr genau eingestellt werden können. Tap-Tempo gibt es nicht, aber wer will, kann an die Pedal- Buchse ein passives Volume-Pedal anschließen und die Delayzeit mit dem Fuß steuern. Ohne Pedal übernimmt das Delay-Poti diese Aufgabe. Das Repeat- Poti für die Anzahl der Wiederholungen und das Mix-Poti für den Anteil des Effektsignals zum trockenen Signal komplettieren die für Delays üblichen Regelmöglichkeiten. Da das Echodrive aber alles andere als gewöhnlich ist, gibt es noch drei weitere Regler. Das Record- Level-Poti hatte bereits das 90er Echodrive. Das Poti regelt den Input-Gain der Echo-Einheit. Es interagiert mit dem Repeat- Regler insofern, dass eine höhere Einstellung den Repeat-Regler sensibler werden lässt. Auch das Volume Poti ist nicht neu. Es passt die Lautstärke der Röhrenvorstufe an. Eine Neuerung des Echodrive 4 gegenüber dem alten Echodrive weist die klangverbessernden Eigenschaften der Röhrenvorstufe eindrucksvoll nach: Der Bypass des Echodrive 4 kann nämlich wahlweise in drei Modi agieren. Als True Bypass wird das Effektsignal im Bypass komplett abgeschnitten.

Im Spillover-Modus, dem traditionellen Bypass des Echodrive, klingen die Delays aus. Der dritte Modus schaltet die Echos ab, lässt aber die Röhrenvorstufe weiterhin aktiv. Wer sich nach einer gewissen Spielzeit an den Echodrive gewöhnt hat, will von dem True-Bypass eigentlich nichts mehr wissen. Die Röhrenvorstufe kann gerne dauernd aktiv bleiben. Eine weitere Neuerung ist die Drone-Funktion, die mittels Drone-Poti geregelt und mit dem linken Fußtaster aktiviert wird, solange man ihn gedrückt hält. Drone meint, dass die Echos so lange wiederholt werden, bis die Selbstoszillation eintritt. Ein netter Gimmick, der sehr abgefahrene Soundcollagen ermöglicht. Aber die eigentliche Qualität des Pedals liegt nicht in solchen Effektspielereien, sondern in der Klangqualität der Echos: Mit sehr dichten und tief in den Raum hineinreichenden Echos passt sich der Echodrive wunderbar an das Gitarrenspiel an. Nie wirkt der Sound aufgesetzt oder irgendwie künstlich. Der Effekt begleitet das Gitarrenspiel harmonisch und macht den Sound dichter und fetter. Ein großartiges Pedal für alle, bei denen etwas Delay zum Grund-Sound gehört.

Röhrenbetriebene Effektgeräte

Die Röhre, im Prinzip eine Technik aus der elektronischen Steinzeit, ist im Musikerbereich nicht tot zu kriegen. Insbesondere Gitarristen schwören darauf, dass Röhrenverstärker wärmer, weicher und transparenter klingen als Transistorverstärker. Alle Bemühungen bei der Gestaltung von Transistorschaltungen – ob nun klassisch analog oder digital gemodelt – zielen darauf ab, den Sound möglichst „röhrenähnlich“ klingen zu lassen. Vielen Musikern genügen aber selbst die aufwendigsten Bemühungen immer noch nicht. Zugegeben, moderne Modelling- Technik von innovativen Firmen wie Kemper oder Fractal Audio ist beeindruckend realistisch, aber selbst prominente Axe-FX-Nutzer, wie z. B. Steve Vai und Joe Satriani verzichten auf der Bühne nicht auf ihre Röhrenverstärker. Ein Ende der Röhrenverstärker ist derzeit nicht absehbar. Und was dem Verstärker recht ist, kann dem Effektgerät billig sein.

Daher werden Röhren trotz höherer Kosten und eines höheren Aufwandes immer wieder mal in Effektgeräten verwendet. Naheliegend ist die Verwendung natürlich in Overdrive- oder Distortion-Schaltungen, um die Vorteile der Röhre beim Übersteuern direkt nutzen zu können: Das Soft-Clipping einer übersteuerten Röhre klingt mit den vielen harmonischen Obertönen nun mal ausgesprochen angenehm in unseren Ohren. Aber auch in anderen Effektgeräten werden Röhrenschaltungen verwendet, um z. B. eine natürliche Kompression oder Sättigung zu erzielen oder das Effektsignal mit Obertönen und gewollten Verzerrungen anzureichern. Das sind bewusste Maßnahmen, um dem Sound „Wärme“ zu geben und ihn natürlich und harmonisch klingen zu lassen. Ob dies dann tatsächlich immer gelingt, muss aber von Fall zu Fall entschieden werden. Eine Röhre in einem Effektgerät ist keine Garantie für Wohlklang. Und manchmal hat man den Eindruck, dass eine Röhre nur als verkaufsförderndes Alibi Eingang in die Schaltung gefunden hat.

Kraftvolle Röhrenvorstufe

Mit dem Cuda bietet SIB! einen röhrenbetriebenen Overdrive/Distortion an. Auch der Cuda ist „built like a tank“, wie der Engländer zu sagen pflegt, und innen wie außen absolut top verarbeitet. In dem grünen Stahlblechkästchen sorgt eine 12AX7-Röhre für die Klangerzeugung. Dem Cuda genügt eine Versorgungsspannung von 9 Volt. Ein passendes Netzteil ist im Lieferumfang dabei. Dank des geringen Anspruchs an die Stromversorgung, kann er aber auch über ein zentrales Netzteil des Pedalboards betrieben werden. Intern werden die 9 Volt für die Röhre dann auf Hochspannung transformiert. Das Ergebnis ist ein runder und weicher Klang, der übrigens nicht nur auf Zerrsounds beschränkt ist. Bei niedrigen Gain-Einstellungen kann der Cuda auch einen sehr schönen Cleansound produzieren. Die hier zum Test vorliegende LT-Version ist in den Höhen etwas milder abgestimmt und bietet etwas weniger Verzerrung als die Standard-Version. Für einen Overdrive hat auch die LT-Version genug Gain.

Der Cuda schöpft seine Kraft aus einer 12AX7-Röhre. (Bild: Dieter Stork)

Als Distortion jedoch, der einen eigenständig tragenden Lead- Sound zur Verfügung stellen soll, könnte es mit Singlecoils-Pickups gerne noch etwas mehr sein. Hier empfiehlt sich dann die Verwendung eines vorgeschalteten Boosters oder eines weiteren Verzerrers, z. B. ein Tube Screamer, der auch farblich gut zu dem grünen Kollegen mit der echten Röhre passt. Klanglich ergänzen sich beide prima. Der mittenbetonte Tube Screamer kitzelt den Cuda genau an der richtigen Stelle, um einen cremigen aber nicht verwaschenen Wohlfühlsound zu zaubern. Der Cuda verhält sich dabei als Partner wie eine gute Verstärkervorstufe und bleibt immer differenziert und druckvoll. Die effektive Zweibandklangregelung erlaubt eine gute Anpassung des Röhrenverzerrers an seine Umgebung. Die Höhen sind absolut ausreichend und klingen bei Bedarf bissig aber nicht schrill. Der Bassbereich ist sehr präsent und mächtig – da ist reichlich Kraft im Keller. Der Grundsound des Cuda ist differenziert und druckvoll – kein Schönfärber, der spielerische Unzulänglichkeiten gutmütig kaschiert, sondern ein ehrlicher Verzerrer, der v. a. für Blues und Rocksounds begeistern kann.

Kompakter Lautmacher

Vollwertige Gitarrenverstärker im Pedalboardformat sind jetzt nicht unbedingt etwas Neues. Da fallen mir spontan zwei Pedale von Electro-Harmonix ein. Aber der Charger hat im Gegensatz zu der Konkurrenz den Vorteil einer Zweibandklangregelung und einer sehr gut klingenden Verzerrung. Im Prinzip könnte man also bereits mit dem Charger, einer Gitarre und einem Lautsprecher ordentlich losrocken. In den Input kommt die Gitarre oder der letzte Effekt einer Effektkette. An die mit Speaker beschriftete Buchse dürfen Lautsprecherboxen mit 4, 8 oder 16 Ohm angeschlossen werden.

Vorsicht! Hinter den Charger darf nur ein Lautsprecher gehängt werden, kein weiteres Effektgerät. Das würde mit ziemlicher Sicherheit zerstört werden. Wenn die Eigenverzerrung des Chargers genutzt werden soll, ist das „Einschleifen“ eines Delays also nicht möglich. Da macht es sich sehr gut, dass der Charger ganz prima mit anderen Pedalen auskommt und sich mit seiner kompakten Größe für einen Platz auf dem Pedalboard bewirbt. Vor allem mit anderen Verzerrern versteht er sich ausgezeichnet.

Die Weiterentwicklung gegenüber dem 90er-Jahre-Original sind der Spill- Schalter, mit dem die Bypass-Funktion gewählt werden kann und die Drone- Funktion zur Aktivierung der Selbstoszillation. (Bild: Dieter Stork)

Neben dem Cuda habe ich auch eine ganze Reihe von Overdrive, Fuzz- und Distortionpedalen mit dem Charger probiert und immer war das Ergebnis überzeugend, weil die Unterschiede der einzelnen Verzerrer vom Charger sehr differenziert wiedergegeben werden. Angesichts der kompakten Ausmaße mag man Sorge haben, dass der Mini-Verstärker in der Praxis nicht potent genug wäre. Aber mitnichten: Je nach Ohmzahl leistet der Charger von 20 bis 50 Watt. Das reicht auch bei einer 16-Ohm Box, um einem Schlagzeug im Proberaum Paroli bieten zu können. An meiner 4x12er Marshallbox jedenfalls war der Charger auch bei Cleansounds noch längst nicht voll aufgedreht. Und auf der Bühne wird man bei der Frage, ob es denn ein bisschen lauter sein könnte, vom Mixer in der Regel eh auf die Monitoranlage verwiesen. Laut genug ist er also und auch klanglich macht er seine Sache gut. Im direkten Vergleich mit anderen Transistorendstufen klingt der Kleine ganz schön erwachsen und liefert ordentlich Druck an den Speaker. Dabei bleibt das unvermeidbare Rauschen im normalen, nicht störenden Bereich.

Ein perfekter Partner für das Pedalboard: Der kompakte Charger begnügt sich mit 9 – 15 Volt Gleichspannung. (Bild: Dieter Stork)

Erst im Vergleich mit guten Röhrenverstärkern zeigt sich wieder, warum wir Gitarristen so an der veralteten Technik mit den glühenden Glaskolben hängen. Im Sparring mit meinem Standard-Testverstärker für Pedale, dem Fender Hot Rod Deluxe, zeigt der Charger die üblichen Schwächen der Transistortechnik: die Höhen klingen etwas matt, die Auflösung und räumliche Tiefe ist geringer und insgesamt wirkt der Sound weniger lebendig. Allerdings habe ich den Hot-Rod in der Testphase zwischendurch auch zum Techniker bringen müssen, weil er nach dem letzten Gig einen Transportschaden hatte und nur einen Bruchteil seiner Leistung lieferte. Ich stelle mir die Situation mal vor, wenn der Schaden nicht beim Transport vom Gig, sondern beim Transport zum Gig passiert wäre. Dann wäre ich aber froh gewesen, wenn ich einen Charger in meinem Gitarrenkoffer als Notfallreserve gehabt hätte!

Alternativen

Röhrenbetriebene Verzerrer gibt es einige auf dem Markt. Die Auswahl ist vielfältig und reicht von recht günstigen einkanaligen Konzepten, wie z. B. dem Vox V8-Distortion oder dem Palmer Mutterstolz über mittelpreisige Pedale von Finhol, Blackstar oder Radial Tonebone bis zu den hochpreisigen Damage Control Pedalen, bzw. den mehrkanaligen Röhrenvorstufen Tubeman und Tubefactor von Hughes & Kettner.

Nicht ganz so groß ist die Auswahl an röhrenbetriebenen Delays. Aber Alternativen zum Echodrive gibt es natürlich: Vom hochpreisigen Hughes & Kettner Replex, über das Guyatone TD-X Tube Echo bis hin zum günstigen Blackstar HT Delay. Verstärker im Stompbox-Format bietet Electro-Harmonix mit dem 44er Magnum und dem Caliber 22 an. Diese sind im Vergleich zum Charger aber wegen der fehlenden Klangregelung schlechter ausgestattet. Der Amp 1 von Thomas Blug dagegen ist als Mehrkanaler deutlich aufwendiger konzipiert.

Resümee

Tolle Pedale liefert SIB! hier ab. Keine gimmicküberladenen Effekthaschereien, sondern ehrliche Arbeitstiere für die Freunde des guten Tons. Ob das Echodrive seinen Kultstatus verdient hat, muss jeder selbst beurteilen. Mir hat das Delay sehr gut gefallen, weil es sich so wunderbar in meinen Sound einschmiegt und ihn ohne viel Aufsehen einfach etwas größer, runder und schöner macht. Der Cuda LT ist ein wunderbarer Blueser und Riff- Rocker, der das eigene Gitarrenspiel ungeschönt aber durchaus druckvoll wiedergibt.

Der Charger wird zwar nicht dazu in der Lage sein, meinen Röhrenverstärker bei einem Auftritt zu ersetzen, aber als Notreserve auf dem Pedal-board oder für kleinere Gigs und Proben, wenn man mal nicht schleppen möchte, hat er absolut seine Berechtigung. Leider sind die Preise genauso beeindruckend wie die Effekte, was jedoch angesichts der herausragenden Qualität der Pedale auch nachvollziehbar ist.

Plus

  • Klangqualität
  • erstklassige Verarbeitung und Haptik
  • Bauteilequalität
  • Design
  • intuitive Bedienbarkeit

Minus

  • Größe und Gewicht des Echodrive

Aus Gitarre & Bass 01/2017

Produkt: ESP-Klassiker im Test
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