Für Fans des legendären Chandler-Sounds

Röhrige Revolution: Crazy Tube Circuits Venus im Test

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(Bild: Crazy Tube Circuits)

Ja, das Venus Overdrive von Crazy Tube Circuits beherbergt trotz seiner kompakten Bauform eine echte ECC832-Röhre. Optisches Gimmick oder doch echter Röhrensound? Das finden wir heraus.

Bevor wir uns das Venus-Pedal vorknöpfen, werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichtsbücher der Effektpedale: Bereits in den späten 1970er-Jahren entwickelte Brent K. Butler mit seinem Tube Driver ein revolutionäres Overdrive-Pedal mit echter ECC82/12AX7-Röhre, das erstmals den warmen, dynamischen Sound von Röhrenverstärkern in Pedalform ermöglichen sollte – eine Seltenheit zur damaligen Zeit. Chandler Industries lizenzierte das Design und vertrieb es als Chandler Tube Driver, das schnell durch Gitarristen wie David Gilmour oder Eric Johnson Kultstatus erlangte. Später gründete Butler seine eigene Firma Tube Works und brachte das Real Tube heraus – ebenfalls röhrenbasiert, aber günstiger, mit einem robusterem Gehäuse und etwas erweiterter Klangregelung. Das Real Tube bot zu seiner Zeit ungewöhnlich viel klangliche Flexibilität und Röhrensound für ein vergleichsweise erschwingliches Pedal. Genau an diese legendären Röhren-Overdrives knüpft Crazy Tube Circuits nun mit dem Venus an – und das macht doch vieles ganz anders als die legendären Vorbilder.

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(Bild: Crazy Tube Circuits)

DURSTIG AM NETZTEIL

Dass hier in der Tat eine Röhre ihren Dienst verrichtet, deuten bereits die seitlich am Gehäuse angebrachten Lüftungsschlitze an. Ein Blick ins Innere gibt Gewissheit: Eingekeilt zwischen zwei sauber verarbeiteten Platinen steckt eine ECC832-Röhre in einem kleinen Sockel. Das hat natürlich einen gewissen Stromdurst zur Folge: Satte 500 mA möchte das Venus-Pedal gerne vom Netzteil bekommen – hier gilt es also, darauf zu achten, dass genug Saft auf das Pedalboard gelangt. Da naturgemäß eine deutlich spürbare Abwärme entsteht, würde ich dringend dazu raten, rechts und links des Geräts einen gewissen „Lüftungsabstand“ einzukalkulieren. Als kleiner Hinweis auf die Inspiration hinter dem Venus-Pedal wurde auf die Platine der Schriftzug „Let’s make a symphony of a thousand smiles“ gedruckt – eine Textzeile aus dem Song „Venus Isle“ von Eric Johnson (der ja als ausgesprochener Fan des Chandler Tube Drivers gilt).

(Bild: Crazy Tube Circuits)

Crazy Tube Circuits weist übrigens darauf hin, dass auch „die üblichen Verdächtigen“ wie die ECC82, 12AU7, 12AX7 oder auch 5751-Röhren in diesem Gerät funktionieren. In seinen Regelmöglichkeiten vereint unser Testpedal die besten Eigenschaften der alten Chandler-Tube-Driver-Pedale mit den extra Features der Rackmount-Version. Neben dem obligatorischen DreiBand-Equalizer sowie den Reglern für Volume und Drive gibt es zudem noch ein Bias-Poti, welches die Stromversorgung der Röhre steuert. Außerdem ist das Pedal mit zwei kleinen Tastern für einen leichten Bass-Cut (Tight) und einem Line-Driver-Boost ausgestattet. Etwas schade finde ich, dass diese beiden Taster keine eigene Status-LED haben. Im schummerigen Bühnenlicht dürfte es nahezu unmöglich sein, zu erkennen, in welchem Modus das Pedal gerade arbeitet.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Crazy Tube Circuits)

Im Clean-Kanal meines Verstärkers und mit dem Bias-Regler auf Rechtsanschlag (also normale Stromzufuhr der Röhre) gibt das Venus einen beeindruckend satten und vollen Overdrive-Sound von sich. Hier ist einfach alles da: tragfähige Bässe, ein sehr breitschulteriges Mittenspektrum und weiche, nicht zu bissige Höhen. Auffällig finde ich, dass eine gewisse Kompression vorhanden ist, die ich in dieser Art eher selten bei Overdrive-Pedalen zu hören bekomme und die sich vor allem in den mittleren bis hohen Lagen des Griffbretts positiv hervortut. Die Klangregelung erweist sich als ausgesprochen effizient, sollte aber mit einer gewissen Vorsicht bedient werden: Bereits kleine Veränderungen führen hier zu ziemlich deutlich hörbaren Ergebnissen, und ich musste schnell feststellen, dass vor allem das Höhen-Poti die Venus in ziemlich extreme Klanggefilde befördern kann. Geht man hier jedoch mit etwas Feingefühl zu Werke, bekommt man eine extrem vielseitige Klangregelung, die es vor allem ermöglicht, das Pedal an unterschiedliche Instrumente anzupassen.

Eine zentrale Schlüsselstelle in Bezug auf den grundsätzlichen Klangcharakter stellt das Bias-Poti dar: Dreht man hier (behutsam!) den Regler gegen den Uhrzeigersinn, wird das Signal immer dreckiger und aus dem süßlich-komprimiert klingenden Schöngeist wird eine fuzzige Dreckschleuder. Den entstehenden Lautstärkeverlust kann man übrigens dank der kräftigen Reserven des Pedals mühelos ausgleichen. Möchte man zudem die Eingangsstufe des Verstärkers ein wenig überreizen, sorgt der Line-Driver-Schalter für einen gehörigen Boost, der meinen Test-Verstärker problemlos ins Clipping treibt. Im Test empfand ich das Venus-Overdrive aber vor allem vor einem cleanen oder ganz leicht zerrenden Amp am besten. Im Drive-Kanal des Verstärkers wurde mir das Gesamtergebnis dann doch ein wenig zu komprimiert. Sollte eine Gitarre mit sehr dicken Saiten oder gar einer etwas tieferen Stimmung zum Einsatz kommen, sorgt der Tight-Switch dafür, dass das Resultat nicht in einer einzigen Matsch-Orgie endet und die tiefen Mitten und Bässe ein wenig aufgeräumt werden. Trotz der umfangreichen Regelmöglichkeiten hat Crazy Tube Circuits es geschafft, dass der sehr warme und ausgewogene Grundcharakter einerseits zwar nicht zu sehr verbogen wird, die Klangeigenschaften unterschiedlicher Gitarren aber trotzdem schön erhalten bleiben.

(Bild: Crazy Tube Circuits)

RESÜMEE

Angesichts der saftigen Preise, die das originale Chandler-Tube-Driver-Pedal auf dem Gebrauchtmarkt erzielt, ist es doch mehr als erfreulich, dass sich ein Hersteller wie Crazy Tube Circuits diesem Thema annimmt. Dabei ist das Venus nicht bloß eine Kopie des kultigen Originals, sondern eine absolut zeitgemäße Hommage. Fort sind das nervige Netzkabel, das übergroße (wenn auch wirklich hübsche) Gehäuse und die eingeschränkten Regelmöglichkeiten. Mit dem Mitten-Regler, dem Booster und dem Tight-Switch wurden einige praxistaugliche Add-ons mit an Bord genommen, die in der Praxis einen echten Mehrwert bieten. Für Fans des legendären Chandler-Sounds dürfte dieses Pedal ein absolutes Muss bei der nächsten Pedal-Test-Runde im Musikgeschäft des Vertrauens werden.

Plus

● Verarbeitung
● Authentische Sounds
● Vielseitigkeit
● Bias-Regler

Minus

● Fehlende LEDs für Taster


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

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