Kein Schmuse-Amp

Randall RG1503H im Test

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Topteil für E-Gitarre von Randall, schwarz
(Bild: Dieter Stork)

 

Ein Wochenendtrip zu zweit ins schöne Berlin, nach Hamburg, München, Hannover, Amsterdam oder was auch immer, man gönnt ich ja sonst nichts, das tut gut, macht Spaß, zieht einem aber leicht mehr Geld aus der Tasche als dieses Topteil hier draußen in den Läden kostet. Drei Kanäle, mit Hall, 150 Watt, verlockend, ob es sich lohnt dafür auf den Kurzurlaub zu verzichten?

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Es kommt noch bunter. Die Combo-Variante liegt sogar niedriger im Preis. Als empfohlener VK sind € 356 angegeben: ein 12″-Speaker, 70 Watt, wie kann ein Hersteller solche Offerten realisieren?! Nun, die beiden Modelle sind kostengünstig in purer Halbleitertechnik aufgebaut und kommen natürlich aus Fernost.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion des Randall RG1503H

Dennoch, selbst wenn man Technik und Herkunft einkalkuliert, darf man sich angesichts der Eckdaten über das zumindest vordergründig günstig wirkende Preis-/Leistungsgefüge wundern. Neben den drei Sound-Sektionen Clean, Crunch, und Lead, die jeweils über eigene Gain- und Volume- Regler verfügen, allerdings nur auf eine gemeinsame Vierbandklangregelung zurückgreifen, hat der RG1503H nämlich einen seriellen Einschleifweg zu bieten, den erwähnten Hall-Effekt, und sogar einen XLR-Line-Out mit Ground-Lift. Obendrein gehört auch ein Vierfach-Fußschaltpedal samt knapp sechs Meter langem Kabel zum Lieferumfang. Um die klangliche Variabilität zu erhöhen, verfügt die Vorstufe im Channel-1 über einen Bright-Switch, auf alle drei Kanäle wirken die Schalter Bass-Boost und Mid-Scoop. Ein Kopfhörerausgang und ein Mini-Klinken-Input zum Einspielen von CD/mp3-Signalen u. ä. runden das Konzept ab.

Wie üblich bei sogenannten eisenlosen (ohne Trafo) Transistorendstufen, variiert die Leistung mit der Abschlussimpedanz. Das Maximum von nominal 150 Watt ist bei vier Ohm erreichbar. An acht Ohm geht ein Drittel verloren, sprich: der Amp kommt dann auf 100 Watt. Bei 16 Ohm reduziert sich die Leistung dementsprechend weiter. Für jemanden, der richtig Lautstärke braucht, ist das eigentlich keine praktikable Option.

Die Power erzeugen vier Transistoren von Toshiba, die an einem großen Kühlkörper montiert sind. Damit sie wirklich nicht überhitzen, hat Randall dem Amp einen (leise laufenden) Lüfter spendiert. Zusätzlich sorgt eine Schutzschaltung dafür, dass die Endstufe keinen Schaden nimmt. Wie diese ist auch die Vorstufe in rein analoger Technik aufgebaut, no Modeling inside. Diverse ICs sorgen für die Signalverstärkung.

Während viele Produkte aus den unteren Preissegmenten inzwischen eine digitale Reverb-Einheit besitzen, bedient sich der RG1503H der traditionellen Technik, also einer Hallspirale; die aufwendiger ist, am Input extra eine Aufsprechverstärkung braucht, respektive am Ausgang eine Nachverstärkungsstufe. Das kurze Zweispiralensystem befindet sich im Amp-Chassis, hängt dort, wie es sich gehört, aufgespannt in kleinen Federn.

Der innere Aufbau ist ganz und gar einwandfrei. Substanz und Verarbeitung machen einen guten bis sehr guten Eindruck, u. a. weil größere Bauelemente mechanisch gut fixiert sind. Nirgends Anzeichen unbotmäßiger Sparmaßnahmen. Auch das aus Spanplatten gefertigte Gehäuse gibt keinerlei Anlass zu Kritik.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Der Randall RG1503H in der Praxis

Randall baut keine Schmuse-Amps, das ist klar. Die Klientel der US-Company sind Hard-, Heavy-, Metal-Rocker. Entsprechend mutwillig ist das Auftreten der beiden Distortion-Kanäle, wie wir gleich sehen werden. Trotzdem – und damit bereitet uns der RG1503H eine erste Überraschung – produziert der Channel-1 einen voluminösen Clean-Sound, der zwar stramm anspricht, aber im Klang einen freundlichen, keineswegs aggressiven Tonfall von sich gibt. Er ist vor allem mit Singlecoils gut Freund, lässt Teles und Strats in den Höhen glasig klingeln und bringt die TA-Zwischenstellung schön zu Geltung. Dass ausschließlich Transistoren am Werke sind, mag man zumindest auf Anhieb gar nicht vermuten. Füttert man den Channel-1 mit Humbucker-Signalen, muss die Klangregelung (und zumeist auch das Gain-Poti) erheblich anders eingestellt werden, sonst fehlt der Wiedergabe Transparenz. Bässe und Mitten raus, Treble und Presence mehr kitzeln, dann passt es. Nach einer Zeit der Eingewöhnung kommen dann aber auch die Unpässlichkeiten der Technik zum Vorschein, speziell wenn ’ne fette Paula aufspielt. Es wird längst nicht jedes Detail des Instruments aufgezeigt, der Charakter kommt nur bedingt zur Geltung, der RG1503H verschluckt viele Feinheiten. Jedoch mit Blick auf den Preis relativieren sich solche Makel sogleich; tatsächlich ist es beachtlich, was hier geboten wird. Zumal der Kanal bei hohen Gain-Stellungen ähnlich vehement „durchatmet“ wie es Low-Budget-Röhren-Amps tun.

Die Ausrichtung des Channel-2 geht in die britische Richtung, ausgesprochen kraftvoll und raumgreifend, mit einer betont modernen High-Gain-Attitüde. Die Verzerrungen sind dicht und harmonisch, gut konturiert beim Anschlag, und energisch im Bassbereich. Dropped-D-Riffs kommen überzeugend zur Geltung, wenngleich nicht besonders vehement. Rein klanglich bewertet arbeitet der Channel-2 ziemlich souverän, obwohl sein Timbre eher einem richtig guten Distortion-Pedal ähnelt, denn einer kultivierten Röhrenzerre. So ist auch das Sustain-Verhalten ein wenig gebremst. Der Ton kippt zwar gerne in Obertöne um (wenn man laut genug spielt ;-), tonverlängernd betätigt sich der Kanal aber nur bedingt. Was man vor allem beim Spiel in den höchsten Registern erlebt; so erfreulich kompakt der Sound an sich wirkt, magert er in den höheren Lagen doch merklich ab. Leichte Schwächen offenbaren sich auch bei moderaten Gain-/Crunch-Einstellungen. Es fehlt an Luftigkeit und Transparenz. Absolut gesehen. Bedenken wir wieder den Preis, spielen solche Details eher eine untergeordnete Rolle.

Der dritte Kanal offeriert nicht eine vollkommen andere Sound-Prägung, sondern interpretiert den gleichen Distortion-Charakter wie der Channel-2 mit mehr Schärfe und extrovertierteren Hochmitten. Modernes Metal-Brett, quietscht beim Plek-Attack gerne mit Oberton-Falsett, macht ’ne dicke Wand bei Power-Chords, trägt angenehm bei Lead-Passagen. Channel-2 und Channel-3 ergänzen sich insofern als Sound-Sektionen mit einerseits (noch) traditioneller, andererseits hypermoderner Ausrichtung. Das Ganze funktioniert natürlich nur, weil die Grundabstimmung der Kanäle gesund ausbalanciert ist, man also mit der einen Klangregelung gut zurechtkommt. Die funktioniert im Übrigen sehr effizient (aktive Filter?) und gewinnt durch den intensiven Bass-Boost und den mittenaushöhlenden Mid-Scoop noch krasse Aspekte hinzu.

Der Effektweg gibt recht starke Signale am Send ab. Das ist aber unproblematisch, denn eventuell notwenige Pegelabsenkungen an den Effektgeräten können mit dem Master-Volume wieder aufgeholt werden. Die kleine Hallspirale bewährt sich besser als man zunächst annehmen möchte. Der Reverb hat ein unaufdringliches Klangbild und scheppert nicht, ganz klar eine Bereicherung. Auch der frequenzgangkompensierte Line-Out erfüllt, wenngleich etwas bissig in den Höhen, seine Aufgabe zur Zufriedenheit. So gibt es schlussendlich nur eines zu bemeckern: Das sogenannte „Operation Manual“ spricht nur Englisch und erzählt dem Nutzer lediglich sehr knapp Rudimentäres über die Funktionen. Für ein Produkt, das ja gerade Newbies bedienen soll, kein glücklicher Umstand.

 

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Rein analog arbeitende Technik, sauberste Verarbeitung (Bild: Dieter Stork)

 

Alternativen zum Randall RG1503H

Vergleichbare Röhrenverstärker – mit entsprechender Leistung – bekommt man erst ab ca. € 600. Einzig der Valveking 100 von Peavey (ca. € 500) und die immer „unanständig“ günstigen Bugera-Produkte machen in der Hinsicht eine Ausnahme. Unter den Hybriden, Transistor-Amps, die mit Röhrenunterstützung arbeiten, ist Laneys LV300H eine Option.

Im Lager der reinen Transistor-Heads kommt ebenfalls ein Laney in Betracht, der allerdings nur zweikanalige LX120R. Mit Blick auf die Preise treten außerdem Hughes&Kettners Attax 100 und Marshalls MG100CFX (programmierbar mit Effekten) ins Sichtfeld. Dem entschlossenen Charakter des hartgesottenen RG1503H können aber alle genannten nur bedingt das Wasser reichen.

 

Resümee

Preislich ist er im Einsteigersegment angesiedelt, der Performance des RG1503H merkt man dies aber kaum an. Der Amp präsentiert sich mit seiner routinierten, variablen Sound-Formung quasi eine Klasse fitter. Ergo: Als Energieblock für das Hard-Rock- und Metal-Genre ist er uneingeschränkt empfehlenswert. Erfreulich ist außerdem, dass der RG1503H mit einer umfangreichen, nützlichen Ausstattung aufwartet. Preis und Leistung stehen insofern definitiv in einem gesunden Verhältnis.

 

Übersicht

Fabrikat: Randall

Modell: RG1503H

Gerätetyp: E-Gitarren-Verstärker, Topteil, drei Kanäle

Herkunftsland: China

Technik: analoge Halbleiterschaltung, Platinenaufbau,

Leistung: ca. 150 Watt/4 Ohm

Gehäuse: Spanplatten (ca. 19 mm), hinten angeschraubtes Lüftungsgitter, Kunstlederbezug, Gummifüße, Tragegriff a. d. Oberseite

Chassis: Stahlblech (ca. 1,3 mm), schwarz lackiert

Anschlüsse: Front: Input, Phones, Stereo-Media-Input; Rücks.: 2 Lautsprecheranschlüsse (min. Last 4 Ohm), Effects-Loop-Send, -Return, Line-Out (XLR), Footswitch (DIN: Kanalwahl, Reverb-Status), Netzbuchse

Regler: Front: je Kanal: Gain, Volume; global: Bass, Middle, Treble, Presence, Reverb, Master

Schalter: Front: Select-Channel (Kanal-/Sound-Anwahl), Bass-Boost, Mid-Scoop, Power; Rücks.: Ground-Lift (Line-Out)

Effekte: digitaler Hall (Reverb)

Einschleifweg: ja, seriell

Gewicht: ca. 15 kg

Maße: ca. 628 x 248 x 263 BHT/mm

Vertrieb: Sound Service

15834 Rangsdorf

www.soundservice.de

Zubehör: Netzkabel, „Operation Manual“ in Englisch, Vierfach-Fußschaltpedal m. LEDs u. Kabel (ca. 5,9 m)

Preis: ca. 415

 

Plus

  • Sound, Variabilität
  • gute Dynamik
  • harmonische Verzerrungen
  • umfangreiche Ausstattung
  • Verarbeitung und Qualität der Bauteile

 

Minus

  • dürftige Bedienungsanleitung
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