Spieglein, Spieglein auf dem Board

Pushking Overdrive, Fullboost, Delay & Univibe im Test

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Was soll man in der großen, weiten Welt der Boutique-Pedal-Szene noch groß machen, um sich optisch vom Rest abzuheben? Roland Schmidt von Pushking hat eine überraschend simple und dennoch interessante Antwort auf diese Frage gefunden.

(Bild: Dieter Stork)

Was haben wir nicht bereits alles gesehen. Pulverbeschichtet, lackiert, bedruckt, mit Aufklebern, Klebe- bzw. Thermofolien versehen, Etikettiert oder auch nur mit einem Edding beschriftet. Ja, die Designs der Pedal-Welt sind sicher nie so vielfältig gewesen wie heute. Was ja an sich absolut begrüßenswert ist, aber auch zur Folge hat, dass es immer schwieriger wird, optisch einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Bei Pushking setzt man auf eine einfache wie geniale Lösung und beweist, dass gutes Design manchmal ganz einfach sein kann. Kein Wunder, schließlich ist Roland Schmidt – der Mann hinter Pushking – gelernter Industriedesigner.

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Viel Bling-Bling

Nicht eins, nicht zwei, nicht drei sondern vier Testpedale, auf einem großen Demo- Pedalboard montiert, flattern mir da ins Haus. Und diese Treter fallen alleine schon durch ihre bemerkenswerte Optik auf. Anstatt das Aluminium-Gehäuse zu bedrucken oder sonst wie zu gestalten, wird bei Pushking die Behausung der Pedale auf Hochglanz poliert – solange, bis sich eine wirklich spiegelglatte Oberfläche ergibt. Nun wird der geneigte Leser sich sicher fragen, wie auf einer solchen Oberfläche denn noch eine Beschriftung der Potis aufgebracht werden soll. „Gar nicht“ ist hier die Antwort des Herstellers.

Alle Regler-Informationen sowie die Typenbezeichnung des jeweiligen Pedals, befinden sich auf einer Rosette aus farbigem Melamin, die um den On/Off-Schalter montiert ist. Bei den vier uns zum Test vorliegenden Pedalen handelt es sich übrigens um das Overdrive 710, den Fullboost 800, das Delay 606 und das Univibe 900. Dabei sind die Pedale in ihrem äußeren Erscheinungsbild nur durch die Farbe bzw. die Beschriftung der Melamin-Rosetten zu unterscheiden – einzig das Univibe 900 stellt durch das etwas größere Gehäuse eine Ausnahme dar. Alle Pushking Pedale werden laut Hersteller komplett in Deutschland gefertigt, wobei hochwertigste Bauteile von alten Bekannten wie Burr, Vishay-Dale oder Nichi- con verwendet werden und jedes Pedal zum Schluss noch einmal einer genauen Qualitätskontrolle unterzogen wird. Im Inneren der Pushkings gibt es im Grunde nichts zu sehen, da man nur die Unterseite der Platine zu Gesicht bekommt. Außerdem weist ein aufgeklebtes Siegel darauf hin, dass beim Öffnen des Gerätes die Garantie verfällt. Optisch wie haptisch machen alle vier Testpedale einen wirklich sehr hochwertigen Eindruck und es wird schnell klar, dass wir es hier mit wirklich liebevoller Handarbeit zu tun haben.

Glanzvoller Sound

Overdrive 710

Overdrive, eine grüne Rosette, drei Regler plus LED – mein Tube Screamer-Radar eskaliert förmlich vor lauter Hinweisen. Sitzenbleiben und durchatmen, wir haben es hier nicht mit dem viertelvorzwölften Tuby-Klon zu tun, soviel sei gesagt. Pushking haben mit dem Overdrive 710 ihre eigene Interpretation des legendären Ibanez-Treters geliefert. Die Ausstattung ist mit Level, Tone und Gain zwar genau wie beim Original, jedoch ist die klangliche Ausrichtung schon merklich anders konzipiert. Ich habe zum Vergleich mein Referenz-Tube-Screamer- Style-Pedal herangezogen und war überrascht, wie fett, offen und agil das Pushking Overdrive 710 im direkten Vergleich klingt. Wo viele Imitate des kleinen, grünen Giftzwergs häufig etwas stark komprimieren, überzeugt das Pushking- Pedal mit einem beindruckend offenen Klangbild, das den Ton der Gitarre in Keinster Weise beschneidet – auch der berühmte wie berüchtigte Bass-Cut wird hier weitestgehend vermieden. Die Gain- Reserven finde ich ebenfalls ziemlich bemerkenswert, da wir es hier wirklich mit einem absolut vollwertigen Overdrive zu tun haben, mit dem auch sahnige Leadsounds absolut machbar sind. Mir gefiel das Pedal sowohl als Verzerrer vor einem eher cleanen Amp, als auch als Booster vor einem bereits zerrenden Verstärker richtig gut. Um den Hersteller zu zitieren: „Einer fürs Leben“.

Fullboost 800

Weiße Melamin-Rosette, weiße LED, zwei Schalter und ein schwarzes Poti. Cleaner kann man ein Pedal einfach nicht gestalten. Beim Fullboost 800 haben wir es mit einer Schaltung zu tun, die Roland Schmidt komplett selbst entworfen hat und welche auf speziell abgestimmten FET-Transistoren basiert. Ziel war es, dem Klang eines richtigen Gitarren-Amps möglichst nahezukommen. Neben dem Gain-Poti finden wir jeweils einen Schalter für einen High- und einen Low-Cut; mehr braucht es hier nicht. Für den Test habe ich mir am Verstärker mal einen recht satten Crunch-Sound eingestellt, dem es aber in den Bässen ein wenig an Klarheit mangelt und dem eine Idee mehr Gain gut stehen würde. Genau hier kommt der Pushking Fullboost ins Spiel. Einfach den Gain-Regler auf etwa 13 Uhr gedreht und den Low-Cut aktiviert – schwuppdiwupp wird aus meinem Langeweiler- Combo ein spritzig und vital klingender Amp. Auch der High-Cut-Schalter erweist sich als äußerst Effizient wenn es darum geht, einen etwas hart oder spitz klingenden Ton ein wenig in seine Schranken zu weisen. Aber auch bei Instrumenten mit tiefen Tunings erweist sich der Fullboost als sinnvoll – für den Test kam hier eine auf G gestimmte Fender Baritone Telecaster zum Einsatz. Am Pushking-Booster habe ich den Gain-Regler auf etwa 15 Uhr gedreht und sowohl den Low- als auch den High-Cut aktiviert, wodurch ein leichter, passiver Mid-Boost entsteht, der einem bei solch tiefen Tuning absolut zugutekommt und für deutlich mehr Klarheit im Low-End sorgt. Wie schon beim Overdrive ist mir auch beim Fullboost 800 noch nicht ganz klar, wie ich einen Gitarristen-Alltag je wieder ohne diese Geheimwaffen bestreiten soll.

Clever: die beschriftete Melamin-Rosette. (Bild: Dieter Stork)

Delay 606

Hier haben wir es im Grunde mit dem einfachsten Aufbau zutun, den man sich bei einem Delay nur vorstellen kann. Delay, Feedback und Mix – mehr braucht es oft nicht. Man bedenke nur das Carbon Copy von MXR, welches mit einem identischen Layout innerhalb weniger Jahre zum Referenz- Pedal in dieser Disziplin geworden ist. Im Test zeigt sich das Delay 606 angenehm unauffällig. Das um den PT-2399 Chip aufgebaute Pedal sorgt für ein schönes, analoges Flair ohne das Gitarrensignal zu zermatschen oder zu verfremden – ich würde sagen, dass der Hersteller hier genau den Sweet-Spot zwischen analogem Feeling und digitaler Klarheit getroffen hat. Wo mir mein Carbon Copy manchmal schon zu dunkel und matschig in den Wiederholungen wird, sorgt das Delay 606 für ein schönes Ausklingen der Wiederholung, die durch eine leichte Reduzierung der Höhen einen schönen Tape-Echo-Charakter bekommen. Die maximale Delay-Zeit liegt übrigens bei 400ms – mir persönlich reicht das eigentlich immer aus.

Univibe 900

Hendrix, Trower, Gilmour. Zweifelsohne sind es diese drei Sound-Ikonen, die man unweigerlich mit diesem Effekt in Verbindung bringt. Das Pushking Univibe 900 (übrigens als Ben-Poole-Signature-Pedal gekennzeichnet) reiht sich nahtlos in die Klangkultur des altbekannten Shin-Ei- Vibes ein – sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass hier eine richtige Glühbirne und eine Photozelle am Werk sind. Neben den drei Reglern für Level, Intensität und Speed gibt es noch einen Mini- Schalter, der wie beim Original zwischen dem Vibe- und dem Vibrato-Modus wählen lässt. Auch klanglich ist sofort klar, wohin die Fahrt hier geht. Der Sound ist fett, kein bisschen steril, sehr seidig und angenehm – „Lush“ wie der Amerikaner wohl sagen würde. Gerademit Singlecoil- Pickups klingt das Univibe 900 richtig gut; ich habe das Gefühl, dass schon sehr dezente Einstellungen dafür sorgen, dass der Ton einfach einen Hauch lebendiger und spannender wird. Man muss einfach sagen, dass wir es hier mit einem Pedal zu tun haben, das in beiden Extremen einfach gut funktioniert. Einerseits finde ich den Effekt total klasse, um nur ein ganz bisschen Bewegung in den Ton zu bringen; andererseits haben mir auch richtig deftige Settings gut gefallen, die einem die Blues-Rock-Licks der Marke Hendrix & Vaughan einfach nur so in die Finger zwingen. Übrigens unterscheidet sich das Univibe nicht nur durch sein etwas größeres Gehäuse vom Rest der Pedale – die Status-LED wurde unter der halb-transparenten Melamin-Rosette angebracht und schimmert im aktivierten Zustand in einem satten Orange. Eine zweite, ebenfalls unter der Rosette angebrachte, blaue LED pulsiert in der Geschwindigkeit des Effekts – sehr edel! Einen Lautstärke- Verlust wie bei manchen anderen Uni- Vibe-Effekten konnte ich beim Pushking- Vibe übrigens nicht ausmachen – der Level-Regler bietet ausreichend Reserven. Der Preis von € 449 ist natürlich happig.

Spiegelglattes Finish (Bild: Dieter Stork)

Alternativen

Wir leben ja in der glücklichen Situation, bei Boutique-Pedalen mittlerweile aus dem Vollen schöpfen zu können. Als Alternative zum Overdrive 710 sei hier z. B. das GAS 808 von Ulrich Rodenberg genannt, das ein wenig mehr nach Tube Screamer klingt. Hier ist es dann einfach eine Geschmacksfrage, welche Interpretation des klassischen Sounds einem mehr liegt. Beim Fullboost 800 wird das Ganze dann schon um einiges schwerer. Eine mögliche Alternative könnte der 2B-Boost von Fulltone sein, welcher ebenfalls auf Basis einer FET-Schaltung arbeitet, insgesamt aber etwas weniger vielseitig ist. Beim Univibe 900 würde ich als Alternativ-Gerät zum wirklich fantastisch klingenden Mini Deja Vibe von Fulltone raten – zu Recht ist dieses Pedal schon ein wahrer Klassiker unter den Vibes. Auch das Delay 606 dürfte nicht ganz ohne Alternativen dastehen. Je nachdem ob man eher ein digitales oder analoges Pedal bevorzugt, könnte man das MXR Carbon Copy Bright oder auch das ziemlich vielseitige Boss DD-3 in Erwägung ziehen. Ich möchte allerdings betonen, dass ich die Pushking- Pedale rein optisch allesamt ziemlich konkurrenzlos finde – der blitzblanke Spiegel-Look hat gerade in Verbindung mit der stylischen Melamin-Rosette etwas sehr Eigenes.

Resümee

Was Roland Schmidt uns hier mit seinen funkelnden Pedalen liefert, ist meiner Ansicht nach nicht nur eine Palette saugut klingender Effektgeräte, sondern auch ein gutes Beispiel dafür, wie gutes und durchdachtes Design funktionieren kann. Sowohl die tolle Verarbeitung als auch der hervorragende Sound überzeugen auf ganzer Linie. Vor allem das Overdrive 710 und den Fullboost 800 möchte ich als absolute Geheimwaffen und Alleskönner dringend empfehlen – hier bekommt man extrem hochwertige Pedale für wirkliche alle Lebenslagen. Unbedingt antesten!

Plus

  • eigenständiges Design
  • Verarbeitung
  • Bedienbarkeit
  • Sound-Qualität

Minus

  • Preis (Univibe 900)

Aus Gitarre & Bass 03/2017

Produkt: Treble Booster im Test
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