Chefsache!

PRS Paul’s MDT Custom Amp im Test

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„PRS baut nun auch Amps…“, als die Nachricht derzeit durch den www-Äther tickerte, war wohl kaum jemand wirklich erstaunt. Wer so einschneidend die Welt der E-Gitarre prägt, muss ja fast zwangsläufig auch mal bei den Verstärkern ankommen. Hier sehen wir nun aber etwas wirklich ganz Spezielles. Ein Modell, dass dem freundlichen Paul auf den Leib geschneidert wurde. Nicht schlecht, jetzt können wir erleben was ihm behagt, wenn es um den perfekten Ton geht.

PRS Pauls MDT

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Es dürfte allgemein bekannt sein, dass Paul Reed Smith gerne auf die Bühne geht. Was muss ihm das für ein Vergnügen sein, denn nur zu oft geben sich an seiner Seite renommierte VIP-Musiker ein Stelldichein. Na ja, er kennt sie eben alle, schillernde Figur, die er darstellt in der Szene. Und er ist ja auch selbst ein eloquenter Spieler, einer mit Ton in den Fingern. Zum Hören/Sehen lohnt ein Ausflug auf YouTube. Mengen von Clips mit Paul im Angebot. Zu unserem Thema hier empfehle ich „NAMM – Paul‘s Amp demonstration“.

Da verrät er, wie und warum sein Amp genau so konstruiert ist. Angenehm unaufgeregt und wenig kapriziös wie er davon berichtet. Allgemeine Infos zum CAD-Department vermittelt das Video „PRS CAD Amps with Paul Reed Smith“. Ja, schön, aber was bedeutet „CAD“? Die Abkürzung steht für Custom Audio Designs. Custom heißt normalerweise Sonderanfertigung!? Ja, tatsächlich, für Kunden in den USA ist es möglich PRS-Verstärker „nach Maß“ zu bekommen. Über das Land verstreut übernehmen 18 spezielle Händler die Betreuung der Interessenten. Schade, in Europa ist der Service (noch?) nicht vorgesehen.

Konstruktion

Wie bei den Gitarren, unterteilt sich das Amp-Programm in preisgünstigere SE-Modelle (Student Edition) und das exklusive USA-Sortiment. Den meisten gemein ist, dass sie geradlinige Verstärker sind, ohne aufwendige Zusatzausstattung. Und auch Paul‘s Amp setzt ganz auf Purismus. Der hat nicht einmal einen Einschleifweg. Abgeleitet vom Modell MDT, ist der Verstärker einkanalig konzipiert. Man hat aber anhand eines Mini-Switches die Wahl zwischen zwei Gain-Strukturen. Mit diesem Konzept liegt PRS voll im Trend der meisten BoutiqueHersteller, von denen ja sehr viele der Weniger-ist-mehr-Philosophie frönen.

Eine Handvoll Potis müssen für die Sound-Abstimmung reichen: Gain (Vorverstärkung), eine passive Dreibandklangregelung, und Presence, klassisch im Gegenkoppelungsweg der Endstufe angeordnet. Daneben steht noch ein Master-Volume zur Verfü- gung, und zwar eines, das hinter der Phasentreiberröhre liegt. Wenn die übersteuert wird, prägt sie markant (in quasi jedem Röhrenverstärker) den Klang. Paul wollte/will diese Anteile also stets hören bzw. im Griff haben, deswegen das PPIMV (Post-Phase-Inverter-Master-Volume). Natürlich basiert sein Amp auf einer Vollröhrenschaltung. Vorne drei ECC83S von JJ-Electronic, in der Endstufe glühen zwei EL34-Winged-C von Svetlana, meines Erachtens nach die beste EL34, die es gibt, wenn es echt britisch tönen soll.

Class-AB-Gegentaktbetrieb, statischer Ruhestrom, heißt, die Bias-Spannung liegt über eine eigene Quelle hinter dem Trafo erzeugt an den Röhren an (im Gegensatz zum Kathodenbias, wo sich die Bias-Spannung automatisch regelt, wie bei einer Vorstufenröhre). In der Regel haben solche Schaltungen innen ein Trimmpoti für die Justage. PRS hat das von außen zugänglich an der Rückseite des Chassis platziert. Was natürlich nur Sinn macht, wenn man ebenso den Ruhestrom überhaupt messen kann. Kann man, dank dreier Bananenbuchsen, Left/linke EL34, COM/Masse, Right/EL34-rechts. Wer sich mit der Technik etwas auskennt, vermutet natürlich sofort, dass die Messpunkte über Vorwiderstände die Kathoden abgreifen – genauso ist es gängige Methode. Die Ahornblende des Gehäuses verbreitet dezenten Chic. Ob der Amp innen wohl auch so fein gemacht ist? Nun ja, das Holz ist nicht lackiert oder versiegelt. Aber darauf zielt die Frage gar nicht ab. Sondern auf die Verarbeitung der Technik.

PRS Paul’s Amp

Ein dickwandiges, an den Kanten fein säuberlichst verschweißtes Alu-Chassis kommt zum Vorschein. Drinnen entdeckt man, was als moderne Variante der freien Verdrahtung gilt. Punkt-zu-Punkt-Kontaktierung auf einem dicken Lötaugen-Board gemischt mit „fliegend“ angeordneten Bauteilen. Sauber, sehr ästhetisch gemacht, keine Einwände. Funktional fallen die Feinsicherungen positiv ins Auge; Paul‘s Amp ist abgesichert gegen Folgeschäden, wenn wirklich mal eine Endröhre mit bösem Getöse das Zeitliche segnet und versucht andere Bauteile mit in den Exitus zu reißen. Darauf verzichten leider viele US-Boutiquen.

Des Weiteren ist der überwiegende Einsatz von SOZOKoppelkondensatoren und ein dicker Kupferdraht entlang der Platine als Masse-Ebene auffällig. Was man sehr selten sieht, ist, dass die Sekundärleitungen des Ausgangtrafos aufwendig abgeschirmt werden, mit einer Ummantelung aus Kupferfolie und isolierendem Kunststoff. Alles gut. Das einzige, was ein bisschen nervt, ist das fest installierte Netzkabel, mit dem man beim Transport nicht weiß wohin – die Rückwand lässt nur einen schmalen Spalt, nach innen kann es wegen des Steckers nicht verschwinden.

Praxis

Wenn US-Neuheiten in den Staaten auf den Markt kommen, braucht es oft noch eine ganze Weile bis sie endlich auch auf unserem Territorium aufschlagen. Woran liegt‘s? Die technischen Auflagen in der EU dürften eine Hauptursache sein. Die Hersteller produzieren und entwickeln zunächst für ihren (viel größeren) Markt, erst danach kümmert man sich um die Exportmodelle, so ist es jedenfalls zu vermuten. Hat bei Paul‘s Amp ja auch einige Monate gedauert. Schlimm für die erklärten PRS-Enthusiasten, denen es unter den Nägeln brennt. Nun, die werden einen kühlen Wind fühlen, wenn sie den Amp unter die Finger kriegen. Im ersten Moment ist das Hörerlebnis nämlich nicht gerade spektakulär. Generell braucht Paul‘s Amp – wie viele andere Röhrenverstärker auch – eine gewisse Grundlautstärke um zum Leben zu erwachen. Jedenfalls mehr als im heimischen Wohnzimmer normalerweise „zulässig“ ist. Erst dann öffnet sich die Wiedergabe, bekommt Tiefenzeichnung und Transparenz.

Der Verstärker ist in der Hinsicht so austrainiert wie man es von Produkten dieser Preisklasse erwarten darf. Auch Präzision schreibt Paul‘s Amp groß, er setzt aber keine Überfliegermaßstäbe. Die Ansprache feinfühlig, die Dynamik energiereich, ein freundlich nachgiebiger Verstärker ist er nicht. Stramme Gegenwehr, Watschen, wenn man nicht sauber zupackt, das muss man mögen, es fordert jedenfalls die spieltechnischen Fähigkeiten. Auf dieser Basis erzeugt der Amp einen großen, sehr voluminösen Clean-Ton. Im Klang schwingt eine tendenziell offensive Attitüde, provoziert von leicht drängenden Mitten.

Alles andere als unangenehm, die stärkt nur das Durchsetzungsvermögen bzw. hat prägenden Anteil am Toncharakter. Brillante, glänzende Höhen (sparkling highs) bietet die Wiedergabe nicht. Am obersten Ende des Frequenzspektrums agiert der Verstärker eher verhalten. Man kann in den Höhen auch nur wenig nachlegen, der Grund: Die Klangregelung funktioniert nicht gerade effektiv um nicht zu sagen, eher schlapp. Die Veränderungen sind in den einzelnen Bereichen dezent, in der Summe gerade so variabel, dass man eben noch unterschiedliche Instrumente ausbalancieren kann. Den Ton regelrecht zu formen ist kaum möglich. Das fette Volumen der Clean-Wiedergabe sorgt dafür, dass kraftvolle HumbuckerGitarren über ein 4¥12″-Cab unter Umständen zu kräftige Bassanteile entwickeln. Der ideale Partner des Paul’s Amp dürfte insofern normalerweise eine hinten offene 2¥12- Box sein – klar, Ausnahmen bestätigen die Regel. Und bei einer SinglecoilStrat oder -Tele ist das Phänomen erheblich geringer bis nahezu abwesend. Der Clean Sound wechselt lautstärkemäßig relativ früh in Overdrive. Dieser Grenzbereich ist eine Stärke der Sound-Formung, absolut überzeugend, weil der Amp hier ausgesprochen sensibel und damit erfreulich ausdrucksstark auf den Spieler reagiert. Dies mit einem eigenen, heiseren, kratzigen Tonfall.

Der verdichtet sich im Dirty-Modus erheblich. Die Gain-Reserven sind ungleich höher. Allerdings, obwohl der Ton ziemlich stark verzerrt sein kann, erlebt man Kompression wenig bis gar nicht. Eigentümlich ist, dass trotzdem die Hochmitten gerne in Oberton-Feedbacks umschlagen, auch bei moderatem Gain. Dies, gemischt mit der protzig rotzigen Brit-Attitüde der Distortion schafft eine individuelle Sound-Sphäre. Wiederum eigen, und sicher nur bedingt massenkompatibel. Ja, der Amp entpuppt sich immer mehr als Charakterkopf. Um die Klangfarbe plakativ zu beschreiben, könnte man den guten alten JTM45 zitieren. In den unteren Frequenzen benimmt sich Paul‘s Amp viel kultivierter, er intermoduliert weniger, aber eine gewisse Ähnlichkeit ist doch vorhanden. Viel Distortion bei tiefen Tönen auf den Saiten A5 und E6 tragen klanglich gleichwohl eine schmutzige Komponente in sich und können schon einmal verwaschen wirken. Während manche Verstärker bei hohen Übersteuerungen gar nicht so sehr verzerrend singen, zeigt Paul‘s Amp seine Distortion sehr deutlich (in den Höhen). Nicht zuletzt deswegen steckt im Dirty-Tone letztlich auch wieder hohe Ausdrucksstärke, die sozusagen eine vokale musikalische Qualität erreicht, indem der Spieler die Noten weitreichend modulieren kann, von sanft, über eindringlich, bis schreiend.

Und dann ist da noch ein anderes gern erlebtes Phänomen, das sich dadurch auszeichnet, dass man es nicht hört. Wie bitte, geht‘s noch? Na ja, Pauls Verstärker glänzt halt damit, dass er ungewohnt wenig Nebengeräusche erzeugt. Das ist wirklich angenehm. Betrifft aber lediglich den Verstärker. Ist klar, nicht, das Brummen aufgrund elektrischer Einstreuungen bei Singlecoil-Tonabnehmern wird dadurch nicht weniger? Paul Reed Smith märkt in den Infos zwischendurch an, dass er sein Schätzchen als Studio-Amp betrachtet. Nun ja, da ist der Verstärker bestimmt gut aufgehoben, aber man sollte doch auch auf der Bühne mit ihm arbeiten können, bei 50 Watt und einem Master Volume. Vorausgesetzt natürlich er verträgt sich mit FX-Pedalen. Paul weist explizit darauf hin, dass dem so ist. Seine Beweisführung besteht darin, dass er (im Video) mal flugs ein Chorus-Pedal vorschaltet.

Ein bisschen wenig oder? Na klar, hier vor Ort musste Paul‘s Amp mehr zeigen. Die Referenzkandidaten sind in erster Linie Distortion-Pedale, wozu ich gerne dieses Trio zu Rate ziehe: Severe von Tonefreaks, die Box of Rock von Zvex und Okkos Diablo+. Schöne Ergebnisse, alle drei harmonieren prächtig mit dem Amp. Mehr noch, der tendenziell harsche Charakter der Dirty-Wiedergabe wird zum Beispiel mit dem Severe geglättet, wirkt viel geschmeidiger. Interessanterweise betont Paul aber, dass er selbst Distortion-Pedale nicht mag, sondern möchte, dass der Verstärker die Verzerrungen generiert, bevorzugt schön steuerbar mit dem Guitar-Volume. Na, mit seinem Old-School-Benehmen schüttelt der Amp das locker aus dem Handgelenk.

Alternativen

Verstärkermodelle, die sich mit einer eigenen tonalen Handschrift deutlich von anderen abgrenzen, haben auf dem Markt einen guten Stand. Die Gruppe der Mitbewerber wird so zumindest aus funktionaler Sicht klein. So auch hier. Allerdings, wenn man die Tonfarbe in die zweite Reihe stellt, können ein ganze Reihe von Boutique-Amps dem Paul‘s Amp das Wasser reichen; bei seinem Preis darf man ja die gesamte Hautevolée der Szene in Erwägung ziehen. Unter den im Verhältnis sogar eher preisgünstigen Dr.Z-Verstärkern kommt z. B. der SRZ65 in Frage. Divided by 13 hat mit den Modellen DW17/39, AMW39 heiße Eisen im Feuer.

Resümee

Paul Reed Smith hat unverkennbar einen speziellen Sound-Geschmack. Sein Amp verdeutlicht dies mit einem eigenen Gemisch aus hoch entwickelter Tiefenzeichnung, spontanem, energetischem Antritt und einer markanten, rauchig heiseren Overdrive-/Distortion-Stimme. Das wird manchen spontan nicht in Wallung bringen, Geschmackssache. Zeit nehmen zum Kennenlernen, dann wird es vielleicht zu einer Liebe auf den zweiten Blick. Wie auch immer, grundsätzlich überzeugen die inneren Werte. Ob der puritanische, klanglich wenig variable Verstärker im Preis gesund dasteht, ist aber wirklich eine etwas diffizile Frage. Sehr gute, zeitintensive Verarbeitung, Made in USA, nun, solches Material wird eben leider zur Zeit relativ teuer gehandelt.

Plus
• Sound
• Dynamik, sehr
obertonfreundlich
• harmonisches
Zerrverhalten
• sehr geringe
Nebengeräusche
• sehr gute Verarbeitung,
Qualität d. Bauteile

Minus
• wenig variabel

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

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