Review

Metal Guitars: Ibanez RGMS8

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(Bild: Simon Hawemann)

Als wir in dieser Kolumne noch hauptsächlich über Extended-Range-Gitarren sprachen, kam immer wieder das Thema gefächerter Bünde auf. Sogenannte Multiscale-Gitarren haben die Szene erobert und die Gitarrenlandschaft nachhaltig verändert – zumindest im Bereich der Sechssaiter. Was bis vor wenigen Jahren noch teuren Custom Shops vorbehalten war, sollte es bald in die Massenproduktion schaffen. Allen voran Ibanez, aber auch Hersteller wie Jackson und ESP/LTD, schickten ihre eigenen Multiscales ins Rennen.

Heute wollen wir uns auf ein besonderes Exemplar konzentrieren: Die Ibanez RGMS8. Sie stellt eine der günstigsten Varianten auf dem Markt dar. Mit unter € 600 ist der Einstieg in diese Welt günstiger denn je. Wollen wir doch mal schauen, was man für das Geld so bekommt.

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IMPRESSIONEN

Auf den ersten Blick liefert die Ibanez – abgesehen von den gefächerten Bünden – das typische Metal-Gitarren-Standardprogramm: Der schwarz lackierte, klassische RG-Korpus ist mit einem fünfteiligen Ahorn-Hals mit Walnuss-Sperrstreifen und Jatoba-Griffbrett verschraubt. Die Kopfplatte hat eine 4/4-Anordnung der Stimmmechaniken und die Hardware kommt in dunklem Chrom daher. Gleiches gilt für die Potis und den Mono-Rail-Steg mit seinen einzelnen Saitenreitern.

Der fünfstreifige Hals aus Ahorn und Walnuss
Das hellbraune Jatoba-Griffbrett fällt etwas aus der ansonsten konsequent schwarz gehaltenen Optik.

Bei genauerer Inspektion fallen allerdings ein paar pfiffige Details auf. Zum einen ist der Halsspannstab nicht wie üblich unter einer Plastikabdeckung an der Kopfplatte versteckt, sondern bietet stattdessen einen direkten und offenen Zugriff am anderen Ende des Griffbretts. Die individuellen Saitenreiter ergeben bei der Multiscale-Konstruktion definitiv Sinn und erlauben ein genaues Setup für jede einzelne Saite. Dreht man die Gitarre um, fällt einem zum anderen sogleich auf, dass Ibanez größere Hülsen für die beiden tiefsten Saiten installiert haben, sodass hier durchaus auch Basssaiten mit entsprechenden Ball Ends Platz finden würden.

Bei den Ball-End-Hülsen auf der Rückseite des Korpus, wurde auch an die bisweilen extremen Dimensionen der tiefen Saiten gedacht …
… gleiches bei den Stimmmechaniken.

Auch die Stimmmechanik für die tiefste Saite ist modifiziert und scheint auf den ersten Blick ein Hybrid aus Gitarren- und Bass-Mechanik zu sein, um ausreichend Platz für eine Basssaite zu bieten. Hier wurde mitgedacht. Offensichtliche Makel kann ich, rein subjektiv, nur auf ästhetischer Ebene feststellen. Das bei Ibanez als Palisander-Ersatz längst etablierte Jatoba-Griffbrett sieht mit seinem rot-braunen Farbton an der sonst so schwarzen Gitarre leider etwas blass und inkonsequent aus.

Dass es entlang des Sattels nicht abgeschnitten ist, sondern darüber hinaus absteht und in einer geraden, vertikalen Linie an der Kopfplatte endet, ist in dieser Preisklasse leider unvermeidlich. Man muss allerdings sagen, dass man dies auch an deutlich teureren und sogar Custom-Shop-Multiscales vorfinden kann. Es gilt an dieser Stelle allerdings auch noch etwas positiv hervorzuheben: Die kleinen Offset-Dots sind geschmackvoll ausgewählt – als besonders cooles Detail wechseln sie am 12. Bund von der oberen zur unteren Kante des Griffbretts.

ES GIBT VIELE GRÜNDE …

… für gefächerte Bünde. Vor allem bietet diese Konstruktion den Vorteil, dass es aufgrund der verlängerten Mensur der tiefen Saiten im Low End ordentlich straff und transparent zugeht, während der Zug auf den hohen Saiten dank einer eher typischen Mensur nicht zu extrem ausfällt. Im Falle der RGMS8 haben wir es mit einer Mensur von 27,26“ (692mm) bei der tiefen F#-Saite und der klassischen Fender-Mensur von 25,5“ (648mm) bei der hohen E-Saite zu tun.

Tiefer gestimmte Akkorde sollten also „tight“ aus dem Amp bellen, und für expressives Vibrato-Spiel und Bending ist in den hohen Registern ausreichend Spielraum – eine Gitarre für den Allzweck-Shredder also!

Es gibt auch Gitarristen die behaupten, gefächerte Bünde hätten ergonomische Vorteile. Aber nachdem ich jetzt schon diverse Multiscale-Gitarren besessen und ausprobiert habe, kann ich das nicht bestätigen. Viel eher muss man den Ellenbogen etwas weiter zum Körper heranziehen oder ggf. das Handgelenk etwas nach links verdrehen, um den Winkel der Bünde zu kompensieren. Und bei der Ibanez RGMS8 ist der Winkel des ersten Bundes noch extremer als bei vielen anderen Multiscale-Gitarren.

Woran liegt das? Der Winkel des Fächers hängt in erster Line davon ab, wie viele Zoll Unterschied zwischen der Mensur der längsten (tiefes F#) und der kürzesten Saite (hohes E) liegen, sowie von der Position des Parallel-Bundes. Ibanez haben sich für 1,7“ und den 12. Bund entschieden. Letzteres bereitet mir etwas Kopfschmerzen. Würde man einen möglichst ausgeglichenen Winkel zwischen dem Sattel und dem 24. Bund erzielen wollen, müsste man den Mittelpunkt des Griffbretts ermitteln und würde somit ungefähr am 9. Bund landen – und genau dort findet man denn auch den parallelen Bund vieler anderer Multiscale-Gitarren.

Ibanez scheinen eher den Mittelpunkt der gesamten Mensur, also zwischen Sattel und Steg, als ungefähre Referenz für ihren parallelen Bund genommen zu haben. Das hat den Nachteil, dass der extreme Winkel in den tiefen Lagen das Rhythmusspiel etwas gewöhnungsbedürftig, wenn nicht anfänglich gar unangenehm werden lässt – besonders wenn es um Akkorde geht. Singlenotes sind davon natürlich deutlich weniger betroffen. Je weiter man sich gen 12. Bund bewegt, desto bequemer wird das Ganze, aber als Rhythmusgitarrist mit hinreichend Multiscale-Erfahrung ist das Akkordspiel in den tiefen Lagen ein ziemlicher Krampf. Für Lead-Gitarristen ist das vielleicht kein so großes Problem, aber es sollen ja sicher nicht nur diese von den Ibanez-Multiscales angesprochen werden.

Ibanez veröffentlichten ihre erste Gitarre mit gefächerten Bünden übrigens bereits 2015 und schon damals wurden ähnliche Kritiken laut. Dass in den vergangenen fünf Jahren an dieser Stelle nicht nachgebessert wurde, wundert mich – insbesondere wenn man bedenkt, dass Ibanez im Bereich Extended-Range-Gitarren eine Vorreiter-Rolle spielen und somit einen Ruf zu verlieren haben.

DOES IT …

… perform? Da wir schon mittendrin im Praxistest stecken, können wir auch direkt mal auf die sonstige Bespielbarkeit der RGMS8 zu sprechen kommen. Der Hals mit seinem ausgeprägten D-Profil liegt zunächst etwas kantig in der Hand, erweist sich aber über längere Spielphasen als durchaus als komfortabel. Mit 20 mm am Sattel und 21,5 mm am 12. Bund ist er auch nicht zu dick ausgefallen. Gewöhnungsbedürftig dürften allerdings auch die einzelnen Saitenreiter sein. Diese liegen zwar komfortabel unter dem Handballen und fühlen sich auch sonst grundsolide an, da wir es an dieser Stelle aber mit dem anderen Ende des Fächers zu tun haben, sind diese natürlich auch in einem Winkel angeordnet.

Besonders bei Palm Mutes muss auch hier die Hand am Gelenk etwas weiter eingedreht werden, um mehrere Saiten gleichmäßig abzudämpfen. Das hat weniger mit der RGMS8 zu tun, sondern ist eine allgemeine Eigenschaft der Multiscale-Konstruktion. Und auch an diese muss man sich als Spieler erst gewöhnen.

Ansonsten ist die RGMS8 mit einem moderaten Gewicht gesegnet und am Gurt sowie auf dem Schoß gut ausbalanciert. Die Armablage der RG-Korpusform bewährt sich hier ebenfalls und sorgt dafür, dass die Zarge sich nicht unbequem in den Unterarm bohrt. Auch die Hardware macht einen grundsoliden Eindruck und läuft mit einem angenehmen Widerstand – dies gilt für die Potis genauso wie für die Mechaniken, die ihren Job anstandslos verrichten. Stimmstabil ist das achtsaitige Monstrum auch!

Zu guter Letzt überrascht mich der Sound der Ibanez überaus positiv! Die Verbindung aus Nyatoh-Korpus und werkseigenen Tonabnehmern sorgte bei mir nicht gerade für große Hoffnungen. Vor allem mit letzteren habe ich oft schon schlechte Erfahrungen gemacht – und acht Saiten ordentlich zu übertragen ist ja schon eine Herausforderung für sich. Und doch machen die hauseigenen Array-8-Humbucker ihren Job wirklich gut. Das Low End ist selbst bei Akkordspiel in den tiefsten Lagen nicht zu muffig, Singlenotes klingen bullig und die Mitten braten saftig. Nicht schlecht!

Aftermarket-Pickups für diese Gitarre zu finden, dürfte dank der angewinkelten Bauweise nicht ganz einfach werden, aber Marken wie Instrumental, Guitarmory und meines Wissens auch Bare Knuckle Pickups bieten Re-Winding Services an. Vielleicht gibt es ja auch ein paar Tonabnehmer-Schmieden in Deutschland, die so etwas anbieten – fragen kostet nix!

FAZIT

Viel billiger als mit der Ibanez RGMS8 wird der Einstieg in die Welt der gefächerten Bünde nicht – schon gar nicht auf dem grundsoliden Qualitätslevel, das hier aufgefahren wird. Rein optisch muss man besonders beim Griffbrett ein paar Abstriche machen, da dieses sich einfach nicht homogen in das glänzend schwarze Gesamtbild der Gitarre einfügen will. Dazu kommt noch das „Dreieck der Schande“, wie der Bereich überflüssigen Holzes zwischen Sattel und Kopfplatte in Internetforen gern genannt wird. In der Preisklasse? Unvermeidbar! Richtig schick ist das nicht, man gewöhnt sich, ehrlich gesagt, aber auch schnell dran.

Nicht besonders schön aber durchaus verschmerzbar:
Das hinter dem Sattel auslaufende Griffbrett-Ende
(Bild: Simon Hawemann)

Die Bespielbarkeit der gefächerten Bünde sind bei Ibanez leider grundsätzlich für mich eine etwas größere Herausforderung, aber das geht euch vielleicht anders. Wo die Ibanez RGMS8 hingegen zweifelos wirklich glänzen kann, ist der absolut amtliche Sound: Die Array 8 Humbucker brauchen sich wirklich nicht zu verstecken. Wer endlich mal eine bezahlbare Multiscale antesten will, sollte sich die Ibanez RGMS8 auf jeden Fall mal anschauen!


SPECS

● Nyatoh Korpus
● Schwarzer Lack
● Hals: Ahorn/Walnuss Wizard III-8, 5-teilig
● 27,26″ – 25.5″ Mensur
● Jatoba-Griffbrett
● 24 Jumbo Bünde
● Mono-Rail-Brücke
● String-Thru-Body
● Ibanez Array 8 Humbucker

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

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