Großer Ton

Kleinigkeit: Tiny Boy Bass TBJ-3400NSM im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Gerade wenn ich über Bässe schreibe, habe ich das Instrument gerne neben mir in Griffweite, wenn ich meine Gedanken zum Instrument schließlich am Schreibtisch in einem Testbericht verpacke. Dass ich den Bass dabei AUF dem Schreibtisch habe, ist bislang noch nicht vorgekommen.

KONSTRUKTION

Der Korpus ist mittig aus zwei Teilen Mahagoni verleimt, die Decke besteht aus recht dickem Spalted Maple mit der typischen wilden Maserung. Der Hals besteht dreiteilig aus Ahorn, daran wurde ab dem 3. Bund großflächig die Kopfplatte angeschäftet. Die ist leicht nach hinten abgewinkelt, passend zum Korpus mit Spalted Maple belegt, und bietet einen schönen geraden Saitenverlauf zu den Mechaniken. Die kommen von Gotoh, und sind Spezialanfertigungen mit kleinen Flügeln auf Grundlage der bewährten GB707.

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Das Griffbrett aus Ebenholz hat Abalone-Dots zur Orientierung zwischen den 22 Bünden, der Knochensattel hat ein paar Bearbeitungsspuren und wirkt etwas eckig, ist aber von den Sattelkerben her perfekt – und das ist erstmal das Wichtigste. Am anderen Ende erwartet die Saiten ein generischer Blechwinkel, der wie gewohnt in Saitenhöhe und Oktave justiert werden kann.

In den etwas großzügig geratenen Fräsungen stecken Abnehmer im Jazz-Bass-Stil, die beide identisch in ihren Abmessungen sind. Entsprechend können die Saiten unmöglich bei beiden sauber mittig zwischen den Poles laufen. Keramikbarren magnetisieren diese von unten, eine Bauweise, die den Bassbereich fetter machen soll. Geregelt wird mit Volume und Tone, ein Minischalter wählt zwischen den Pickups. Die Verlötung des Ganzen sieht etwas abenteuerlich aus, der Funktion tut’s zum Glück keinen Abbruch.

(Bild: Dieter Stork)

GROSSER TON

Der erste Test zuhause am Schreibtisch ist etwas ernüchternd. Im Sitzen rutscht der Bass zu leicht vom Oberschenkel, ihn mit dem rechten Unterarm zu fixieren, hilft nur bedingt, da dabei das Handgelenk extrem abgeknickt werden muss. So schön und zwingend die Linienführung bei den Cutaways ist, es muss eine andere Lösung her. Am relativ kurz eingestellten Gurt geht’s, im Sitzen wie im Stehen, und nach kurzer Eingewöhnungszeit macht es Spaß. Viel Spaß!

Ein bisschen Konzentration ist schon vonnöten, damit man nicht übers Ziel resp. die Bünde hinausschießt. Aber es lohnt sich, denn das, was da aus dem Amp kommt … Klar ist: Wenn man einen Bass mit einer so kurzen Mensur normal stimmen möchte, braucht man spezielle Saiten. Und so hat es laut eigenem Bekunden des Herstellers lange gedauert, bis die richtigen Saiten gefunden waren. Bei Dogal in Italien wurden sie fündig. Mit 45 auf 105 haben sie normale Maße und fühlen sich entsprechend gewohnt an, der Zug ist mittel, weit entfernt von jeglichem Schlabbern. Und der Klang? Eine ganze Probe konnte ich mit dem Bass spielen, und es ist der Band nicht aufgefallen!

Okay, das ist gelogen. Es war nicht nur eine Probe, und der Bass fiel sofort auf. Allerdings nur durch die Optik, klanglich fehlte nichts. Zwar nicht mit der Drahtigkeit eines Longscale-Basses, aber mit erstaunlichem Druck und knackiger Definition wartet der Tiny Boy auf. Das Umschalten mit dem Minischalter ist etwas mühselig, aber man gewöhnt sich daran. Den klarsten Ton liefert die Mittelstellung, den tiefsten der Hals-Pickup, während der Steg-Pickup mit leichtem Bassboost und Herunterdrehen der gut abgestimmten Höhenblende sogar zum Jaco einlädt, dessen legendäre Handspanne bei diesem Mini sogar für Normalsterbliche locker erreichbar ist. Leider auch nur die, die grandiose Spieltechnik muss man sich immer noch selbst erarbeiten.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das optimale Geschenk für Radfahrer:innen? Ein Reisebass für die hoffentlich kommenden Touren? Ein edler Kinderbass? Das kann der Tiny Boy alles sein, ist dabei aber vor allem eins: ein ernstzunehmender Bass! Fernab von Spielzeug oder Gag ist mit diesem extrem kompakten Bass ein erwachsener Ton abrufbar, der allerdings auch seinen Preis hat. Der geht in Anbetracht des Gebotenen aber durchaus in Ordnung.

PLUS

  • Sound
  • Bespielbarkeit
  • Größe
  • Gigbag
  • Tragbarkeit

MINUS

  • Details in der Verarbeitung


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

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