Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Ibanez MSL Metal Screamer

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Ibanez MSL Metal Screamer

Wir schreiben das Jahr 1984! Still und heimlich wird die erfolgreiche Ibanez 9er-Effektpedal-Serie beigesetzt. Die großen Fußstapfen, die die 9er-Serie mit ihrem Flaggschiff, dem TS9 Tube Screamer, hinterließ, sollte die sogenannte L- oder Master-Serie füllen.

Das ewige Blues-Rock-Gedudel war Mitte der 1980er-Jahre plötzlich Musik von gestern, und Heavy Metal sowie Poser-Hardrock betraten die Bühne und versprachen fette Umsatzzahlen. Natürlich brauchten die Musiker:innen, die sich diesem neuen Trend verschrieben hatten, auch passende Zerr-Pedale.

Mit der Technik der neuen Pedale betrat man jedoch weniger Neuland als mit deren Design. Bestes Beispiel: Das MSL-Pedal. Sein Innenleben war nichts anderes als die Schaltung des alten TS9, der man schlicht und ergreifend eine etwas niedrigere Hochpass-Grenzfrequenz verpasst hatte. Und fertig war das „neue“ Metal Screamer MSL!

Ibanez MSL Metal Screamer
Ibanez MSL Metal Screamer (Bild: Heinz Rebellius)

GRÜN IM METAL-MANTEL

Der Schaltungs-Designer hat sich wohl auch eigene Gedanken über eben diesen Schaltkreis nebst seinen Schwächen gemacht und dem MSL vor dem Effekteingang eine zusätzliche FET-Abschaltung spendiert. Dadurch entstand bei deaktiviertem Effekt kein „Durchsingen“ des Effektzweiges mehr, wie man das von anderen Schaltungen her kannte. Das hatte was!

Dem halbwegs geübten Modder bereitet es keine Schwierigkeiten, den MSL auf den originalen TS9- Frequenzgang zurückzubauen; einfach C6 = 82nF gegen den üblichen 47nF tauschen – und fertig ist der Klassiker! Eine bessere Alternative stellt folgende Mod dar: Unter Beibehaltung des 82nF-Cs wird der R9 = 4,7kOhm gegen einen 2,7kOhm-Typen getauscht. Damit ergibt sich ebenfalls die originale TS9-Grenzfrequenz von 720Hz, diesmal aber bekommt das Pedal einen zusätzlichen Gain-Schub von immerhin ca. 5dB, frei nach dem Motto „Wer hat, der hat“! Der Pedal-Guru Bernd Meiser schrieb mir neulich, dass ein auf diese Weise rückgebautes MSL-Pedal von all seinen Tube-Screamer-Modellen sein persönlicher Favorit sei.

Ibanez erkannte recht schnell, dass sich ein Overdrive unter falschem Etikett innerhalb des neuen Musik-Genres nicht glaubhaft vermarkten lies. Zudem hatte ab Mitte der 1980er-Jahre ein junger, phänomenaler Gitarrist aus Texas die Blues-Rock-Welt völlig auf den Kopf gestellt. Stevie Ray Vaughan verlieh dem Texas-Blues weltweit einen völlig neuen Stellenwert – und legte seinen Nachahmern wieder den TS9 ans Blues-Herz, mit dessen Hilfe er schließlich seine unerhörten Strat-Sounds zelebrierte. Folglich wollte keiner mehr den falschen Fuffziger namens MSL – weder die Metaller, die mit dem OD-Sound nichts anfangen konnten, noch die Blueser, die sich kein Pedal unter die Füße legten, das sich Metal-Screamer nannte.

Durch die bereits 1986 erfolgte Einführung der 10er-Serie war das MSL schnell Geschichte. Sein Nachfolger wurde das TS10, das gleichzeitig auch sein Vorgänger war, denn es bekam wieder den originalen TS9-Schaltkreis verliehen. Konsequenterweise ohne den zusätzlichen Schalt-FET-Transistor gegen „Durchsingen“ – sehr schade …

PREISE

Achtung, Spoiler-Alarm! Wer sich auf die Suche nach einem MSL macht, wird schnell feststellen, dass er sehr selten angeboten wird. Ob das als Begründung für die hohen Preise ausreicht, die z. B. auf Reverb.com zu sehen sind (zwischen 185 und 200 Euro), sei einmal dahingestellt. Auf Ebay wird gerade keiner angeboten, in den Kleinanzeigen ein defekter für 79 Euro. Meine Meinung: Viel zu hohe Preise, hier wird ohne Sinn und Verstand auf den Rare-&-Vintage-Faktor gesetzt. Ich bin mir sicher, dass die Preisschilder bei reellen Verkaufsangeboten deutlich geringer ausfallen. Denn schließlich ist der MSL nichts anderes als ein in den Höhen gezähmter TS9, den zu seiner Zeit keiner wirklich brauchte.

Danke an Bernd Meiser für den technischen Support!


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2021)

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