Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Epiphone Sheraton II

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Wer an Epiphone denkt – und dabei spezifisch an semi-akustische Modelle –, der hat wohl sofort die Casino vor Augen, das legendäre, komplett hohle Modell aus den 1960er-Jahren, gespielt von John Lennon höchstpersönlich und deshalb ein absoluter Klassiker. Aber die Traditionsfirma hat natürlich noch weit mehr zu bieten …

Die Casino ist sogar noch deutlich berühmter als die „große Schwester“ von Gibson, die ES-330. Um beide soll es hier aber nicht gehen, sondern um ein Modell, das ein bisschen im Windschatten der Casino ein vergleichsweise unbeachtetes Dasein führt: Die Sheraton, oder – wir sind ja hier bei den Kleinanzeigen Heroes und nicht in der Vintage-Ecke – besser gesagt: Die Sheraton II.

PROMINENTE SCHWESTERN

Die meisten Leser dürften wissen, dass die Marke Epiphone seit 1957 im Besitz von Gibson ist – Firmenchef Ted McCarthy schlug damals zu, als sich ihm die Gelegenheit bot, den langjährigen Konkurrenten aufzukaufen und damit quasi „auszuschalten“. Sofort erweiterte er die Modellpalette, indem er Schwestermodelle zu den bekannten Gibsons Seite an Seite mit diesen in Kalamazoo herstellen ließ.

Die ES-330 bekam die Casino als Pendant an die Seite gestellt, bei der ES-335 war es die Sheraton. Letztere hatte jedoch andere Features: zwei Mini-Humbucker und eine asymmetrische Saitenaufhängung, auch bekannt als „Frequensator“-Tailpiece. 1970 war dann für Epiphones in den USA Schluss, Matsumoku in Japan übernahm die Fertigung.

Auch der Standort Japan wurde für Gitarren im Einsteiger- und Mid-Price-Segment irgendwann zu teuer, und 1986 verlagerte Gibson die Epiphone-Produktion (mit Ausnahmen) nach Südkorea, zum bereits renommierten Hersteller Samick. Womit wir bei der Sheraton II wären. Diese wurde nun als direktes Pendant zur ES-335 mit zwei Humbuckern und der geschätzten Stoptailpiece/TOM-Brücke-Kombo neu eingeführt.

QUALITÄT MADE IN KOREA

Von 1986 an bis 2001 wurde die Sheraton II in Korea gefertigt, und um diese Linie soll es hier gehen. Denn dabei handelt es sich heute um in Vergessenheit geratene Instrumente, die ich als Kleinanzeigen-Geheimtipp sehe. Man erkennt die Korea-Modelle – sofern der Sticker „Made in Korea“ nicht mehr vorhanden ist – daran, dass auf dem Trussrod-Cover noch „Gibson“ stand. Die allerersten Modelle hatten sogar die Markenbezeichnung „Epiphone by Gibson“ als Inlay auf der Kopfplatte – heute sind das gesuchte Sammlerstücke.

Aktuelle Sheraton II – seit 2002 in China gefertigt – haben in der Regel das Epiphone-„E“, das ein bisschen wie das €-Zeichen aussieht, auf dem Trussrod-Cover. Was macht die Samick-Sheratons besonders? Nun, sie sind hervorragend verarbeitet. Der Korpus ist aus laminiertem Ahorn mit Mahagoni(!)-Centerblock und mit Mehrfach-Binding verziert. Der Hals wurde aus solidem Ahorn mit Walnuss-Sperrstreifen gefertigt, auf dem ebenfalls mit Bindings versehenen Palisander-Griffbrett prangen luxuriöse Abalone-Einlagen.

Der Blick fällt auf die typische, riesige Kopfplatte, mit einem wunderschönen „Tree“-Inlay. Zu erwähnen wären noch zwei sehr gefällige, cremige Humbucker mit ungefähr PAF-style Output, allerdings mild in den Höhen, sowie eine sehr ausladende Brücke, die viel Spielraum für die richtige Intonationseinstellung lässt.

Der breite, relativ kräftige Hals sorgt für ein bequemes Spiel, ein flacher Griffbrettradius dürfte auch modernen Flitzefingern gefallen. Rumbasteln muss man an dieser Sheraton nicht, es sei denn, man will die Pickups gegen noch bessere tauschen. Wessen Mauszeiger aber jetzt zu den einschlägigen Portalen zuckt, der sei gewarnt: Wie gesagt, wurde die Sheraton II nur bis 2001 in Korea hergestellt. Und die nachfolgenden, in China gefertigten Modelle weisen leider nicht mehr die gleiche schöne und robuste Verarbeitung auf – wie den fünfteiligen Ahorn-Walnuss-Hals.

PREISE

Meiner Erfahrung nach kämpfen Epiphones aus chinesischer Produktion mit Stabilitätsproblemen am Hals/Kopfplattenübergang, wo sich oft schon ab Werk Spannungsrisse auftun. Ein Bandkollege ließ deshalb eine fabrikneue Sheraton II sofort wieder zurückgehen, denn sie kam schon mit dem erwähnten Mangel aus dem Karton – leider nicht das einzige Erfahrungsbeispiel. Ich besorgte ihm dann eine 1998er aus Korea für 400 Euro. Dieser gängige Preis für Korea-Sheratons aus den 1990ern ist echt wenig Geld für eine so schöne und gut verarbeitete Gitarre, auch angesichts des Neupreises heutiger Sheratons aus China.

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Interessante Firmengeschichte einer bekannten Marke,die bis heute als Tochtergesellschaft des Gibson Konzerns besteht.Es ist richtig,daß man bei €piphone Gitarren häufig einer zwei geteilten Meinung ist,denn die meisten Instrumente aus Korea sind zweifellos sehr sauber verarbeitet.Ich erinnere mich da unlängst an die limitierte Modellversion einer neuen €piphone „Flying V/Nature/ J.B./ Arthur Amos“,die absolut top klingt,penibel gefertigt wurde,und preislich jeden Cent wert ist! Daß ausgerechnet die €piphone Gitarren aus China hingegen leider oft nicht besonders gut klingen,und obendrein sogar sehr schlampig hergestellt wurden,ist dato bereits hinlänglich bekannt.Dies entsprach so gar nicht den Vorstellungen der Einsteiger/Anfänger-Gitarristen,für die €piphone Saiteninstrumente anscheinend mal gedacht waren.Die Zielgruppe teurer Gibson Gitarren war,und ist eine ganz andere,das wissen die Insider.Obwohl so manche hochpreisige Gibson Gitarre aus den U.S.A. auch nicht immer so sauber gefertigt wurde,und die Klangeigenschaft bisweilen auch schon mal unbefriedigend war.Und daß Samick in Korea bisweilen auch für Ibanez,Fender und etliche andere etablierte Markenlabel Gitarren baute,ist heute wahrlich auch kein großes Geheimnis mehr! Nun,wie auch immer,die besagte „€piphone Sheraton II“ scheint hier wohl ein echter „Glückskäfer“ unter vielen anderen Gitarren dieser Epoche zu sein.

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  2. Ich habe öfters das Gegenteil gehört. Die Sheraton II Pro haben Probucker mit Coil-Tapping und einen Sattel von Graph Tech. Das soll ein enormes Upgrade im Sound bringen. Außerdem können die Chinesen 20 Jahre später auch Gitarren bauen und das mit besseren Werkzeugen als 2000 in Korea.

    Mir gefallen die Korea Varianten schon optisch viel besser, vor allem die NA Modelle. Ich traue mich aber noch nicht, eine gebrauchte zu bestellen. Kann der Sound tatsächlich mit den heutigen mithalten oder muss dazu neue Technik ran? Kann jemand eine fundierte Aussage dazu treffen?

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  3. Kürzlich habe ich eine Sheraton, Natur, mit S für Samick erworben.
    Der Seriennummer-Decoder für dieses Modell gibt als Fertigungsjahr 1985, 1995 oder 2005 an. Wie passt das zur Feststellung im Artikel, Sheratons seien nur von 1986 bis 2001 in Korea gefertigt worden, also lediglich halb so lang?

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  4. Im Jahr 1999 hatte ich den Entschluss gefasst meine erste E-Gitarre für Bluesrock zu kaufen, herausgekommen ist eine 2000er Sheraton II gebaut von Samick Korea.

    Um es kurz zu fassen ich habe den Kauf in keinster Weise bereut, ganz im Gegenteil.
    Einzig hatte ich gleich zu Beginn die PU nach etwas „Herumtesten“ wie folgt ausgetauscht: Am Steg einen Gibson 57, am Hals SD Alnico II. Für mich die ultimative Kombination. Muss aber fairerweise dazusagen dass beide PU nochmal älter waren, aus Anfang 1990er. Und Ja: älter klingt tatsächlich besser.
    Aber generell sei erwähnt dass ein PU-Tausch auch bei den Samick Korea Epiphones Sinn macht. Sonst aber war alles Oberklasse, nicht mehr viel von Gibson USA entfernt.
    Ich spiele diese Geliebte Sheraton somit über 20 Jahre, und mittlerweile haben sich auch paar Gibson, Ibanez und Fender dazu gesellt. Alle auf Augenhöhe wie ich meine.

    Jetzt aber zu meinem China Erlebnis:
    Vor paar Jahren hatte ich aus Zufall erstmals eine China Sheraton in den Händen. Irgendwie war alles anders. Die Detailmaße, Griffbrett, Haptik und Qualitätsanmutung.
    Trocken angespielt irgendwie dumpf, am Verstärker auch nicht berauschend. Also wenig Begeisterung, und wirklich kein Vergleich zur Samick Sheraton…

    Jetzt noch was zum Abschluss:
    Was oft gesagt wird stimmt tatsächlich – alte Gitarren klingen irgendwann immer besser. Bei mir trifft dies aber am krassesten bei der Sheraton zu – das hat sich auch erst nach 15 Jahren ergeben… Plötzlich gab es herrliche Hall-Modulationen und noch einiges mehr.
    Kann ich somit nur empfehlen.

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  5. … und mir gegenüber stehen 2 Epi “Rivieras” – beide aus den 90ern (’94 & ’95), beide Samick-made, beide im gleichen Sunburst. Und ratet mal, was…?
    Die Erste spielt & klingt RICHTIG GEIL.
    Die direkt daneben ist eine fertigungstechnische KATASTROPHE: Halswinkel zu flach (da passt keine ABR mehr, außer Göldos Superflache), Bünde ne Katastrophe, identische Pickups – aber trotzdem bleibt eine der beiden Semis ein Dud, während die andere durchaus erfolgreich gegen… ihre “alte Schwester” (1967 Kalamazoo-made Riviera TD360) anstinken kann.

    Am Ende ist eine Gitarre immer ein Individuum. Natürlich hilft Fachwissen & das richtige Werkzeug, die Quote an Ausfällen geringer zu halten – aber weder eine Marke, noch ein Fertigungsstandort sagen 100% zuverlässig die Qualität des Instrumentes voraus! Bei No.1 in HH durfte ich “meine” erste Holy Grail Les Paul anspielen, eine 1960 Burst. Die klang einfach Scheiße, du musstest Angst haben, dir die Finger an den Bundenden aufzureißen… und trotzdem kostete sie mehr, als ich vermutlich in meinem ganzen Leben für Gitarren ausgeben werde – und wurde verkauft!

    Die beste Empfehlung (und die einzig Ehrliche dazu), liebe(r?) Hildegarn, ist leider immer noch: ERST Anspielen, DANN kaufen…

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