Sperrholz rockt!

Gretsch G2622 Streamliner Center Block & G2655 Streamliner Center Block Jr. im Test

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Streamliner – schonmal gehört? Die Modellbezeichnung stand in der Gretsch-Historie immer für die eher einfacheren Modellvariationen; manchmal nur ein Pickup, kein Bigsby etc. Die 2016er Streamliner kommen aber komplett ausgestattet und sind trotzdem nicht teuer.

Gretsch G2622 Streamliner _03
(Bild: Dieter Stork)

Drei Modelle gibt es in der Serie: G2622 Streamline Center Block, G2655 Streamliner Center Block Jr. und die G2420T Streamliner Hollow Body, jeweils in verschiedenen Farben. Steht hinter der Modelnummer noch ein T, steht das für Vibrato … äh … Tremolo. Um jetzt nicht wieder die Diskussion und Rechthaberei ob der korrekten Bezeichnung anzufangen (es heißt VI-BRA-TO!!), lasst uns bei den Gretsches einfach Bigsby sagen, wobei das im Verlauf des Tests keine Rolle mehr spielen wird, denn wir nehmen uns die beiden Center-Block-Modelle, jeweils ohne Bigsby-System, zur Brust.

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Konstruktion

Wie die Headline schon charmant verrät, sind die Bodies beider Gitarren aus laminiertem Ahorn gebaut. Im Inneren in der Mitte sitzt jeweils längs ein Block aus Kiefer, um die Instrumente weniger empfindlich für Rückkopplungen und demzufolge besser geeignet für hohe Bühnenlautstärken zu machen. Die Hälse und die in Höhe des zweiten Bundes angeschäfteten Kopfplatten sind aus Nato, die Griffbretter aus Palisander. Soweit zur Basis. Hardware-mäßig kommen die beiden Streamliner mit Adjusto-Matic-Brücken (mit dem oft ungeliebten Drähtchen, aber hier rappelt nix) und dem schicken Gretsch-V-Stoptail am einen Saitenende und Grover-Style-Die-Cast-Mechaniken am anderen.

Auf den Griffbrettern mit 12″-Radius sitzen je 22 Bünde mittleren Formats, die sauber abgerichtet sind und deren Kanten auch gut verrundet wurden. Bisschen Polieren hätte den Bünden, gerade bei der Jr., nicht geschadet, aber wie sagte mal ein Bass- und Gitarrenbauer: „Das spielt sich blank.“ Ja genau. Wo wir grad nörgeln – ein Tropfen Öl würde beiden Griffbrettern gut tun, aber das hat man ja meist auch selber zu Hause und wir wollen doch immer den Preis der Streamliner im Hinterkopf behalten. Ansonsten kommt das Griffbrett nämlich mit den Perloid-Block-Inlays ziemlich cool und authentisch rüber. Zur gelungenen Optik tragen auch noch das Doppel-Binding um Decke und Rücken, sowie das Hals-Binding (mit Side-Dots zur Orientierung), das sich auch um die Kopfplatte fortführt, bei. Auf Letzterer prangt im Übrigen nur das Gretsch-Logo und kein Zusatz wie „Electromatic“ (wär ja auch Quatsch) oder „Streamliner“.

Da sieht erst mal keiner, dass diese Gitarren aus einer günstigen Serie stammen. Das merkt der Kenner vielleicht am Schlagbrett. Das ist nämlich bei den Streamlinern aus einschichtigem schwarzen Kunststoff. Oder am fehlenden Binding der F-Löcher. Auch die Bedienelemente für die Elektronik unterscheiden sich von denen bei teureren Serien aus selbem Hause: Der Toggle ist ein ganz einfaches Modell und die Potiknöpfe sind aus durchsichtigem Kunststoff, der seine Farbe dadurch erhält, dass er von unten beschichtet wurde – bei der Jr. in schwarz, bei der großen Schwester in gold. Ein Alleinstellungsmerkmal der neuen Streamliners sind die neuen Broad’Tron.

Humbucker, Aggregate vom koreanischen Hersteller „G & B pick up co“ – nicht verwandt oder verschwägert und auch kein neues Geschäftsfeld von uns. Hierbei handelt es sich um klassische Humbucker, die ihren Gretsch-Appeal in erster Linie durch ihre durchstoßenen Kappen erhalten. Zugriff hat man durch oben erwähnten Dreiwege-Toggle, getrennte Volume-Regler, ein Master-Tone und ein Master-Volume auf dem unteren Horn – alte Gretsch-Schule. Verarbeitung insgesamt? Ziemlich gut, würde ich sagen! Und wo kommen die Gitarren her? Indonesien … schau an, gar nicht schlecht! Jetzt den Gurt über die schön großen Gurtpins fuddeln und ab an den Amp.

Gretsch G2622 Streamliner _02
(Bild: Dieter Stork)

Praxis

Bevor es aber richtig zur Sache geht, noch kurz akustisch anspielen. Tja, so Sperrholzkisten klingen ja wenig spektakulär, aber schön holzig-resonant und sie sind laut genug, um auch mal ohne Amp zu Üben. Und beide Gitarren klingen erstaunlich ähnlich. Die Jr. etwas schlanker und mittiger, die große etwas breiter. Und ähnlich setzt sich das auch am Verstärker fort. Sticht man zuerst in den Clean-Kanal eines Amps, wird man erst mal zur Klangregelung greifen, wenn man denn einen typischen Gretsch-Sound hören möchte.

Die Broad’Trons klingen viel fetter und mittiger, als die TV Jones der zum Vergleich herangezogenen Gretsch Brian Setzer. Aber gut ist das auch, und man wird schnell mit diesem Sound warm. Und wenn man das typische Rockabilly-Country-Gedudel, das man auf einer Gretsch meist erst mal automatisch spielt, hinter sich gelassen hat, merkt man, dass bei den Streamlinern auch noch mehr drinsitzt: Jazziges, Getragenes, Bluesiges geht alles irgendwie prima. Richtig gut wird’s aber, wenn man auf Zerre schaltet. Da zeigen die beiden Streamliner ein ganz anderes Gesicht. Furztrockene Crunchriffs direkt aus der Mitte. Hat einer „AC/DC“ gesagt? Jau, das passt! Auch alles was in Richtung Punkrock oder Alternative geht, wird mit diesen Gitarren prima funktionieren. Richtig schön chunky und irgendwo zwischen Les Paul, die allerdings gepflegter und tighter klingt, und einer klassischen Gretsch, die aber wiederum noch spröder klingt und weniger fett schiebt.

Und wie schon eben, ist hier die kleine Gretsch wieder einen Tick fokussierter in den Mitten und insgesamt etwas dreckiger, und die große etwas breiter und gepflegter. Geht aber beides gut und ist am Ende immer Geschmackssache. Irgendwo auf der Gretsch-Website habe ich was von High-Gain-Pickups gelesen … bitteschön: Schaltet man noch einen Gang höher, ziehen die Streamliner gut mit und liefern bissige Riffs, fette Chords und singende Leads sauber und ohne zu matschen ab. Apropos Lead: Bespielen lassen sich beide Gitarren ziemlich gut. Ich persönlich würde vielleicht nochmal Hand beim Sattel an- und die Saiten etwas tieferlegen, aber ansonsten ist das dank Gibson-Mensur und 12″-Radius schon sehr angenehm und OK! Am Gurt zieht die Junior übrigens nach links (sprich: ist kopflastig), aber dafür wiegt sie auch nur sensationelle 2,74 kg.

Gretsch G2622 Streamliner _01
(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Ich bin dann am Schluss doch etwas beeindruckt, hatte ich angesichts des Preises doch eher mit etwas besseren Apfelsinenkisten gerechnet. Weit gefehlt! Die neuen Streamliner sind durchaus ernst zu nehmende Gitarren, gut verarbeitet und kommen mit ordentlicher Hardware und Pickups. Dass man vielleicht beim Sattel nachfeilt oder die Bünde nochmal poliert, das sind Kleinigkeiten und in dieser Preisklasse − wie ich finde − zu verschmerzen. Es ist immer gut, wenn es für verhältnismäßig wenig Geld gute Instrumente gibt, mit denen man richtig Musik machen kann. So wie hier – und die Streamliner machen auch noch richtig Spaß!

 

Plus

  • Optik & Style
  • Verarbeitung
  • Sounds
  • Gewicht
  • Preis/Leistung

 

Gretsch G2622 Streamliner _profil

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  1. D’Angelico Excel EX-DC im Test › GITARRE & BASS

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