Reine Geschmacksfrage

Extravaganz zum kleinen Preis: Harley Benton Marquess-5 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Das Einsteigersegment im unteren, dreistelligen Bereich wird seit Jahren von denselben Designs dominiert. Um für ein wenig Abwechslung zu sorgen, schickt Harley Benton die Marquess-Serie ins Rennen. Zum Ziel gesetzt sind niedrige Preise bei vergleichsweise hoher Qualität. Und ein bisschen Edelbass-Feeling gibt’s obendrauf.

Die Marke Harley Benton ist seit vielen Jahren bekannt. Zum einen für niedrige bis fast spottbillige Preise und zum anderen für stetig steigende Qualität über den Verlauf der letzten Jahre. Während die Hausmarke des Händlers Thomann in ihren Anfangszeiten teilweise beinahe unspielbare Instrumente auf den Markt gebracht hat, ist das Preis-Leistungs-Niveau inzwischen sehr beachtlich. Mit etwa € 300 liegt der Marquess-5 bereits nicht mehr im untersten Preissegment, an wen richtet sich dieser Bass also?

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DESIGN

Offensichtlich ist der Marquess weder an klassische Fender-Designs angelehnt, und auch mit einem Soundgear oder RBX hat die Form nicht viel zu tun. Viel eher drängen sich mir starke Ähnlichkeiten zu den deutschen Edelbassherstellern Bogart und Marleaux auf. Erfrischend also, dass es nun auch etwas Abwechslung in dieser Preisklasse gibt, die nicht von zweifelhaften Händlern aus Fernost herrührt.

KONSTRUKTION

Natürlich stammt auch dieses Instrument aus Fernost, anders lässt sich dieser Preis einfach nicht realisieren. Allerdings haben wir es hier nicht mit zweifelhaften Plagiaten ohne Qualitätskontrolle zu tun, sondern mit einer etablierten Marke und ihren immer weiter steigenden Qualitätsstandards. Diese zeigen sich auch direkt nach dem Auspacken des Basses. Zunächst fällt natürlich der blaue Korpus auf. Die Riegelung des zweiteiligen Ahorntops ist sicherlich nicht die edelste, dennoch ein Hingucker. Auch der Kern aus Sungkai, der sich darunter befindet sieht gut aus. Sungkai ist ein indonesisches Holz, das der (Sumpf-)Esche sehr ähnlich sehen kann, aber nicht damit verwandt ist.

Falls das Blau zu aufdringlich sein sollte, gibt es stattdessen auch eher klassische Varianten in Sunburst und Blackburst. Mir gefällt das Blau soweit gut, ebenso wie der Klarlack, der den Korpus überzieht. Für ein Instrument dieser Preisklasse ist die Lackierung wirklich sehr ordentlich ausgeführt, aber natürlich nicht hauchdünn aufgetragen. Der Bass kommt mit Chrom-Hardware, schwarze oder vergoldete hätte zumindest in meinen Augen vielleicht sogar noch mehr hergemacht. Aber das ist im Endeffekt reine Geschmacksfrage.

Funktional erfüllt die Hardware alle Ansprüche, die an sie gestellt werden: die gekapselten Mechaniken sorgen für stabile Stimmung ohne Sprünge beim Drehen, und die Brücke erlaubt unkompliziertes Einstellen von Saitenlage und Intonation.

GESCHMACKSFRAGE

Ab Werk ist die Saitenlage auch ziemlich hoch, wie oft bei günstigen Instrumenten. Daher ist ein Setup nach Erhalt in meinen Augen auch Pflicht, selbst (oder gerade?) wenn das Instrument für einen Anfänger gedacht ist. Superflach geht das hier nicht aber es bewegt sich im absolut annehmbaren und für die meisten „normalen“ Rahmen. Tapping und Slapping erfordern ein wenig mehr Kraft als es bei teureren Instrumenten meist der Fall ist, aber auch das ist noch im akzeptablen Bereich und auch ein Stück weit eine Frage der Gewohnheit.

Ähnlich sieht es bei der Ergonomie aus. Aufgrund des recht kurzen oberen Horns und des recht massiven Halses aus Ahorn und Padouk weist der Bass eine Kopflastigkeit auf, die auch mit einem rutschhemmenden Gurt nicht vollständig in den Griff zu bekommen ist. Gut im Griff liegt hingegen das Satin-Finish der Halsrückseite, wodurch die Finger beim Lagenwechsel angenehm über die gesamte Länge gleiten können. In die allerhöchste Lage gelangt man ohne Wechsel der Handhaltung nicht, dazu ist das Cutaway nicht tief genug, aber bis zum 22. Bund gelangt man problemlos. Bundenden fallen dabei nicht negativ auf, was für eine gute Verrundung spricht.

(Bild: Dieter Stork)

ELEKTRONIK

Als Schnittstelle zwischen Saite und Verstärker dienen zwei passive Humbucker von G&B im EMG-Format. Wie die Tonabnehmer an sich klingen, lässt sich schlecht beurteilen, denn die 2-Band-Aktivelektronik lässt sich nicht umgehen. Hier wäre es beispielsweise ein Leichtes für geneigte Bastelfreudige, einen Bypass nachzurüsten. Beim ersten Anschließen an einen Verstärker gab es aufgrund der Konfiguration der Potis für einen kurzen Moment leichte Verwirrung. Anders als bei modernen Bässen meist üblich, finden sich neben den Reglern für Bässe und Höhen keine Volume- sowie Balance-Regler, sondern zwei Volume-Regler. In der Handhabung ist ein Balance-Regler meist intuitiver und einfacher. Klanglich hat mich der Bass tatsächlich etwas überrascht.

SOUND

Bereits mit der Klangregelung in Mittelstellung und beiden Tonabnehmern voll aufgedreht ist der Sound knackig und druckvoll. Selbst der Obertonbereich ist gut repräsentiert, sodass auch z.B. Slapping gut zur Geltung kommt. Die Hochmitten sind prägnant und direkt, während der mittlere Bereich der Mitten in den Hintergrund rückt. So liefert der Marquess ohne große Nachbearbeitung bereits ein gutes Signal, um sich im Mix Gehör zu verschaffen. Eine große Schwachstelle, gerade von günstigen 5-Saitern, ist die tiefe Saite. Erfreulicherweise schlägt sich das Testexemplar hier sehr ordentlich. Es ist nicht die trockenste H-Saite, die ich je gehört habe, aber sie ist definitiv mehr als brauchbar.

Wer sonst 4-Saiter spielt und nur was zum Ausprobieren sucht, kann hier problemlos zugreifen. Ein Großteil des Bassdrucks kommt erwartungsgemäß vom Halstonabnehmer, der für sich genommen einen sehr bauchigen und recht weichen Sound präsentiert. Vintage wird das aufgrund der nicht vorhandenen Tonblende nicht, aber durch Zurückdrehen der Höhen wird der Klang deutlich zurückhaltender, aber nicht matschig.

Etwas anders sieht es beim Bridge-PU aus. Dieser ist durch die direkte Nähe zur Brücke sehr mittenlastig, was aber nicht negativ zu sehen ist. Beinahe als aggressiv kann man diesen Sound schon beschreiben, was in einigen Stilrichtungen durchaus von Vorteil sein kann. Mit etwas zurückgenommenen Höhen und angehobenen Bässen lässt sich so ein sehr runder und allgemeintauglicher Sound realisieren.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Insgesamt bekommt man beim Marquess-5 viel Bass für vergleichsweise wenig Geld, insbesondere, wenn Wert auf eine nicht alltägliche Form gelegt wird. Wer in puncto Kopflastigkeit nicht sehr empfindlich ist, wird mit modernen, durchsetzungsfähigen Sounds belohnt und kann hier bedenkenlos zuschlagen.

PLUS

  • Bespielbarkeit
  • Sound
  • Preis/Leistung

MINUS

  • Kopflastigkeit


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

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