Lauschangriff!

Die Vox AV-Serie im Test

Anzeige
Vox AV-Serie
(Bild: Dieter Stork)

Die AV-Serie war eine von mehreren Vox-Neuheiten der Musikmesse 2016. Auf den ersten Blick machen die Combos einen lukrativen Eindruck: Kompakt, gut ausgestattet, zivile Preise. Fragt sich wie sie sich in der Praxis bewähren.

Klein-Combos/-Amps sind über die Jahre eine Spezialität von Vox geworden.  In allen Produktserien sind sie vertreten, seien es Vollröhrenmodelle,  Modeling-Produkte oder solche in Halbleitertechnik.  Anders ausgedrückt, egal was man in welcher Preisklasse sucht, Vox hat da was im Angebot.

Anzeige

Vox Bedienfeld
(Bild: Dieter Stork)

Für das kleine Budget empfiehlt sich z. B. die neue VTX-Serie mit ihrer leistungsfähigen Modeling-Technik, die wir Anfang des Jahres in einem ausführlichen Test vorstellten (Ausgabe 02/2016). Wer der digitalen Signalformung weniger abgewinnen kann, findet (zu in etwa gleichen Preisen) vielleicht an unseren Testkandidaten Gefallen. Die AV-Serie basiert nämlich auf rein analogen Schaltungen. Und die nutzen sogar zwei Röhren.

Hybrid-Konzept

Zwei 12AX7 machen das technische Design bemerkenswert. Die eine hat ihren Platz im Preamp, die andere soll vor/in der Endstufe für lebendige Dynamik sorgen. Vox hat mit Hybridtechnik dieser Art ja schon einige Erfahrung. Wir dürfen also für die Praxis einiges erwarten, vor allem wegen der speziellen Konzeption der Vorstufe.

Ähnlich wie bei den Modeling-Modellen von Vox besteht nämlich die Auswahl zwischen verschiedenen Grund-Sounds, acht an der Zahl, die von sogenannten Preamp Circuits erzeugt werden. Im Einzelnen sind sie wie folgt typisiert: 1. CLEAN1: Cleaner 2¥12 Combo-Verstärker mit hoher Aussteuerungsreserve. 2. CLEAN2: 4¥10-Combo, der ursprünglich als Bassverstärker entwickelt wurde. Klar, Vox spielt auf den Fender-Tweed-Bassman an. 3. CRUNCH1: Emuliert den EF86-Kanal des Vox AC15. 4. CRUNCH2: Klon des AC30 Top Boost. 5. OD1: Ton eines klassischen Rockverstärkers aus den 1970er-Jahren.

6. OD2: Dieser Preamp Circuit steht für den Hardrock der 1980er-Jahre. 7. H.GAIN1: High-Gain-Amp aus den 1990ern, eignet sich für die ganze Bandbreite zwischen Heavy-Riffs und fetten Lead-Solos. 8. H.GAIN2: Noch mehr High-Gain, moderne Verzerrung. Dieses Modell eignet sich auch für 7-Saiter oder tiefer gestimmte Gitarren. Soweit kurz zitiert was Vox über die Grund-Sounds sagt.

Sie können eingestellt und abgestimmt werden, wie bei jedem konventionellen Verstärker, mit den Reglern, Gain, Treble, Middle, Bass und (Master-) Volume. Die beiden größeren Combos haben zwei dieser Kanäle, der AV15G lediglich einen. Die endgültige Lautstärke bestimmt der Regler Power Level. Auf den Sound kann mit vier Schiebeschaltern Einfluss genommen werden, die zur „Valve Stage“-Sektion gehören: Preamp-Bright und -Fat, Power Amp-Bias und -Reactor.

Letzterenehmen auf die Kraft und Dynamik der Wiedergabe Einfluss. Eine dreiteilige FX-Sektion erlaubt, die Sounds noch weiter aufzupolieren. Allerdings mit nur geringen Einstellmöglichkeiten. Der Effects-Regler bestimmt die Intensität/Lautstärke des jeweiligen Effekts, hält man den FX-Typ-Taster gedrückt ist mit diesem Poti zusätzlich bei der Modulation die Geschwindigkeit ver- änderbar, bei Delay und Reverb der Parameter Zeit.

Viel Variabilität dank der großzügigen Ausstattung
Viel Variabilität dank der großzügigen Ausstattung (Bild: Dieter Stork)

Die FX-Sektion arbeitet zudem global, d. h. den Sound-Kanälen kann man nicht unterschiedliche Effekteinstellungen zuordnen. Immerhin haben der AV30G und der AV60G aber noch einen seriellen Einschleifweg zu bieten, sowie eine Footswitch-Buchse zum Ein/Ausschalten des Effekts und dem Wechsel zwischen den Kanälen. Mit dem optional erhältlichen Vox-Schaltpedal VFS5 (im Handel ca. € 55) steht zusätzlich die Funktion Tap-Delay (Echozeit per Fußschalter bestimmen) zur Verfügung.

Alle drei Combos haben ansonsten noch einen Aux In zum Einspielen von Playbacks oder Ähnlichem zu bieten, und eine Phones-Buchse. Um den Combos optimale Klangfülle anzuerziehen, hat sich Vox dafür entschieden, geschlossene Gehäuse mit Reflexöffnung zu bauen und den Lautsprecher von vorne an der Schallwand zu montieren. Das ist der Grund, warum die (innen abschraubbare) Gewebefront über das Gehäuse übersteht.

Der AV15G ist mit einem 8“-Lautsprecher bestückt und leistet nominal 15 Watt, der AV30G hat einen Zehnzöller bei 30 Watt, der AV60G einen 12“-Speaker und 60 Watt. Verarbeitung und Aufbau sind solide ohne Highlights. Einzig die recht lose gespannte Gewebefront stimmt etwas skeptisch, denn schon bei leichtem Druck in dem entsprechenden Bereich berührt sie die Sicke der Speaker-Membran.

Erhöhte Vorsicht ist insofern geboten. Noch eine Info am Rande: Wer an die Röhren herankommen will, muss mit einigem Aufwand das Amp-Chassis komplett aus dem Gehäuse ausbauen. Oder sich in ausgiebigem Friemeln ergehen.

vox-av15g-av30g-av60g-3
(Bild: Dieter Stork)

Tube-Tone

Angesichts der Produktbeschreibung möchte man auf ein hohes Leistungspotenzial hoffen. Acht Preamp-Typen: surfen wir mit ein paar Klicks an einem Drehschalter durch die unterschiedlichen Sound-Welten legendärer Röhren-Amps? Das wär‘ ja zu schön um wahr zu sein.

Ja, ist es! Entwicklungstechniker mögen die geschicktesten Ideen haben, aber die von vielen Faktoren in komplexer Interaktion abhängige Sound-Formung der genannten Amp-Vorbilder kann man natürlich –zumindest bislang – nicht mit einer Handvoll Halbleitern und zwei Röhren authentisch nachbilden.

Und so hört man nicht wirklich einen heiß gemachten Marshall-Super Lead, den AC30 oder gar die EF86-Röhre aus den Preamp Circuits heraus. Hat auch niemand wirklich für möglich gehalten, oder?! Wie auch immer, die Medaille hat eine Kehrseite, eine glänzende, sprich eine ziemlich positive, denn objektiv betrachtet, haben die acht Preamp Circuits quantitativ und qualitativ viel zu bieten.

Im Zusammenspiel von zwei Ebenen: Zum einen steigt step by step das Gain-Niveau, zum anderen ändert sich das Sound-Timbre durch unterschiedliche Ausprägungen der Mitten und Höhen. Obacht, das Potential der Preamp-Typen erschließt sich nicht durch simples Hin- und Herschalten!

Die effizient arbeitende Klangregelung muss passend nachgeführt werden, um maximal charakterstarke Klänge und Markanz zu erzielen (Leider bietet Vox im mehrsprachigen Manual dazu keine Hinweise oder Einstellvorschläge an). Crunch2 braucht z. B. wenig Mitten und reichlich Höhen, dann kommt doch durchaus eine überzeugende AC30-Textur zu Ohren, AkkordCrunch mit Format, gelungen.

Nicht mit Bassanteilen geizen, so wiederum kommen die heißen Preamp-Modi am besten in Fahrt. Fett, singend, tragfähig. H.Gain2 trifft, wenn auch zu betont in den Mitten mit seinen höchstintensiven Verzerrungen und beißender Distortion tatsächlich effektiv den Metal-Charakter. Das „Tier“ ist allerdings nicht ganz einfach zu bändigen, sprich der Sound-Modus stellt durch das ultrahohe Gain-Niveau spieltechnisch eine Herausforderung dar.

Abgesehen davon ist der Klangcharakter der Verzerrungen überraschend Röhren- ähnlich. Lebendig im gesamten Spektrum, daher ausdrucksstark, harmonisch, kraftvoll, und schon bei vergleichsweise geringen Lautstärken kippt die Wiedergabe gerne in Obertöne um. Erfreulich und positiv.

Darüber kann man aber nicht verkennen, dass die Sounds oft in den oberen Mitten angestrengt wirken und insgesamt wenig plastisch tönen bzw. es doch etwas an Tiefentransparenz fehlt. Aber man merke, das ist Kritik nach absoluten Maßstäben. Bedenkt man das Preisgefüge, rückt sich alles wieder ins Lot und man kann zweifelsfrei konstatieren: Was die Klangqualität angeht, geben die AV-Combos also alles in Allem eine gute Figur ab.

Die Ansprache kommt weniger gut weg. Die Amps fühlen sich für den Spieler relativ steif, ungnädig an. So finden Legato-Passagen in Soli kaum Unterstützung. Muss man halt sauber hinlangen (was ja einen gewissen erzieherischen Wert hat ;-). Die Schaltfunktionen der „Valve Stage“- Sektion muss man als Werkzeug zur Feinabstimmung der Wiedergabe verstehen.

Preamp-Bright fördert die Brillanz, Fat verdichtet die Mitten, Power-Amp-Bias ver- ändert subtil die Dynamik. Reactor macht unter den vieren am meisten her, weil die Funktion das Bassfundament formt, locker-luftig oder kompakt-druckvoller. Die Effekte sind zweifellos eine Bereicherung. Sie klingen sauber und der Reverb erzeugt fein gezeichnete Raumsimulationen mit Tiefenwirkung.

Alles gut, praktisch, sinnvoll, doch warum muss der Effekt beim Umschalten von einem Kanal auf den anderen abreißen? Wenn man es genau nimmt, durchaus ein Manko. Wem der Sinn nach mehr FX-Kulisse steht, der kann sich im Einschleifweg problemlos bedienen. Der Signalpegel liegt sehr niedrig. D. h. es können im Grunde jedwede Geräte zum Einsatz kommen, vom FX-Pedal bis hin zum hoch qualitativen 19″-Prozessor.

Dank der klanglich gut ausbalancierten Wiedergabe des Phones-Anschlusses, der den internen Speaker der Combos abschaltet, eignen sich die AV-Amps auch als Sound-Tool beim D.I.- Recording. So ergibt sich unterm Strich ein ziemlich hoher Gebrauchswert. Es versteht sich von selbst, dass in dem Trio der AV60G die größte Klangfülle erreicht.

Recht großer, bassstarker Ton, genug Leistung, mit ihm ist man für den Live-Einsatz gut gerüstet. Der AV30G klingt im Vergleich luftiger, hat einen etwas drängelnden Peak in den Mitten, wie es typisch für 10″-Lautsprecher ist, trotzt dem aber mit einer relativ großen Fülle in den unteren Frequenzen. AV15G, acht Zoll, klar, da wird es zwangsläufig ein wenig topfig, quäkig, das Klangbild ist aber durchaus angenehm, sozusagen immer noch musikalisch wertvoll.

Alternativen

Die AV-Combos haben in ihrer Kategorie der Hybrid-Produkte kaum bis keine Konkurrenz. Auch insgesamt gesehen bietet der Markt wenig Alternativen. Diejenigen mit vergleichbarem Leistungsspektrum kommen gar aus dem eigenen Hause. Vox bietet reichlich ernst zu nehmende Auswahl.

Resümee

Wer in den unteren bis untersten Preisregionen einkauft, weiß, dass er Kompromisse eingeht. Umso genauer sollte er hinsehen bzw. hinhören, was seine Kandidaten leisten. Die Unterschiede sind durchaus erheblich. Auf jeden Fall sollte er die AV-Serie ins Kalkül ziehen. Die Combos sind mit ihrer voluminösen Wiedergabe sowie recht hoher Variabilität klanglich auf der Höhe und bieten ein wenn auch straffes aber doch dynamisch gesundes Spielgefühl. Wohlklingende Effekte sind mit an Bord, FX-Weg, Line-In, Kopfhöreranschluss … nicht nur Anfänger, sondern auch Fortgeschrittene können an den Combos Spaß haben. Preis und Leistung stehen jedenfalls in einem gesunden Verhältnis.

Plus

• Sounds, Vielfalt, Klangfülle

•Dynamik

•Ausstattung

• günstig u. praktisch für Einsteiger u. Fortgeschrittene

•Verarbeitung

Minus

• FX-Mute beim Kanalwechsel

• relativ lockere Frontbespannung

uebersicht-vox-av15g-av30g-av60g

 

Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, nahe vor dem 10“-Combo AV30G platziert (die Amp-Chassis der drei AV-Modelle sind im Prinzip identisch: AV60G/1×12“ zwei Kanäle, AV30G/1×10“ zwei Kanäle, AV15G/1×8“ ein Kanal).

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt. Die Raumsimulationen steuert das Plug-In „Platinum-Reverb“ bei.

Den Ton liefern eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 am Steg auf-/umgerüstet mit einem Seymour-Duncan-JB-Humbucker im SC-Format.

 

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

CR: Crunchsound, etwas mehr Gain als bei Overdrive.

Dist: intensive Verzerrungen, hohe Gain-/Vorverstärkungsebene.

OD: Overdrive, geringe Anzerrungen.

 

Clips #1 bis #6: Die AV-Amps sind Solidstate-Hybride, d.h. zwei 12AX7-Röhren unterstützen die Sound-Formung. Besonderes Merkmal der Vorstufe ist, dass ein Drehschalter unterschiedliche Gain-Ebenen bzw. Sound-Presets anbietet. Wir hören in den Clips einen Querschnitt. Anmerkung: Der Spieler selbst erlebt im Raum mit den Combos die Sounds luftiger und dynamisch weniger konturiert als es die Mikrofone abbilden.

 

In den Clips #7 bis #9 geben die eingebauten Effekte einen Eindruck von Ihren Fähigkeiten.

Clip #10 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

 

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

 

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Den vollständigen Test gibt es in unserer neuen Ausgabe (09/2016)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren