Audiovisuelles Erlebnis

Darkglass Electronics Alpha Omega Photon im Test: Es werde Licht!

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(Bild: Dieter Stork)

Als Photon bezeichnet man, vereinfacht gesagt, die Partikel aus denen Licht besteht. Warum genau die neueste Iteration der für rohe Verzerrung beliebten Alpha-Omega-Serie diesen Namen trägt, weiß wohl nur der Hersteller selbst. Aber ob die Komplettlösung für die moderne Basswelt auch hält, was sie verspricht, soll ein Test klären.

Darkglass bedarf inzwischen wohl keiner Vorstellung mehr. Seit gut einem Jahrzehnt sieht man die finnischen Geräte auf fast jedem Pedalboard in der Metal-Szene. Was lange Zeit der Tech21-Bass-Driver war (und für viele auch noch ist), sind nun die Pedale aus dem Hause Darkglass. Allen voran wohl der B7K und der Alpha•Omega. Während der B7K einen sehr drahtigen Charakter hat, schlägt der A/O da andere Töne an.

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KONZEPT

Die erste Version des A/O entstand in Zusammenarbeit mit dem Karnivool-Bassisten Jon Stockman, der für seinen rohen und im Band-Gefüge dominierenden Bass-Sound bekannt ist. Wer mit der Band nicht vertraut ist: Die Songs ‚Simple Boy‘ und ‚Goliath‘ dürften schnell klar machen, worum es geht. Um die Sounds des aufwendigen Studio-Setups von Stockman leichter auf die Bühne zu bekommen, wurde das A/O entwickelt und quasi als Signature-Pedal herausgebracht. Zusätzlich zu dem Clean-Blend-Regler gibt es einen weiteren Blend, genannt Mod, der zwei Zerren miteinander verbindet.

Zum einen die komprimierte, tighte Alpha-Seite und die eher offene, rohe und leicht fuzzige Omega-Seite. Als Ergebnis präsentiert sich so eine bei Bedarf sehr brutale Zerre, die aber trotzdem in einen modernen Kontext passt und dabei nicht matscht oder schmiert. Nun gibt es das A/O bereits seit fünf Jahren, und seither sind Versionen in unterschiedlichsten Formen erschienen. Als neueste und mit knapp € 550 auch teuerste, reiht sich das Photon in die Familie der Treter und Verstärker im dunkelblauen Gewand.

KOMPRESSOR

€ 550 für einen Verzerrer? Sind die irre? Beinahe, im besten Sinne. Mit fast jeder neuen Generation werden neue Features und Funktionen eingeführt, die es bisher gar nicht oder nicht in der Kombination bzw. Ausgereiftheit gegeben hat. Im Falle des Photons trifft davon leider nichts so richtig zu, denn die technischen Neuerungen sind vor einem knappen Jahr bereits alle mit dem A.D.A.M. erschienen, dem Signature-Pedal von Nolly Getgood. Dafür ist das Photon € 50 teurer.

Was Hardware und Bedienung angeht, sind die beiden Geräte identisch: über die Fußschalter werden vorher abgespeicherte Einstellungen abgerufen. Soweit nichts Neues. Dass zusätzliche Presets per Midi abrufbar sind, ist zwar eine gute Sache, aber auch nichts Weltbewegendes in dieser Preisklasse. Nein, spannend wird es, wenn man sich anschaut, welche Einstellmöglichkeiten sich überhaupt bieten. Das sind nämlich deutlich mehr als die fünf schwarzen Potiknöpfe vermuten lassen, deren Beschriftungen wohl auch ziemlich eindeutig sein dürften.

Lediglich der Regler für den eingebauten Kompressor bedarf einer kurzen Erklärung: geregelt werden hier gleichzeitig Input- sowie Output-Gain der Kompressorstufe. Der Schwellwert ist fix und wird stattdessen über die Eingangsverstärkung gesteuert. Prinzipbedingt verliert ein Signal an Pegel, je stärker es komprimiert wird und muss entsprechend lauter gedreht werden. Dies übernimmt das Gerät automatisch, wobei es zwischen ca. 9 und 12 Uhr doch zu einem Volume-Boost kommt. Wie stark dabei komprimiert wird, also wie hoch die Ratio ist, wird über den linken Fußschalter eingestellt. Wie auch beim Quad Cortex und dem A.D.A.M. dienen die Kappen dieser nämlich gleichzeitig als Drehregler, was eine elegante Lösung darstellt, zusätzliche Bedienelemente unterzubringen. Sorgen um die Haltbarkeit muss sich nicht gemacht werden, die Dinger wirken sehr robust, und auch bei den anderen Geräten gab es diesbezüglich bisher keine Probleme.

Für den Kompressor steht, neben vier Ratios und der Möglichkeit zum Bypass, außerdem ein „All In“-Modus zur Verfügung. Wer sich ein bisschen mit Kompressoren auskennt, der dürfte hier hellhörig werden. Dabei handelt es sich um eine Einstellung am legendären 1176-Kompressor, die das Signal verdichtet und sättigt. Interessant ist hierbei vor allem, dass es in dieser Einstellung einen kleinen Moment dauert, bis der Kompressor überhaupt auf das Signal anspricht. Hierdurch werden Transienten auch bei maximaler Verdichtung unkomprimiert durchgelassen, was sich in einem deutlich perkussiveren Signal äußert.

Über einen Software-Editor lassen sich die Ansprechzeiten des Kompressors genauer einstellen, wobei diese nicht pro Preset, sondern global gelten. Darkglass selbst schweigt über genaue Zeiten von Attack und Release, also habe ich das Gerät durchgemessen: auch bei den Zeiten stand der 1176 Pate. Im langsamsten Setting liegt das Attack immer noch bei nur knapp über 1ms, was sehr schnell ist. In der schnellsten Einstellung greift der Kompressor sogar bei nur wenigen Mikrosekunden und ist somit auch als harter Limiter zu gebrauchen. In der Praxis gefällt mir das langsamste Setting für Attack und die beiden schnellsten für Release am besten. Hier bekommt der Sound einen perkussiven Boost, was gut mit der Zerre harmoniert. Wichtig anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Kompressor das Signal verarbeitet, bevor es in clean und verzerrt getrennt wird.

Fast alle Anschlüsse sind stirnseitig platziert. (Bild: Dieter Stork)

SAME BUT DIFFERENT

Mittels Fußschalter Nummer Zwei werden die Zerr-Algorithmen durchgetauscht. Richtig, die Klangverarbeitung ist in diesem Gerät rein digital. Und richtig gut. Genauso wie ich es vom analogen A/O kenne, kommt der Sound aus dem Photon – roh, böse und gewaltig. Auch hier kann die Zerre komplett deaktiviert werden, was, genau wie beim Kompressor, durch ein Erlöschen der weißen LED am Fußschalter signalisiert wird. Darkglass-typisch ist der Clean-Sound glasklar. Die fünf weiteren Modi unterscheiden sich nicht großartig voneinander, sie stellen verschiedene Kombinationen der „Bite“- und „Growl“-Schalter am analogen Gerät dar. Es wird also mal mehr oder weniger High- und Low-End vor der Zerre abgeschnitten.

Das letzte Setting wird als „Studio Rig“ bezeichnet und hebt sich ein wenig vom Rest ab. Hier scheint zusätzlich ein Hochpass vor die Zerre geschaltet worden zu sein, was den Sound zusätzlich tighter macht. In radikal abgeschnittene Djent-Gefilde kommt man aber auch damit nicht, es bleibt eben ein Alpha•Omega. In Kombination mit dem Mod-Regler kommen so jedoch mehr als ausreichend verschiedene Sounds zustande, wobei ich mir für ein Gerät, das auch als Komplettlösung konzipiert worden ist, noch ein oder zwei ganz andere Sounds gewünscht hätte. Zum Beispiel ein richtiges Fuzz oder eben eine radikal beschnittene Zerre. Wenn’s eh schon digital ist, sollte dafür noch Platz sein …

Damit der Sound bei Verwendung als Kopfhörerverstärker oder DI-Box nicht unangenehm klingt, kann eine optionale Cab-Sim durch das Drehen von Fußschalter Drei eingeschaltet werden. Auch hier gibt es fünf verschiedene Optionen, wobei diese per Editor sowohl gegen normale IRs als auch weitere Darkglass-Cabs ausgetauscht werden können. Weitere Regelmöglichkeiten am Gerät gibt es nicht, was auch gar nicht notwendig ist. Notwendig ist allerdings der Hinweis, dass es aktuell noch zu einem kurzen Aussetzer im Sound kommt, wenn eine neue Cab-Sim geladen wird. Nutzen verschiedene Presets auch verschiedene Cab-Sims, kommt es zu einem kurzen Dropout. Sowas kann allerdings gut mit einem Software-Update behoben werden.

(Bild: Dieter Stork)

AUDIOVISUELLES ERLEBNIS

Die Bedienoberfläche ist aufgeräumt: Abgesehen vom GND-Lift-Schalter des XLR-Ausgangs und einem kleinen Poti neben der Kopfhörerbuchse, kann man nur noch am EQ Hand anlegen. Dessen Einsatzfrequenzen sind gut gewählt und bedienen die im Bandkontext kritischsten Bänder. Es sind die Gleichen, die man bereits von den analogen Darkglass-Geräten kennt. Alternativ dazu lässt sich der EQ per Software auch auf eine andere Einstellung umschalten. Wie vom Element bereits bekannt, kommen hier anstelle von mechanischen Potis digitale, berührungsempfindliche Fader zum Einsatz. Über LED wird die Position eines jeden Faders angezeigt.

Charmantes Detail: Je nach Position des Mod-Reglers wechselt der EQ die Farbe von Blau zu Rot. Auch der eingebaute Tuner, der durch gleichzeitiges Drücken der beiden rechten Fußschalter aufgerufen wird, gibt sein Feedback über diese LED. Zwar wird die erkannte Tonhöhe mittels LED durch abstrahierte Buchstaben angezeigt, das sofortige Erkennen als solche erfordert allerdings einiges an Eingewöhnungszeit. Zum schnellen Nachstimmen auf der Bühne funktioniert die Anzeige jedoch erstaunlich gut und stellt damit ein für den Live-Einsatz praktisches Zusatz-Feature dar.

EDITOR

Über die Darkglass-Suite, so heißt der Software-Editor, können Updates, Backups und zusätzliche Einstellungen vorgenommen werden. Seit meines Reviews zum Element hat sich hier einiges getan, vor allem die Auswahl der hauseigenen Cab-Sims ist deutlich verbessert worden. Aus einer Liste können verschiedene Boxen und dazu, visuell gut dargestellt, Mikrofone und deren Position ausgewählt werden. Ist eine neue Cab-Sim ausgewählt, wird diese sofort an den aktuellen Speicherplatz im Gerät gesendet und überschreibt diesen. Aber nicht nur die Cab-Sim kann verändert werden, sondern auch deren Position in der Signalkette. Über eine Schaltfläche kann sie vom Ende des Signalweges vor den Blend-Regler bewegt werden. Dadurch ist nur noch das verzerrte Signal davon betroffen. Das kann sehr praktisch sein, wenn man speziell gefilterte IRs nutzt oder gern Zerr- und Clean-Signal stärker voneinander trennen möchte.

Im Editor einsehund einstellbar: Das Routing des Photon …
… die Cab-Auswahl …
… sowie Kompressor und Cab-Sim.

Dabei ist mir allerdings aufgefallen, dass die hauseigenen Cab-Sims nicht alle die gleiche Phasenlage haben. In einem seriellen Setup, also mit der Cab-Sim am Ende der Signalkette, ist das unproblematisch, sobald aber das verzerrte Signal phasenverschoben zum Clean-Signal ist, kann es, insbesondere im Bassbereich, zu unschönen Auslöschungen kommen. Dedizierte Cab-Sim-Geräte haben für diese Problematik meist einen Polaritätsschalter oder sogar eine Möglichkeit zur Anpassung der Phasen. Wenn es also beim Wechsel plötzlich dünn klingt, wird dies die Ursache dafür sein. Zuletzt gibt es im Editor noch ein paar Einstellmöglichkeiten für die Ein- und Ausgänge.

GUT ZU WISSEN

Neben einer Pegelwahl für den Input ist auch die Umbelegung der beiden symmetrischen Klinkenausgänge ein sinnvolles Feature. Hier liegt bei Verwendung als Audio-Interface nicht nur der Hauptausgang des Systems an, sondern eben auch das Bass-Signal, und dieses kann getrennt ausgegeben werden. Zum einen natürlich das vollständige Signal, aber vor allem lassen sich cleane und verzerrte Sounds, wahlweise mit oder ohne einer Cab-Sim, separat voneinander ausgeben. Sogar ein latenzkorrigiertes Bypass-Signal steht zur Auswahl. Für live oder im Studio ist diese Funktion Gold wert, da sich niemand Sorgen um Phasenprobleme machen muss.

Bei der Verwendung als USB-Interface entsprechen die Kanäle der Soundkarte dem unbearbeiteten sowie dem fertigen Sound, es besteht also auch hier die Möglichkeit, die Signale getrennt voneinander direkt in den Computer aufzunehmen. Sogar die Bluetooth-Schnittstelle lässt sich mit aufzeichnen. In der Praxis funktioniert das auch sehr gut. Nach Installation des ASIO-Treibers entsprechen sogar die Latenzen denen einer normalen Mittelklasse-Soundkarte, wodurch bei Bedarf auch das Spielen über Plug-ins kein Problem darstellt. Genau wie beim Element kann per Bluetooth der Editor am Smartphone genutzt werden und das Photon fungiert auch als Audio-Empfänger. Backing-Tracks vom Handy einzuspielen ist so ein Kinderspiel. Alternativ können diese per 3,5mm-Klinke dem AUX-In zugeführt werden. Ausfälle der Verbindungen hatte ich im Test keine.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ja, das Photon ist teuer und es beherrscht neben einem astreinen Clean-Sound quasi nur einen weiteren Grundsound. Diesen dafür aber in fast unzähligen Variationen und insgesamt enorm hoher Qualität. Dank der sinnvollen Zusatzfunktionen dient das Gerät gleichermaßen als kompaktes, aber vollständiges Live-Setup und starkes Werkzeug zum Aufnehmen oder Üben zuhause. Die Bedienung geht dabei intuitiv von der Hand und genau darin sehe ich den großen Vorteil gegenüber Modeling-basierten Lösungen. Ein HX-Stomp kostet zwar das gleiche und klingt keinesfalls schlechter, aber erfordert mehr Einarbeitung und Auseinandersetzung mit den zahlreichen Optionen. Neben dem Darkglass A.D.A.M. sind mir keine Alternativen mit diesem Funktionsumfang und in dieser Wertigkeit bekannt. Und genau das macht den Reiz dieser Geräte aus.

PLUS

  • Ausstattung
  • Verarbeitung
  • Sound
  • Bedienung

MINUS

  • Aussetzer bei IR-Wechsel


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

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