Verdienter Platz im elektrischen Klanghimmel?

Aufgepeppter Evergreen: Danelectro Fifty Niner Red Top im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Gewachsenes Kunsthandwerk? Nicht mit uns! Danelectro setzte von Anfang an auf eher triviale Bauweisen – preiswert, aber mit Pfiff! Hartfaserplatten als Baumaterial und Pickups in billigen Lippenstifthülsen einerseits – skurril-originelle Formgebungen andererseits. Zu beweisen galt: Originalität und Funktionalität ist nicht an hohe Preise gebunden … Rock’n’Roll for everybody!

Die im Jahr 1947 von Nathan Daniel gegründete Firma begann ihre bemerkenswerte Karriere als Lieferant von Verstärkern für große Versandhäuser, entwickelte sich im Lauf der Zeit aber zu einem Hersteller geradezu ikonischer amerikanischer Gitarren-Designs, die trotz billiger Bauweise wegen ihrer Eigenarten bis heute Wertschätzung erfahren. Die frühe schöpferische Produktionsphase wurde bereits 1969 beendet. Aktuell umfasst das Danelectro-Programm wieder eine große Palette an reaktivierten Gitarren- und Bass-Designs. Wir schauen uns an, was ein Evergreen wie die Fifty Niner uns heute noch (oder auch wieder) zu sagen hat.

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BÜCHSE DER PANDORA?

Dem alten Bauprinzip Holzrahmen mit aufgesetzter Faserplatte vorn und hinten folgt auch heute noch ein bewährtes Modell wie die vorgelegte Fifty Niner. So profan das alles auch sein mag, generiert diese Konstruktion doch den besonderen Sound, für den Danelectro allseits bekannt ist. Ein Sound, den Jimmy Page bei Led Zeppelin schon zu nutzen wusste und der zuletzt etwa von Mark Lettieri mit seinen funky Bariton-Sessions wieder hochklassig in Szene gesetzt wurde. Ist zwar gerade nicht Thema, aber mit tiefergelegten Sounds, wie Baritongitarren oder Shortscale-Bässen war Danelectro schon früh ganz vorne mit dabei.

OK, Holzrahmen als Zargenkranz also und Masonite-Faserplatte vorn wie hinten – aber Moment mal: Hier ist in Beschreibungen von Fichte als Decke die Rede, dort von Hardwood für Top und Back. Fichte im Rahmen, okay. Aber bei der Decke könnte man allenfalls vermuten: kann Spuren von Fichte im Verbundmaterial enthalten – sieht von innen betrachtet halt schlicht wie Masonite aus. Die feuerrot lackierte Decke ist eingefasst von einem cremefarbenen Binding, welches sich auch auf dem einzelnen f-Loch findet; Zargen und alle Rückseiten präsentieren sich in dunkler Chocolate Color. Massive Klötze unterhalb des Stegs und im Bereich der Halsaufnahme sorgen für die nötige Festigkeit des ansonsten hohlen Double-Cutaway-Bodys.

Fluffiges Halsprofil mit flachem Griffbrettradius (Bild: Dieter Stork)

Der Hals aus Ahorn ist mit vier Schrauben auf der vorspringenden Korpusnase fixiert, auf der vorn auch noch ein Gurtpin Platz fand. Die 21 Medium-Jumbo-Bünde im Griffbrett aus Palisander von flachem 14-Zoll-Radius erweisen sich als sauber verarbeitet, Dots markieren die Lagen. Die firmentypisch schlanke und wenig abgewinkelte „Coke Bottle“-Kopfplatte mit Fimenlogo ist mit Kluson-Style-Mechaniken ausgestattet und gewährt Zugriff auf den Halsstab. Die Saiten werden nach dem Sattel aus Knochen mit 63,5-cm-Mensur hinüber zur versenkt montierten Wraparound Bridge mit einzeln justierbaren Saitenreitern geführt. Nur wer auf ursprüngliche Authentizität besteht, wird hier die profane frühere Bridge mit unkompensierter Holzauflage vermissen.

Wraparound Bridge mit justierbaren Einzelreitern (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Die berühmten Lipstick-Pickups sind natürlich erwartbarer Standard bei einem klassischen Modell wie der Fifty Niner. Über den CRL-Dreiweg-Schalter lassen sich die Single Coils ganz klassisch einzeln und in Kombination aufrufen. Verwaltet werden sie mit generellen Volume- und Tone-Reglern.

Die Gitarre ist in klaglos gutem koreanischem Industriestandard verarbeitet und wurde spielbereit zur Verfügung gestellt.

Spielpraxis, Sound und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

TWÄNG UND BÄNG

Natürlich ist die Fifty Nine schon konstruktionsbedingt ein Leichtgewicht. Dieses Modell fügt sich aber auch auf das Knie genommen locker an seinen Spieler, richtet sich am Gurt gut gewichtet aus und spielt sich im Stehen vollkommen stressfrei.

Das angenehm griffige, eher flach und aufsteigend maßvoll zunehmend gestaltete Halsprofil und die tadellose Bundierung mit tief eingerichteter Saitenlage über dem Griffbrett mit flachem Radius lassen dann auch sofort ungehemmte Spielfreude aufkommen – das geht schon einmal gut los!

Das akustisch schon originell knusprige Klangverhalten der Fifty Niner mit luftigem Boxtone-Flair und durchaus achtbar vitalem Schwingverhalten prägt auch dessen elektrische Umsetzung.

Was diese Danelectro am Amp herausgibt, ist nichts für Leute, die es soft und smooth mögen. Ein helles crispes Klingeln zieht sich stets durch alle Schaltpositionen, ist Markenzeichen und Aufforderung zu aufreizenden Spielweisen zugleich. Bissigen Country-Twang? Ja gerne! Knochentrockene Surf-Hooks? Na, sowieso! Scharfer Aufriss mit Rock-Attitüde – mais oui! Selbst der Hals-Pickup, in der Regel ja der Spezi für die Engtanzabteilung, singt keineswegs mit sanft bedeckter Stimme. Er liefert knackig knorpelige Bässe, die im Akkord von klar definierten Mitten und schmissigen Höhen stimmig ergänzt werden. Ausgesprochen klare Saitentrennung sowieso, aber grundsätzlich ein Sound wie auf links gezogen. Im Rhythmusspiel kommt das sehr direkt rüber und verlangt, wie in allen anderen Schaltpositionen auch, nach Präzision im Anschlagsverhalten. Linienspiel stellt die Tonfolge wie Perlen auf Band gezogen heraus und ist geprägt von der perkussiven Umsetzung des offensiv herausgestellten Anschlags.

Speziell und gut: 50s Lipstick-Single-Coil-Pickups (Bild: Dieter Stork)

Gehen wir auf den Pickup an der Bridge, so verengt sich das Klangbild positionsbedingt ja immer deutlich, bei der Fifty Niner erscheint es mit dem Lipstick-Single-Coil aber nochmals zugespitzt. Damit kommen spitzig schmale, bei gehobenen Lautstärken dann besonders rasante Rasiermesser-Sounds ans Ohr, die dir locker das Trommelfell perforieren. In den Bässen knirscht es knochentrocken, als hätte man Sand zwischen den zusammengebissenen Zähnen und die bissigen Höhen sind so nur von Danelectro zu haben. Der eine mag sich die Ohren zuhalten, der andere sagt: wie geil ist das denn! Dieser Sound will auch gar nicht Everybody’s Darling sein, er sucht nach Entsprechung im Extremen. Der Ton ist leicht reizbar, reißt besonders schon in leichten Gain-Positionen kantig auf und steht immer weit vorn. Das ist ein krasser Ultra-Twang „straight into the face“, keine Frage!

Weit gespreizt und höchst präsent bietet dann auch die Kombi aus beiden Pickups noch eine unbedingt originelle Klangalternative mit viel Glas im Ton, die im Grunde mehr ist als die Summe ihrer Teile. Für manch einen wird das sogar der Danelectro-Sound überhaupt sein! Kraftvoll, glockenhell in einer durchaus eigenen Klangfarbe und spritzig abfedernd eignet sich dieser Sound für alle Anwendungen die nach viel hell strahlendem Licht verlangen.

Einen kleinen Schwachpunkt in der Elektrik kann man lediglich in der Tonblende sehen, deren Wirkungsgrad eher schmal ist.

RESÜMEE

Danelectro ist und bleibt speziell, aber speziell ist in diesem Fall gut, da klangfarblich originär. Die heutigen, behutsam aktualisierten Ausführungen aus gediegener koreanischer Fertigung sind gut spielbar (was bei den Originalen nicht immer der Fall war) und bieten immer noch diese sehr speziellen, aber höchst charaktervollen Sounds. Gutes Beispiel ist ‚Kashmir‘ von Led Zeppelin (schau ‚It Might Get Loud‘ auf YouTube). Selten werden diese Gitarren als Hauptinstrumente benutzt, eher sind sie etwas für den klangfarblichen Ausfallschritt. Die Fity Niner gibt dem Anwender auf jeden Fall einen zuckenden Blitz an die Hand, den zu schleudern wie Zeus vom Olymp ihm ungeteilte Aufmerksamkeit verschaffen sollte. Auch wenn wir die Trauben mal besser nicht ganz so hoch hängen, ist und bleibt Danelectro mit seinen unverwechselbaren Sounds mindestens der Spezialist für die Nische. Ein erschwingliches Werkzeug wie die Fifty Niner, heute technisch zeitgerecht modernisiert und damit bestens spiel- und nutzbar, hat seinen Platz im elektrischen Klanghimmel absolut verdient! ●

Plus

● modernisierter Evergreen
● Originalität
● Leichtbauweise
● Lipstick-Pickups
● Sounds
● Spielbarkeit
● Verarbeitung

Minus

● schwacher Wirkungsgrad der Tonblende


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2025)

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