Mit seiner (vermeintlichen Zweit-) Band Blind Ego hat der RPWL-Gitarrist Kalle Wallner vor kurzem sein neues Album ‚The Hunting Party‘ veröffentlicht. Wir haben ihn explizit dazu befragt und uns gleichzeitig für unsere Serie Top Gear Check sein bevorzugtes Equipment erklären lassen.
Interview
Kalle, mit welcher Prämisse hast du die Arbeiten an ‚The Hunting Party‘ begonnen, und wie eng an deinem ursprünglichen Ziel ist das Endergebnis?
Das Schöne ist, dass ich mich beim Schreiben ganz und gar in die Musik fallen lassen kann, ohne zunächst an Prämissen zu denken. Auch die Frage, ob sich ein Song besser für meine Hauptband RPWL oder für Blind Ego eignen könnte, ist für mich in dieser Phase völlig unerheblich.
Da ich permanent schreibe, halte ich die Ideen auch ständig fest und mache mir erst später dazu konkretere Gedanken. Bei ‚The Hunting Party‘ war allerdings alles anders: Ich habe das Pferd sozusagen von hinten aufgezäumt, zunächst die Texte geschrieben und erst anschließend die Musik komponiert.
Zugegeben, kein neuer Ansatz, nur für mich war dies eben Neuland, zumindest für ein komplettes Album. Dadurch war die Arbeit wesentlich fokussierter und unterschied sich dahingehend, dass die Essenz des Songs ständig im Mittelpunkt stand.
Was kannst du über die Gitarrensounds verraten?
Über die Jahre hat sich allerhand Equipment angesammelt, und bei einer solchen Produktion wird irgendwie fast alles benutzt, was rumsteht. Ich denke dabei oft in Sets, sprich: Diese Gitarre mit dem Amp, der Box, dem Mikrofon und dem Pre-Amp.
Bei den Amps und vor allem bei den verzerrten Sounds kam meistens ein alter Diezel VH4 im dritten Kanal zum Einsatz, mit einer sensationellen Nik Huber Dolphin II mit Palisanderhals. Gedoppelt wurde zumeist mit einem Mesa Rectifier. Ich benutze gern das 50-Watt-Topteil, da man es lauter aufreißen kann. Hier meistens eine Nik Huber Krautster II Goldtop oder eine Nik Huber Twangmeister.
Ab und zu habe ich auch einen Mesa/Boogie-Caliber-50-Combo für die Mitten benutzt, wenn es etwas griffiger sein sollte. Cleane Sounds mache ich überwiegend mit einem alten Fender Twin Reverb oder Blues DeVille. Hier kann man auch schon mal eine Strat hören, aber für Blind Ego mag ich eher Humbucker-Cleansounds.
Pickings dopple ich oft mit einer Taylor-Akustikgitarre, um ein noch breites Frequenzband zu bekommen. Für abgefahrene Sounds benutze ich häufig verschiedene Fuzz-Pedale z.B. Wampler oder einen alten Marshall- bzw. Orange-Amp. Die Solosounds sind dagegen ein Mesa Triaxis aus der ersten Generation mit einer Simul-395-Endstufe samt Mesa/Boogie-Box.
Als Sologitarre kann man hier entweder eine Nik Huber Orca 59, eine schwarze Nik Huber Dolphin II oder eine Tom Anderson Grand Am aus dem Jahr 1989 hören. Effekte mach ich meist später im Mix, außer spezielle Pedale wie ein altes Univibe, Whammy, manche Phaser, usw. Ab und zu erzeuge ich mit meinem alten TC2290 ein spezielles Delay, das ich aber auf extra Spuren aufnehme, um beim Mix flexibel zu sein. Meist nehme ich nur das pure Gitarren-/Amp-Signal auf.
Hier nun Kalle Wallners Gear-Empfehlungen:
NIK HUBER DOLPHIN II
(Bild: AlexeyTestov)
Nik Huber und ich haben uns 2008 über ein Musikermagazin kennengelernt, ich war sofort hin und weg von seinen Gitarren. Eine meiner beiden ersten ist die Dolphin II mit einer blau lackierten Ahorndecke. Das Besondere für mich ist der relativ dicke Hals, der komplett aus Brazilian Rosewood besteht und die Gitarre bei aller Luftigkeit extrem tight und fett klingen lässt. Sie ist für Blind Ego meistens erste Wahl, da sie trotz aller Energie immer sehr transparent klingt.
Das Finish ist atemberaubend, die Dots sind eingelassene Delphine und die Pickup-Rahmen der beiden Häussel-Tonabnehmer sind ebenfalls aus Palisander gefertigt. Ein Push/Push-Poti schaltet die Humbucker auf Single Coil und erweitert das Soundspektrum nochmals immens. Die Gitarre funktioniert mit HighGain-Stack genauso gut wie mit einem bluesigen Combo, sie hat einen eigenen Charakter und ist dennoch extrem vielseitig.
NIK HUBER ORCA 59
Genauso sollte eine Les Paul klingen und genauso sollte sie sich anfühlen! Ich habe schon viele gespielt und besitze auch eine 1968er Les Paul Custom, aber dennoch konnte es noch keine mit der Nik-Huber-Variante aufnehmen!
Das Finish, die Pickups, das Handling und die Optik sind zwar klassisch, aber dennoch setzt Nik hier noch eins drauf, sei es durch die wunderschönen Bindings oder die Holzauswahl. Der Body ist hollow, trotz ihres langen Sustains trägt die Gitarre noch unglaublich viel Transparenz und etwas „Perlendes“ in sich.
TOM ANDERSON PRO AM
Die Tom Anderson Pro Am war nach meinem billigen Einstiegsinstrument die erste richtige E-Gitarre, die ich mir 1989 mit siebzehn gekauft habe. Typisch 80er hat sie ein originales Floyd-Rose-Vibrato und außerdem drei Tom-Anderson-Humbucker.
Die Elektronik ist dabei sehr besonders: Jeder Pickup besitzt einen eigenen Schalter für Humbucker/off/Single Coil, dazu ein Schalter, der diese drei überbrückt und auf Bridge-Humbucker schaltet, was vor allem im Studio ein sensationelles Feature ist.
Vom Handling eine etwas kleinere Strat mit dünnem Ahornhals, extrem niedriger Saitenlage und einer tollen Bespielbarkeit. Im Studio ist sie meistens meine Hauptsologitarre, auch weil sie mit meinem Mesa/Boogie-Amp besonders gut harmoniert.
MESA BOOGIE TRIAXIS & SIMUL CLASS 395 POWERAMP
Das Herzstück meines riesigen 19“-Racks Ende der 80er / Anfang der 90er war neben einem Bob-Bradshaw-Switching-System der Triaxis-Preamp samt der passenden Endstufe von Mesa/Boogie. Der Triaxis war neben dem Soldano der erste voll speicherbare Röhren-Preamp und bot neben einer Vielzahl von Kanälen die Möglichkeit, die Einstellungen auf 128 Speicherplätzen abzuspeichern.
Die Stereo-Röhren-Endstufe 395 konnte sowohl zwischen Class A und Simul Class geschalten werden und war mit zwei Boogie-2×12“-Boxen die perfekte Kombination, die bei meiner Hauptband RPWL noch immer im Einsatz ist. Auch wenn ich mal Kemper benutze, greife ich auf die selbst geprofilten Sounds dieses Setups zurück. Es klingt zeitlos, man findet sowohl live als auch im Studio immer den richtigen Sound mit der optimalen Gain-Stufe.
DIEZEL VH4
Mein VH4 ist blau, trägt die Seriennummer 31 und ist immer erste Wahl, wenn es härter zur Sache geht. Im Laufe der Jahre hat Peter Diezel den Amp etliche Male umgebaut und modifiziert, aber trotzdem klingt er wie ein typischer Diezel: Aggressiv, super-tight, breites Frequenzspektrum und viel Sustain.
Durch seine Midi-Schaltung ist er noch immer up-todate und kann in jedes System leicht eingebunden werden. Obwohl meiner aus den 90ern stammt, klingt er modern und zeitlos. Ich habe auch die passende 4×12“ Box mit Greenback-25-Speakern, dieses System klingt einfach gnadenlos gut.
Der dritte Kanal ist mittlerweile der Distortion-Klassiker, den man auf vielen Alben hört, auch auf meinem aktuellen. Der vierte ist bei mir der Solokanal, hat Sustain ohne Ende und passt zu jedem modernen Rock- oder Metal-Song.
SAITEN
Bei Saiten verwende ich Ernie Ball 10-46 oder 10-54 für Standard-Tunings, je nach Gitarrentyp und wie fett es werden darf. Die dickeren sind vor allem für die Gitarren bestimmt, die ich des Öfteren auf Drop-D herunterstimme.
Bei den Gitarren, die ich nicht so häufig spiele und dementsprechend die Saiten weniger oft wechsle, bin ich mittlerweile eher auf Elixier-Nanoweb-Saiten in den gleichen Stärken gewechselt. Die halten einfach viel länger und klingen ebenfalls sehr gut.