Workshop
Americana: Wildwood Flower
von Martin Schmidt, Artikel aus dem Archiv

Nach dem Überkonzept der letzten Folge ist es mal wieder Zeit für einen Americana-Standard. Seit Anfang des Jahres habe ich eine monatliche Konzertreihe namens „Mr. Smith’s Guitar Club“ bei der ich im Duo mit verschiedenen Gitarristen spiele. Neben Stücken aus meinem Repertoire bringen die Gäste ebenfalls Vorschläge ein. Beim Gig mit Tilmann Höhn im Februar tauchte das Stück ‚Wildwood Flower‘ auf. Ich fand es so charmant, dass ich es seitdem immer wieder übe und versuche, es zu interpretieren.
DER SONG
Seinen Ursprung hat ‚Wildwood Flower‘ im Song ‚I’ll Twine ‚Mid the Ringlets‘, der 1860 von Joseph Philbrick Webster komponiert wurde. Das Stück wurde in den nächsten Jahrzehnten mit unterschiedlichen Texten in verschiedenen amerikanischen Regionen gespielt. 1928 nahm die Carter Family es unter dem Titel ‚Wildwood Flower‘ für das Victor-Label auf und machte den Song zum Country- und Bluegrass-Standard. Ein Blick in den Streamingservice zeigt Versionen von Künstlern wie Johnny Cash, June Carter Cash, Dolly Parton und Joan Baez. Sogar Mike Ness von Social Distortion und Jazz-Gitarrist Bill Frisell haben dem Song ihren Stempel aufgedrückt, ohne dessen Essenz aus den Augen zu verlieren.
CHORDS
In der Originalversion bestehen die Chord-Changes aus einer simplen I-V-Verbindung.
| C | C | G | C | C |
Etwas ungewöhnlich ist die fünftaktige Struktur, bei der am Ende ein zusätzlicher Takt der ersten Stufe eingeschoben ist. Bei der dritten Wiederholung fällt sie weg, wach bleiben ist also angesagt.
Auf Anregung meines Kollegen haben wir die Akkordverbindung etwas erweitert:
| C | C | G | C | C |
| C | C | G | C | C |
| C E7 | Am C7 | F | C |
| C | Em | F G | C | C |
In Beispiel 1 siehst du eine Rhythmusgitarre, die auf einem typischen Wechselbass-Pattern basiert.
Als Grundlage dienen typische Cowboy Chords in der ersten Lage. Für den G-Dur-Akkord verschiebe ich den offenen C-Akkord an den achten Bund, so dass sich in Kombination mit der leeren E-Saite ein G6-Akkord ergibt. Um dem fünftaktigen Akkordpattern etwas mehr Struktur zu verschaffen, habe ich am Ende einen Basslauf eingefügt, der auf der C-Dur-Tonleiter basiert.
THEMA
Die Melodie des Songs habe ich dir in zwei Varianten aufgeschrieben. In Beispiel 2 siehst du eine Single-Note-Variante im tiefen Register, die sehr leicht zu spielen ist. Schlage nahe an der Bridge an, um einen schönen Country-Twang zu erzeugen.
In Beispiel 3 habe ich das Thema eine Oktave nach oben verlegt und mit den Akkorden des Stückes kombiniert. Als Basis dienen Dreiklänge auf den Saitengruppen D-G-H und G-H-E. Je nach Melodieton verwende ich manchmal auch nur zwei Töne des Dreiklangs.
Im Takt 4 habe ich ein kurzes Country-Fill eingefügt, das auch am Ende des Stückes auftaucht. Bei den Akkorden Em, F und G am Ende lasse ich die Melodietöne zusammenklingen, was mit der verwendeten leeren E-Saite einen schönen „ringing sound“ ergibt. Mach dich mit den Akkorden und der Melodie von ‚Wildwood Flower‘ vertraut und denke schon mal über die Tonleitern nach, die man zum Solieren verwenden könnte. In der nächsten Folge zeige ich dir dann, wie ich diesen Standard solistisch angehe. ●
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)
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