Röstaromen von Ahorn und Pappel?

JET Guitars JS-480 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Die Zeiten, in denen man preiswert mit profan oder trivial gleichsetzen konnte, sind längst vorbei. Wenn man etwas genauer hinschaut, bekommt man heute für wenig Geld erstaunlich viel Gitarre geboten. Jet Guitars will genau das beweisen!

Das Sortiment umfasst zwölf Preiskategorien für E-Gitarren, die je nach Ausstattung von 219 bis 899 Euro reichen. Konzipiert werden die Jet-Modelle in Ljubljana, gefertigt in China.

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ROAST ME BABY ONE MORE TIME

Das allseits bekannte Design der Fender Stratocaster stand unübersehbar Pate bei der JS-480. Der gewohnt komfortabel gestaltete Contour Body ist bei diesem Modell aus gerösteter Pappel gefertigt. Was könnte besagte Röstung für den Gitarren-Body bedeuten? Nun, zumindest wird ihm durch Röstung Feuchtigkeit entzogen, was für Gewichtsminderung sorgen sollte.

Hm, ausgesprochen leicht ist die JS-480 deshalb jetzt zwar nicht ausgefallen, sie bewegt sich aber durchaus noch im angenehmen Bereich. Zu bemerken sind als spieltechnisch förderliche Aspekte nun unbedingt noch das hinten großzügig ausgekehlte untere Cutaway und der zum Hals hin weich abgeglichene vordere Korpusbereich.

Der bemerkenswert präzise in seine Korpustasche eingepasste und über vier Schrauben fest im Korpus verankerte einteilige Hals aus kanadischem Ahorn wurde ebenfalls einer Röstung unterzogen, was ihm eine markante Karamellfarbe verschaffte. Im Griffbrett aus Palisander mit 9,5″ Radius fanden 22 Medium Bünde Platz, deren Bundenden mit glatter Verrundung beeindrucken.

Punkteinlagen, die an die kittfarbenen Clay Dots von früh-60er-Strats erinnern, markieren die Lagen. Die wie üblich parallel herausgeführte Kopfplatte firmeneigener Variation ist mit in Reihe montierten Locking Tuners ausgestattet. Über einen sauber eingerichteten Sattel aus Knochen werden die Saiten mit 648-mm-Mensur zur Tremolo Bridge geleitet, einem Zweipunkt-System mit Einsteckarm, Alugussblock und Einzelreitern, die dank versenkter Madenschrauben über eine erfreulich ebenmäßige Oberfläche verfügen.

(Bild: Dieter Stork)

Die Elektrik der JS-480 will mit einer HSS-Pickup-Konfiguration modernen Ansprüchen gerecht werden. Verbaut sind auf einem dreilagigen Perloid Pickguard zwei cremefarbene Single Coils in Hals- und Mittelposition und ein AlNiCo5-Humbucker ohne Kappe am Steg. Angewählt und kombiniert werden die Tonabnehmer in bekannter Manier mit einem 5-Wege-Schalter.

Zur Kontrolle stehen dann noch zwei generelle Regler für Volume und Tone zur Verfügung. Der im Verhältnis zum Vorbildmodell (drei Potis) freigewordene Platz ermöglicht es, den Summenregler etwas mehr nach außen, weg vom Pickup zu versetzen. Die Buchse ist im Übrigen auf der Zarge hinten unten zu finden.

Alle Arbeiten an der mit goldener Hardware ausgestatteten JET sind makellos ausgeführt, hervorzuheben besonders die samtige Versiegelung des Halses und eine lobenswert gut gemachte Bundierung. Auch beim Setup mit flach eingestellter Saitenlage gibt es keine Klagen.

(Bild: Dieter Stork)

ALL THAT GLITTERS IS GOLD?

Here we go: Die JET JS-480 bietet den bekannten Komfort dieses Gitarrentyps, was Anlage und Ausrichtung angeht. Das Gewicht liegt bei 3,4 kg und damit im durchaus angenehmen Bereich für einen Strat-Typen. Was bleibt, ist immer die Frage nach dem Halsprofil, nach den haptischen Eigenschaften.

Von der Formgebung hat man sich am beliebten mittelstarken ‚Modern C’-Profil orientiert, das durch eine samtig griffige Versiegelung und nicht zuletzt die wunderbar gratfrei verarbeitete und glänzend polierte Medium-Jumbo-Bundierung nochmals aufgewertet wird. Dieser Hals spielt sich fast schon von allein und die glatten Oberfläche der Saitenreiter auf der Bridge tragen ihr Übriges zu einer äußerst angenehmen Spielbarkeit bei.

Das akustische Vermögen der JS-480 ist geprägt von guter harmonischer Geschlossenheit im Akkord bei sauberer Saitentrennung und gutem Schwingverhalten. Aber was kann sie elektrisch?

Die Pickups in HSS-Konfiguration vermitteln uns eine gute klangliche Flexibilität, reichen von klassischen Strat-Sounds mit „in between”-Knopflerei bis hin zur Option auf mehr Fett im instrumentalen Lead-Gesang. Hals- und Mittel-Pickup stehen für die traditionelle Klangauslegung und sie machen ihre Sache gut.

(Bild: Dieter Stork)

Der Single Coil am Hals ist von seiner kehligen Attitüde und Tonfarbe her sogar besser als erwartet. Knackig perkussiv setzt er um, überzeugt im Klarklang mit substanzreichem Ton und gefällt noch besser in Gain Settings. Da lassen sich mit rauer Hohlkehle und erfreulicher Offenheit leicht Assoziationen irgendwo zwischen Stevie Ray und Eric Gales wachrufen.

Dem guten Eindruck stellt sich der Kollege in der Mittelposition beherzt zur Seite. Über ihn tönt es positionsbedingt natürlich heller und schlanker, auch ist etwas mehr Crisp im Spiel, aber gut macht auch er seinen Job allemal.

Der dynamisch leicht vorspringende Humbucker am Steg sorgt dann ohne Frage für das angezielte Ergebnis: mehr mittenorientierte Substanz im Sinne einer schlagkräftigen Tonverdichtung. Anstelle eines schneidenden Single Coils in dieser Position gibt uns der Doppelspuler neben gut aufgelösten kompakten Akkorden bei klaren Einstellungen vor allem griffige Lead Sounds im Overdrive an die Hand.

Mit immer noch leicht kehligem Aspekt im Ton wird der Anschlag knackig umgesetzt, Bassquinten kommen konturstark ans Ohr. Linien öffnen sich mit klarer Definition, gehen leicht von der Hand und gehaltene Noten strecken sich lang ins obertonsatte Sustain. Die Frage ist jetzt nicht, ob das nicht auch besser ginge. Natürlich bleibt da noch Luft nach oben. Dennoch ist die gebotene Qualität erstaunlich, ruft man sich das Preisniveau in Erinnerung in dem wir uns hier bewegen.

Die erste Zwischenposition (Hals/Mitte) zeigt ein ausgekämmtes Klangbild, leicht spirrig, aber im Grunde wie erwartet und nützlich. Bei der Mischung von Mittel- und Steg-Pickup hören wir dann aber einen eher bedeckten Ton, wie durch Finger gesprochen. In der Abteilung Clean ist der Einsatzpunkt deshalb fraglich, aber im Gain-Modus hat das dann wieder einen merkwürdig von innen nach außen durchdrückenden Sound, der zumindest von obskurem Reiz ist.

Das 2-Punkt Tremolo funktioniert bei maßvollem Gebrauch gut, stärkere Modulationen sorgen allerdings für leichte Verstimmungen der beiden hohen Saiten. Der Sattel könnte da etwas präziser gekerbt sein. Nun ja – wenn’s mehr nicht ist …

Noch eine Bemerkung zur Regelmimik: der etwa 2 Zentimeter nach außen versetzte Volume-Regler wird manchem Spieler entgegenkommen. Jan Akkerman etwa erzählte mir einmal, dass er die Stratocaster nicht gerne spiele, da ihm der Potiknopf vorn am Steg-Pickup bei seiner Anschlagstechnik im Weg sei. Das Problem hat man bei der JET nicht und dennoch lässt sich Kontrolle mit dem kleinen Finger der rechten Hand (Violining) bestens ausüben.

 

RESÜMEE

Was wir schon bei vorausgehenden Tests beobachten konnten, wird von diesem JET-Modell erneut bestätigt: JET Guitars bietet zu günstigen Preisen einfach erfreulich gute Instrumente und das offenbar in verlässlicher Kontinuität! Demgemäß überzeugt auch die gut durchdachte JS-480 auf ganzer Linie, erfreut neben professionellem Blick für spieltechnisch förderliche Details mit achtbarem Materialeinsatz und makelloser Verarbeitung.

Vor allem bietet sie dank mehr als ordentlich klingender Pickups in HSS-Konfiguration bemerkenswert profunde Sounds und spielen lässt sie sich dann auch noch leicht und lässig. Das Paket kann sich also wirklich sehen lassen, Preis und Leistung stehen ohne Frage in einem hervorragendem Verhältnis zueinander.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2025)

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