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Blues Bootcamp: Joe Bonamassa

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(Bild: Marty Moffatt)

Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Na, was geht ab bei euch? Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dem Solo und den Konzepten der letzten Episode zum Thema Larry Carlton und seinem „Super Arpeggio”.

Ursprünglich hatte ich mir ja fest vorgenommen, in dieser Serie auf gar keinen Fall Episoden „Im Stile von …” zu schreiben. Das habe ich ja in Büchern wie ‚Blues Guitar Rules’ oder ‚Masters Of Rock’ früher ausführlich getan. Heutzutage ist dies oft leider recht undankbar, da doch immer irgendein Larry daherkommt und was zu meckern und zu klugscheißern hat.

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Während der letzten drei Jahre unserer gemeinsamen Blues-Bootcamp-Zeit haben mich allerdings doch recht regelmäßig Nachrichten mit Bitten à la „kannst Du nicht auch mal was über Gitarrist X oder Y schreiben? Oder mal über etwas rockigeres?” erreicht. Okay … warum eigentlich nicht? Klar, in einem Buchkapitel kann man natürlich sehr viel deeper gehen als in einer Kolumne, aber hey … let’s do it!

Wenn es in den letzten Jahren einen absoluten Superstar am Blues-Rock-Himmel gibt, ist es ganz sicher Joe Bonamassa. Er ist momentan unbestritten mit großem Abstand der erfolgreichste Künstler in diesem Genre, aber auch gleichermaßen kontrovers gesehen und umstritten.

Einerseits: Ganz bestimmt ist JoeBo „the hardest working man in the Blues business”. Seit Jahren 100+ ausverkaufte Shows pro Jahr, eigene Konzertagentur, dutzende Alben seit seinem Debut im Jahr 2000, eigenes Label, eigene Podcasts plus eine gefühlte Dauerpräsenz auf allen Kanälen in den sozialen Medien. Nach der Lücke, die Stevie Ray Vaughan, B.B. King und Gary Moore hinterlassen haben, ist er sicherlich auch derjenige, der das Thema Blues und Blues Rock zurück in den Mainstream der Ü40-Generation gebracht hat.

Andererseits ist Joe Bonamassa für viele Gitarristen interessanterweise der Inbegriff von emotionslosem Pentatonik-Gedudel, ohne jedes Bluesfeeling, gepaart mit einer unerträglichen Gesangsstimme und schwachen, klischeebehafteten Songs. Interessant oder?

Auf biografische Details verzichte ich an dieser Stelle aus Platzgründen und verweise mal auf die 90minütige Doku ‚Guitar Man’ oder das ausführliche Interview mit ihm auf Rick Beatos YouTube-Channel. Beides absolut sehenswert.

PERSÖNLICHE EINFLÜSSE

Nach erfolglosen Versuchen mit dem Instrument Trompete, wechselt JB als Kind zur Gitarre und wird schon im frühen Teenageralter zu einer Art Wunderkind der Bluesgitarre. Laut eigenen Angaben sind seine vorrangigen Einflüsse zunächst Musiker wie Stevie Ray Vaughan, Gary Moore und Danny Gatton. Später gesellen sich Gitarristen wie Al DiMeola, Paul Kossoff, Eric Clapton und Eric Johnson dazu.

Er gibt an, nie Songs und Solos Note für Note von all diesen Künstlern gelernt zu haben, sondern stattdessen den generellen Ausdruck, das Feeling und den Stil von ihnen adaptiert zu haben. Das kann man bei den zahlreichen Veröffentlichungen recht gut nachvollziehen, von vielen Kritikern wird das gerne als das Fehlen von jeglicher Originalität bezeichnet.

Meine Wahrnehmung ist, dass JB jenseits seines Hauptacts im Anzug, mit Sonnenbrille und zurückgekämmten Haaren, über eine für mich überraschende stilistische Bandbreite verfügt. Ich mag sowas ja. Wollte man den aktuellen JoeBo-Style mit groben Kategorien beschreiben, sind SRV und Gary in den letzten Jahren eigentlich weitgehend verschwunden und man hört seit einiger Zeit eher eine Mixtur aus den beiden Erics – Clapton und Johnson.

Vor allen Dingen das etwas durigere Blues-Spiel und der Sound Eric Claptons zu Zeiten des John-Mayall-&-The-Blues-Breakers-Beano-Albums haben es Joe B. sehr angetan. Info zu diesem Thema findest du übrigens in G&B-Ausgabe 12/2022 („Die Sache mit dem Umschaltspiel”).

EQUIPMENT UND SOUND

Außerhalb seiner Bühnenzeit im Blues-Weltstar-Ornat (und natürlich mit dem damit verbundenen Zeitaufwand, eine Blues-Superstar-Karriere am Laufen zu halten) liegt das Hauptaugenmerk und Interesse Joe Bonamassas darauf, ausgesuchtes Vintage-Equipment vorzugsweise in perfekt erhaltenen Originalzustand zu sammeln und für die interessierte Welt zu bewahren. Das ist seine „Nebentätigkeit”, für die er aber wirklich brennt.

Meines aktuellen Wissens nach, besitzt er momentan acht (!) Dumble Amps und mehr als ein Dutzend Bursts. Dazu noch hunderte alte Fender Amps … Uff! Noch Fragen? Angenehmerweise nimmt er einen ausgesuchten Teil seiner Sammlung mit auf Tour, damit interessierte Hörer auch mal in den Genuss von ultrararem Equipment kommen können.

Ich habe JB in den letzten Jahren einige Male live gesehen. Die Eckdaten seines Materials, also Amps, Pedale etc., waren immer variabel, aber eine Konstante war stets da – eine unfassbare Bühnenlautstärke. Das ist einfach seine Philosophie und nur mit Sound Shields vor der Amp-Wand zu ertragen: Amps bis an die Belastungsgrenze aufzudrehen, ohne zu viel Gain oder Kompression im Sound und dafür ein deutliches Vorhandensein von Mittenfrequenzen und SEHR viel Headroom. Kein Wunder bei dieser Lautstärke.

Dazu nur sehr wenige andere Effekte wie Delay oder mal eine Spur Hall. Um es mal mit nachvollziehbaren Parametern zu sagen – vom Basissound eher Team Tube Screamer als Team DS-1. Und den Rest dann über die Gitarren-Potis regeln. Sein Focus liegt dabei sehr deutlich darauf, den individuellen Klang seiner Gitarren darzustellen und weniger den Sound einer Pedal/Amp-Kombination.

Eigenen Angaben zufolge sind die für ihn essentiellen Geräte eine Tele mit einem Humbucker am Hals, ein Tube Screamer und ein Fender Twin. Natürlich alles brüllend laut. Geht mit einem Princeton aber auch in Lautstärke unterhalb der Grenze zur Körperverletzung. Just saying ….

Seine intensive Zusammenarbeit mit den Topmarken der Industrie hat übrigens eine weite Palette an Produkten hervorgebracht, die seinen Namen tragen. Gitarren, Amps, Pedale, Zubehör … das ganze Programm, und für jeden Fan-Geldbeutel ist etwas dabei.

CHARAKTERISTISCHE STILELEMENTE

Von den vielen unterschiedlichen Elementen und Einflüssen in Bonamassas Gitarrenstil möchte ich an dieser Stelle auf zwei etwas genauer eingehen, die eine Möglichkeit bieten, das eigene Spiel zu verändern.

DER ERIC CLAPTON EFFEKT

Neben dem zuvor angesprochenen Einsatz der Dur-Pentatonik ist folgende Idee bei JoeBo gut nachzuvollziehen: Jeder kennt dieses Gefühl – Man hat sich mühselig etwas rausgehört oder drauf geschafft, aber trotzdem klingt es im Original noch irgendwie etwas anders als bei einem selbst.

In Beispiel 1 findest du ein populäres Blues-Rock-Lick im Stil von Eric Clapton über einen E7-Akkord. In jeder Variante dieses Licks spiele ich die Töne dieser Phrase eine Saite tiefer. Je höher man auf dem Griffbrett spielt und die tieferen Saiten benutzt, desto wärmer und voller wird der Sound.

Variante a) klingt sehr hell und schon fast etwas schneidend. Variante b) ist ein ausgewogener Basisklang, während Variante c) deutlich süßer und holziger klingt. Dies ist ein wahnsinnig effektives und interessantes Konzept. Man findet es oft bei Clapton (und anderen). Es hilft den Sound zu finden, den man am attraktivsten findet oder in dem die Gitarre am besten klingt.

Es kommt bei Blues halt oft nicht darauf an, was man spielt, sondern wie (bzw. in diesem Fall wo). Außerdem lernt man dadurch auch das Griffbrett sortiert nach Ideen besser kennen und ist nicht darauf angewiesen, auf das Spielen von Ideen zu verzichten, nur weil man sich vielleicht gerade in der falschen Region des Halses befindet. Dies funktioniert natürlich nicht nur mit dieser Blues-Phrase, sondern auch mit jeder anderen Idee. Do it.

JOE BONAMASSAS ERIC-JOHNSON-RIP-OFF LINES

JoeBo gesteht bei so ziemlich jeder Gelegenheit, die sich ihm bietet, dass er die ganz schnellen Abwärtsläufe mit der Pentatoniktonleiter, die ein beliebtes und beeindruckendes Element seines Stils sind, schlicht und ergreifend von Eric Johnson gekla…. äh, langfristig ausgeborgt hat.

Dabei handelt es sich um verschiedene Tonleitersequenzen mit der Pentatonik, genau genommen um Variationen von Vierer-, Fünfer und Sechsergruppen, die sich Eric Johnson seinerseits wiederum bei John McLaughlin geliehen hat. In Beispiel 2 findest du Vierergruppen abwärts als Sechzehntelnoten gespielt. Alle Beispiele sind diesmal übrigens in E, einer von JB oft benutzten Tonart. Diese melodische Struktur ist sehr populär und dir bestimmt auch nicht unbekannt.

In Beispiel 3 findest du das gleiche Konzept, diesmal nur mit fünf Tönen, also als Fünfergruppe. Fühlt sich ein bisschen gewöhnungsbedürftig an, oder? In Beispiel 4 sind es Sechsergruppen, die wieder etwas vertrauter sein dürften.

Diese Ideen werden nun auf zwei Arten modifiziert: Schritt 1 ist, keine Quintolen oder Sechstolen zu spielen, sondern alles in Sechzehntelnoten. Dadurch verschiebt sich der Startpunkt der Sequenz rhythmisch gesehen immer etwas. In einem weiteren Schritt wird die Sequenz nicht mehr auf jedem Ton der Tonleiter gestartet, sondern nur auf jedem zweiten.

In Beispiel 5 findest du die modifizierte Fünfergruppe und in Beispiel 6 die modifizierte Sechsergruppe. Aus diesen beiden Sequenzen und den normalen Vierergruppen setzen sich die rasanten Läufe von Eric Johnson und Joe Bonamassa zusammen.

Joe Bonamassa verfügt laut eigenen Aussagen über gar keine Legato-Fähigkeiten, weshalb er immer jeden Ton mit Wechselschlag anschlagen müsse. Im Gegensatz dazu baut Eric Johnson beim Saitenwechsel aufwärts immer einen kleinen Mini-Sweep ein (siehe Beispiel 7). Und ich? Pull-offs wo immer ich kann … Ha ha! (Beispiel 8) Muss halt jeder selber wissen …

In Beispiel 9 findest du einen typischen, langen Pentatonik-Lauf im Stil von Eric Johnson/Joe Bonamassa. Interessant ist die hinzugefügte Farbnote F#. Viel Erfolg und unbedingt auf die etwas ungewöhnlichen Lagenwechsel achten!

WAS KANN MAN VON JOE BONAMASSA LERNEN?

In Beispiel 11 findest du wie gewohnt ein Solo. Diesmal in E und über einen Riff-Vamp und ohne Akkordwechsel (Beispiel 10). Viele der langen, intensiven Livesolos von Joe Bonamassa basieren auf solchen Vamps. Das Solo ist nicht ohne. Es ist das bislang vielleicht anspruchsvollste vom BBC und es enthält viele typische Elemente und Lines von Joe (und Eric J.)

Hier ist wie gehabt eine kurze Analyse:

  • Takt 1: Ein witziges Double-Stop-Lick: Die H-Saite wird leicht angezogen, die A-Saite NICHT!
  • Takt 2: Fünfer-Gruppe, aber diesmal aufwärts
  • Takt 3: ein typisches Repeating-Pattern im Bonamassa Style
  • Takt 4: eine sehr typische Endung im Stil von Eric Johnson
  • Takt 5 – 7: der Lauf aus Beispiel 9 mit einer Endung im Stil von Eric J.
  • Takt 8: E-Mollpentatonik mit hinzugefügter None (F#)

Bleibt die Frage, welche anderen Grundkonzepte Bonamassas man vielleicht schnell und untheoretisch adaptieren kann, um sein Spiel zu verbessern.

Während des letzten Konzertes kürzlich in Oberhausen waren fast alle Gitarrensolos sehr gut nachvollziehbar in zweitaktige Phrasen eingeteilt. Das war so klar strukturiert, dass die Teilnehmer meiner Musikschulklassenfahrt mich hinterher sogar darauf angesprochen haben.

Die Rhythmik der Licks und Phrasen war so eindeutig, nachvollziehbar und präzise, dass man sie selbst in den oberen Rängen einer 6000er Halle nachvollziehen konnte. Also kein Gemurmel, sondern Klartext. Durch diese Eindeutigkeit schafft es Joe B. selbst in großen Hallen, seinen Punkt rüberzubringen und sein Publikum zu erreichen und zu begeistern.

Man hat ja immer die Möglichkeit, belanglos zu spielen bzw. so, als ob es einem nichts bedeutet oder dass es einem egal ist wie es klingt. Das ist leicht. Wirklich. Oder man lässt das einfach und gibt alles. Immer. Bei jeder Note. Den lauten wie den leisen.

Es gab nicht einen Moment in diesem zweistündigen Konzert, in dem man den Eindruck hätte haben können, dass Bonamassa etwas einfach nur so daher spielt. Immer fokussiert und immer bedacht seine besten Noten zu spielen. Das fand ich ehrlich gesagt wieder mal beeindruckend.

So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2025)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schöner und interessanter Artikel. Danke. Was seine musikalischen Wurzeln anbetrifft, ist eine Reduzierung auf EC, SRV und EJ allerdings ein bisschen sehr eng gefasst. Zumal keiner hauptsächlich Les Paul spielt. (ja, EC bei Cream) Er selbst nennt ja doch auch noch andere Einflüsse, vor allem auch zum Composing nicht zuletzt Led Zeppelin (besonders rhythmisch und die Riffs), Free, Gallagher und viele ältere Blues- und Rockgrößen. Genau in diesem besonderen musikalischem Konglomerat zusammen mit moderneren Arrangements ist seine Einzigartigkeit zu sehen. Gut, der Fokus lag auf dem Solospiel aber Songs wie Sloe Gin, HKJ Henry oder auch Dust Bowl (90% E mit etwas Gilmour) und Different Shades of Blue muss man auch erst mal schreiben und so auf den Punkt bringen. Ich teile seinen Geschmack. But well done, man. Ich werde das mit meinen krummen Fingern wohl nicht mehr hinbekommen. Nachspielen was andere machen war auch noch nie so mein Ding. Aber wer weiß? Probieren geht….

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