
Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Na, was geht ab bei euch? Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dem Solo und den Konzepten der letzten Episode zum Thema Melodisch Moll. Diesmal kümmern wir uns um weitere alterierte Sounds mit und ohne Melodisch Moll. Erinnert ihr euch noch an den kurzen Blick in meine Jugend in der Ausgabe 01/2025? Das „God Like Guitar Tape“ mit Holdsworth, Gomez, Morse und Carlton? Um letzteren wird es am Rande dieser Episode etwas gehen.
LARRY CARLTON – MR. 335
Larry Carlton ist ja bekanntermaßen seit den 1970er-Jahren einer der Hauptdarsteller des West Coast Fusion. Dieser Mix aus Funk und Latin Grooves, jazzigen Harmonien und Gitarren-Parts, die Elemente und Sounds aus Blues, Rock und Jazz miteinander vereinten. Dieser Style-Mix war damals ein enormer Impuls in die Gitarrenszene, den man noch heute spürt, und der auch Gitarristen wie Robben Ford und Lee Ritenour hervorgebracht hat.
Die Equipment-Kombination aus einer ES 335, einem Volume Pedal und einem Fender Deluxe oder Boogie, sowie die Verschmelzung der oben genannten stilistischen Elemente waren DER Industriestandard für viele Jahre. Larry Carltons stets geschmackvolle Gitarrenarbeit findet sich in vielen Situationen wieder: in zahlreichen Fernsehserien wie Magnum P.I., Detektiv Rockford, Hill Street Blues, bei Bands wie u.a. The Crusaders oder Steely Dan, und natürlich nicht zuletzt auf seinen zahlreichen Soloalben.
Am allerbesten hat mir jedoch schon immer sein elegantes Blues-Spiel gefallen, das für meinen persönlichen Geschmack auf vielen seiner Alben immer ein bisschen zu kurz kam. Umso größer war dann meine Freude, als er 2004 mit ‚Sapphire Blue‘ dann endlich ein richtiges Blues-Album veröffentlichte. Das ist eines meiner absoluten Lieblings-Alben von Larry Carlton und vom Blues allgemein. Ich habe mal eine Spotify-Playliste mit einigen prima Carlton-Stücken zusammengestellt – @Gitarrenpeter bei Spotify.
Enjoy! Alterierte Klänge sind (nicht nur im Blues) erstmal recht gewöhnungsbedürftig. Man muss das innere Ohr einfach Schritt für Schritt an diese Sounds gewöhnen. Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass ich in den letzten 30+ Episoden dieser Kolumne eigentlich recht wenig auf die sogenannte Akkord-Skalentheorie eingestiegen bin und eigentlich recht wenig über Tonleitern gesprochen habe. Das war bislang auch noch nicht so sehr nötig, weil es besonders für den Blues durchaus effektivere Tools zum Improvisieren gibt,
um die wir uns ja auch schon intensiv gekümmert haben. Diesmal müssen wir allerdings mal etwas in das Thema Tonleitern einsteigen. Geht leider nicht anders. Die erste Frage lautet daher: welche Tonleitern könnte man über einen Dom7-Akkord spielen? In Beispiel 2 findest du die erste Gruppe an Möglichkeiten:
• Die Dominant-Pentatonik
• Die mixolydische Tonleiter
• Die BeBop-Skala
• Die Mixo#11-Tonleiter
THIS IS HOW YOU DO IT
Hier ist eine Strategie zum Üben dieser Tonleitern:
• Schritt 1: Du legst dir den Akkord vor – in diesem Fall A7
• Schritt 2: Du spielst ein A7-Arpeggio aufwärts
• Schritt 3: Du spielst die jeweilige Tonleiter abwärts
Das ist eine gute Herangehensweise, um zuerst den Akkordklang zu vertiefen und dann – quasi als Antwort dazu – die Skala kennenzulernen. Mit diesem Ablauf kann man den Sound der Tonleiter im Bezug zum Akkord sehr gut kennenlernen. Hast du das Gefühl, dass die Tonleitern trotzdem etwas unbluesig klingen? Versuch es mal hiermit: Man kann sein (Blues-)Solospiel mit zwei kleinen Anpassungen sehr leicht verändern und meiner Meinung nach verbessern: Niemals wieder kleine Terzen (im Bezug zu einem Akkord) normal spielen, sondern immer ein Vierteltönchen anziehen.
Trick 2: niemals wieder eine große Terz „alleine“ spielen, sondern sie immer mit einer kleinen Terz (genau genommen ist diese Note in diesem Fall eine #9) garnieren. Dies kann mit einem kurzen Vorschlag, in Form eines Hammer-Ons oder schnellen Slides passieren. Oder man kann diese vorangestellte Note auch rhythmisch richtig ausspielen.
In Beispiel 1 habe ich das mal mit einem A7-Arpeggio gemacht. Ich finde, das macht einen riesigen Unterschied aus, und ich mache das eigentlich IMMER. Außerdem habe ich Saitenziehen mit eingebaut. Nein, Arpeggien sind NICHT allergisch dagegen!
Um das Notenbild etwas ruhiger zu gestalten, habe ich auf diese Strategie in Beispiel 2 verzichtet, was du beim Spielen allerdings nicht tun solltest. Dafür habe ich bei den abwärts gespielten Tonleitern wieder diese Zusatznote eingefügt – jedenfalls dort, wo ich den Sound befürworte. Diese Skalen funktionieren eigentlich sehr gut über jede Art von nicht alterierten Dom7-Akkorden, egal ob sie sich in irgendeinen Tonika-Akkord auflösen oder nicht. Ihr Klang dürfte dir schon einigermaßen bekannt sein.

In Beispiel 3 findest du den gleichen Vorgang mit verschiedenen Tonleitern, die alterierte Klänge enthalten:
• Die Blues-Tonleiter
• Die Phrygisch-Dominant-Skala (5. Modus von Harmonisch Moll)
• Die Dominant-Diminished-Tonleiter (Halbton-Ganzton-Skala)
• Die Alterierte Skala (7. Modus von Melodisch Moll)

Moment mal – was macht denn die Blues-Skala in diesem Klub? Wenn man es mal sehr genau nehmen würde, ist die Blues-Tonleiter eigentlich die falsche Wahl für einen Dom7-Akkord. Warum? Im Akkord befindet sich eine große Terz (C#) und in der Tonleiter eine kleine Terz (C). EIGENTLICH ist dieser Ton aber gar nicht der Ton C sondern ein H#, was ihn zur #9 vom Grundton A macht. So denkt natürlich niemand. Das ist auch gut so.
Zusammen mit der Blue-Note Eb enthält diese Skala also direkt zwei Alterationen (b5 und #9). Warum spielt man dann diese Tonleiter fast automatisch über einen Dom7 im Blues? In fast 100 Jahren Blues-Geschichte haben wir uns einfach total an diesen „falschen“ Sound gewöhnt und nehmen ihn als ganz normal wahr. Er fühlt sich absolut richtig und echt an. Gut so. Er ist einfach ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Blues.
Diese Klänge funktionieren erstmal am besten über funktionale Dom7-Akkorde, also diejenigen, die sich auf einen Tonika-Akkord auflösen. Aber so geile Typen wie Oz Noy, John Scofield und Co. benutzen sie auch in anderen Momenten. Also z.B. wenn man einfach nur mal über einen Dom7-Vamp jammt. Klingt spannend. Auf einige der Tonleitern bin ich schon mal in früheren Episoden näher eingegangen. Einfach nochmal nachlesen. Zurück zu Larry Carlton:
Er spielt im Kontrast zu normalen Blues-Licks sehr gerne mit Dreiklängen und alterierten Ideen. Im Solo für diese Episode passiert diesmal Folgendes:
• Takt 1 und 2: Emj7-Arpeggio über A7 gibt einen schönen Mixo#11- Sound
• Takt 3: Typisch Carlton, D- und H-Dur-Dreiklänge über A7
• Takt 4: A7-Arpeggio aufwärts, A-Alteriert abwärts
• Takt 5 und 6: der übermäßige Dreiklang in C gibt einen schönen D-Mixo#11-Sound
• Takt 7 und 8: A-Dur-Pentatonik. Blues!
• Takt 9: zusammen mit dem Auftakt in Takt 8 E-Mixo#11 (H Melo-Moll)
• Takt 10: Cmaj#5-Arpeggio und D-Dur-Dreiklang – D-Mixo#11- Sound!
• Takt 11: A-Dur-Pentatonik. Blues.
• Takt 12: E-Alteriert (F-Melodisch-Moll) „Cry me a river“-Lick in F.
So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.
(erschienen in Gitarre & Bass 04/2025)