Vom Underground zur Profikarriere

Indie Made In Germany (Teil 2): Selig, Kettcar, Isolation Berlin

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Indie Special

Der Weg zum Gitarrenheld ist hart. Unzählige Skalen und Akkorde müssen geübt, tausende Licks und Stile erlernt und Berge von Pedalen, Amps und Gitarren ausprobiert werden, um dann am Ende komplizierte Musik zu spielen, die wahrscheinlich nur einen Bruchteil der musikhörenden Menschheit interessiert. Aber ist das wirklich der einzige Weg zum leidenschaftlichen Gitarrenspiel? Hier kommt Teil 2 unseres Indie-Specials!

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Christian Neander – Selig

(Bild: Martin Schmidt)

Christian Neander ist Gitarrist und Haupt-Songwriter von Selig, die zu ihren Hochzeiten in den 90ern als deutsche Grunge-Combo bezeichnet wurden. Der Hendrix-Fan arbeitet außerdem als Komponist für viele deutsche Künstler, wie Mark Forster und Christina Stürmer und betreibt sein eigenes Studio, die Fuzz Factory, in Berlin Kreuzberg.

Einflüsse

Gib doch mal einen Kurzabriss deines musikalischen Werdegangs…

Ich bin in Dortmund aufgewachsen. Mein Vater hat mich mit Sixties/Seventies-Musik zugedröhnt. Mit 15 habe ich etwas auf der Akustik-Gitarre rumgeklampft. Mit 16 hat mir der Freund meiner Mutter, der Flamenco-Musiker und Tanzmucker war, eine alte Guild-Halbakustik geliehen und dann war es um mich geschehen.

Hattest du Unterricht?

Etwas klassische Gitarre und später ein halbes Jahr Jazz-Unterricht, aber ich bin nicht wirklich klargekommen. Was ich noch gemacht habe, waren drei Wochen Popkurs in Hamburg bei Peter Weihe. Der hat bei mir ganz viele Knackpunkte gelöst.

Hattest du einen Gitarrenheld?

Ja. Ich hatte eine Steve-Vai-Phase zu Zeiten von ,Flexable‘ und bei David Lee Roth fand ich ihn auch tierisch. Aber danach wurde er fürchterlich, dieses Gepose kann ich mir nicht angucken.

Wie stehst du zum Thema Guitar-Heroes und Virtuosität?

Am Anfang fand ich das wahnsinnig interessant, wollte der weltbeste Gitarrist werden und alles spielen. Dann habe ich aber gemerkt, dass es total uninteressant ist, weil ich Songs geschrieben habe. Klar spiele ich gern wilde Soli, aber hauptsächlich versuche ich dem Song gerechtzuwerden.

Vor Selig hatte ich eine Band, bei der ich ein Multi Setup, das über MIDI geschaltet wurde, hatte. Aber dann habe ich entschieden: nur noch ein Vox, ein Zerrpedal und eine Gitarre. Und das war der wichtigste Schritt in meinem Leben, um einen eigenen Sound zu finden.

Zwei Vox AC 3 (Bild: Martin Schmidt)

Songwriter

Neben Selig arbeitest du als Songwriter für andere Künstler. Wie ist da dein Arbeitsprozess?

Das ist ganz unterschiedlich. Am schönsten ist es, wenn der Künstler dabei ist. Meistens habe ich eine E-Gitarre in der Hand und man unterhält sich über das, was dem Künstler wichtig ist und während das passiert, daddle ich unhörbar.

Dadurch nimmt man die Schwingung auf und hat irgendwann eine Idee. Ich schreibe am liebsten in Teams, oft ist noch ein Texter dabei und von mir kommen eher die Harmonien und Melodien.

Wie kamst du dazu?

In der ersten Selig-Phase habe ich ganz viele Angebote gekriegt, Songs für andere zu schreiben. Die habe ich aber alle abgelehnt. Nach Selig hat mich Franz Plasa, unser alter Produzent, gefragt, ob ich für eine junge Band Songs schreiben möchte. Das war Echt und das war der sehr erfolgreiche Einstieg.

Selig

Die neue Selig-Platte ist deutlich gitarrenlastiger. Absicht oder Zufall?

Das hat sich so ergeben. Wir sind nach Schweden gefahren, um Songs zu schreiben und rudimentär aufzunehmen. Die Signale dort waren schon echt hardcore, irrsinnige Übersprechungen und direkt in die Audiokarte eingespielt, aber Michael Ilbert, der auch The Hives gemischt hat, hat das sehr schön gemacht.

Ihr habt also die ganze Platte dort aufgenommen?

Komplett. Ich habe noch ein, zwei Overdubs gemacht. Die Gitarren klangen tierisch gut, VOX, SM57 und fast alles mit der Tele.

Fender Broadcaster
Claim Heavy-Strat
65er Strat
Gibson Akustik

Wie nimmst du in deinem Studio Gitarren auf?

Oft mit einem SM57. Da weiß ich mittlerweile, wo es gut klingt. Gut finde ich auch die Royer Bändchenmikrofone. Oft lassen wir auch zwei oder drei Amps gleichzeitig laufen, dass du den Attack vom Vox und den Bratz eines Marshalls kombinierst.

Interessierst du dich für Software-Amps/IR-Speaker?

Nö. Klar gibt es Sessions, wo kein Amp da ist und ich Software-Kram benutze. Christoph Kemper hat mir netterweise einen Amp geschenkt und der ist schon ziemlich gut.

Dein Live-Equipment ist ja seit Jahren konstant.

Ja. Ich hab meine weiße Strat von 65, eine alte Claim von einem Gitarrenbauer aus Hamburg, eine Fender Broadcaster und eine Gibson Dove Akustikgitarre.

Christians Pedalboard (Bild: Martin Schmidt)

Der Amp ist ein alter Vox AC30, von Manfred Reckmeyer frisiert, mit einer zweiten Box, ein AC30-Gehäuse mit rausoperiertem Topteil. Auf dem Board habe ich einen Rat-Verzerrer, einen Boss-Overdrive, Analog-Echo und -Flanger, einen 3-Band-EQ, ein Vox Wah, und ein Electro Harmonix Echo.

Wie wichtig ist Equipment für dich?

Bei Selig kann ich mir kaum vorstellen, etwas anderes zu spielen. Im Studio geht aber alles, was gut oder eigen klingt. Manchmal ist es auch schön, komische Sachen zu nehmen. Gitarren zerhacken oder im Rechner durch den Wolf drehen, macht auch Spaß. Der „geile“ Gitarrensound kann manchmal wahnsinnig langweilig sein.

Indie/Alternative

Was bedeutet der Begriff Alternative/Indie-Rock für dich?

Puh…(überlegt). Grundsätzlich ist für mich die Schubladensache schwierig. Wir waren alles andere als eine Grunge-Band, eher eine Seventies-Band, aber die Leute neigen dazu, es einordnen zu wollen.

Uns war es immer wichtig, dass es nach uns klingt. Ich habe nicht dieses Abgrenzungsbedürfnis. In den 90ern war das noch anders, da fanden wir eigentlich alles doof außer uns. (lacht)

Ist Musik heute noch Ausdruck einer Haltung?

Vordergründig hat man das Gefühl, dass sie viel beliebiger ist, aber Musik ist ja auch immer Zeitgeist und spiegelt wieder, was gerade los ist. Es gibt bei elektronischer Musik und im HipHop geile und inspirierende Sachen, aber es ist natürlich öde, wenn du zum 26. Mal irgendwelche Vocal-Chops hörst.

Da ist dann keine Geisteshaltung dahinter, sondern es wird versucht, funktional Erfolg zu haben. Ich finde, es ist ein bisschen die Mystik verloren gegangen. Früher hast du dich darauf gefreut, auf ein Konzert zu gehen und die Typen erst mal zu sehen. Heute weißt du, was die zu Mittag essen und dass sie gerade Sport gemacht haben. Das finde ich nicht so spannend.

Wie sehr beschäftigen dich Veränderungen im Musikbusiness?

Total. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Die Verträge, die die Verlage mit Spotify haben, werden sich noch verändern, mehr Leute werden Spotify haben und vielleicht verbessert sich dadurch auch die Situation.

Es ist wie damals als die CD oder das Grammophon erfunden wurden. Da gibt es erstmal eine Phase, wo sich etwas verschiebt. Das muss man genau beobachten und verstehen.

Max Bauer & David Specht – Isolation Berlin

(Bild: Noel Richter)

Mit Mitte 20 sind Isolation Berlin die jüngste Band unseres Indie-Roundtables. Auf dem aktuellen Album „Vergifte Dich“ stricken sie aus intellektuellen Texten, New Wave und 90er-Indie-Rock ihren ganz eigenen Pullover.

Trotz mindestens 20 Jahren Altersunterschied differieren Haltung und Einflüsse kaum von den anderen Bands und auch das Aufwachsen im digitalen Zeitalter hat wenig Spuren hinterlassen.

Einflüsse

Seid ihr eigentlich aus dem Berlin in eurem Bandnamen?

Max: Nein. Ich bin in Kassel aufgewachsen und David in Göttingen. Nach Berlin kamen wir beide mit 18.

Wie kamt ihr mit Musik erstmals in Berührung?

Max: Meine Tante hat meiner Familie ein Klavier geschenkt als ich acht Jahre alt war. Darauf habe ich herumgeklimpert und ein halbes Jahr später Unterricht genommen. Klassisches Klavier, bis ich 15 war. Dann bin ich zur Gitarre gewechselt.

David: Mit 12 oder 13 hat mich Jazz total angemacht. Ich wollte unbedingt Saxofon spielen, aber meine Eltern dachten, das ist wieder so ein Hobby, das nach zwei Wochen durch ist und haben gesagt: Eine Gitarre kannst du haben. Das war dann rückblickend die geilere Wahl. Ich hatte Gitarrenunterricht von Anfang an, bei drei oder vier Lehrern. Erst später kam ich dann zum Bass.

Gibt es direkte Vorbilder oder Einflüsse?

Max: Als ich angefangen habe, habe ich nur Punkrock-Gitarre gespielt. Mit 17 fing ich dann an Johnny Marr und Richard Lloyd von Televison zu hören.

David: Ich habe gar keine Bassisten-Vorbilder. Ich habe eher Soundvorstellungen, die ich mag. Zum Beispiel Motown, knackig und trocken mit Wucht.

Max Bauer auf der Bühne
David Specht live

Technik

Welche Instrumente setzt ihr live ein?

Max: Ich spiele hauptsächlich eine Hagström Super Viking mit Düsenberg Jammerhaken. Dann noch eine Italia Rimini Twelvestring und eine Yamaha SA503TVL.

Double-Amp-Setup
Die Gitarren-Abteilung

An Amps verwende ich parallel einen Supro Black Magic und einen Fender Hot Rod. Der Fender ist eher für Reverb zuständig und der Supro zerrt leicht an. An Pedalen nutze ich ein Boss Chorus, einen Catalinbread RAH Overdrive und ein Roland Space Echo.

Beim Soundcheck hast du einen coolen Tremolo-Feedback-Sound produziert.

Max: Das war das Boss TR2, ein Vox Wah V47 und ein Fuzz, ein Fairfield Circuitry Four Eyes.

Das Board von Max Bauer (Bild: Martin Schmidt)

Und du David?

David: Ich spiele einen Hagström Viking Bass mit La Bella Flatwounds. Die sind für mich irgendwie kontrollierbarer, da ich nur mit Plek spiele. Mein Amp ist ein Sound City B100, eigentlich ein Gitarren-Amp. Ich mag Equipment, das ich für Gitarre und Bass gleichermaßen benutzen kann.

David Spechts Bassanlage
Sound City B100

Auf meinem Board habe ich einen Tech 21 SansAmp Liverpool, der einen AC30 simuliert. Für die fuzzigen Sounds nehme ich einen Death By Audio Interstellar Overdriver oder eine MXR Blue Box, die vor dem Liverpool positioniert sind. Für manche Songs verwende ich auch ein Boss RE-20.

David Spechts Pedalboard (Bild: Martin Schmidt)

Indie

Die Musik von Isolation Berlin wird oft als Indie-Rock bezeichnet. Was bedeutet der Begriff für euch?

Max: Ich weiß nicht wirklich, was das heißen soll. Wenn ich an Indie-Rock denke, denke ich an britische Gitarren-Bands von vor 10 bis 15 Jahren. Viele unserer Einflüsse kommen aus diesem Bereich, aber heute ist der Begriff völlig sinnentleert.

Inwiefern ist euch eine anti-kommerzielle Haltung bei dem was ihr macht wichtig?

David: Man muss heute eh vieles selber machen.

Max: Es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten wollen. In dem Sinne wollen wir eine Indie-Band bleiben.

David: Nicht im Fernsehgarten spielen. (lacht)

Max: Es gibt Bands, die groß sind, aber trotzdem …

David: …eine Integrität und Würde haben und nicht jeden Mist mitmachen.

Wie sehr nutzt ihr Social Media?

Max: Es ist eher Mittel zum Zweck, um Werbung für uns zu machen. Ich finde es schwierig, wenn eine Band mehr als nötig auf Social Media stattfindet. Die Mystik einer Band geht da verloren.

David: Ich halte einen Abstand zwischen Künstlern und Fans für wichtig. Ich will von Leuten, deren kreativen Output ich schätze, jedenfalls nicht wissen, wie die gerade gekackt haben oder so. (lacht)

Max: Ich finde wichtig, dass man sich Gedanken macht, wie man sich präsentiert und nicht zu viel preisgibt.

Erik Langer – Kettcar

(Bild: Martin Schmidt)

Mehr Underground-Spirit geht eigentlich nicht: 2001 gegründet, nahmen Kettcar 2002 ihr erstes Album auf. Da sich keine Plattenfirma fand, riefen Sänger Markus Wiebusch und Bassist Reiner Bustorff mit Tomte Sänger Thees Ullman kurzerhand ein eigenes Label namens Grand Hotel Van Cleef ins Leben.

Der Mut zur Eigeninitiative zahlte sich aus. Kettcar sind heute eine der erfolgreichsten deutschen Rockbands. Im Gespräch mit Erik stellt sich aber schnell heraus, dass der Punkrock-Spirit und die dazugehörige Haltung auch heute noch wichtig sind.

Einflüsse

Kettcar ist ja eng mit Hamburg verbunden. Stammst du von dort?

Nein. Ich bin in Mainz geboren, habe bis zum achten Lebensjahr in der Nähe von Lindau gelebt, dann drei Jahre in der Nähe von Göttingen. Meine prägendste Zeit verbrachte ich im Alter von 11 bis 19 Jahren in Goslar im Harz. Danach war ich ein Jahr lang in den USA und mit 20 bin ich nach Hamburg gezogen.

Wie kamst du erstmals mit Musik in Berührung?

Meine Mutter war klassische Sängerin und Chorleiterin und hat zu Hause Gesangsunterricht gegeben. Von daher war immer Musik um mich herum.

Wie hast du angefangen, Gitarre zu spielen?

Wir haben es zunächst mit Unterricht probiert, aber das hat überhaupt nicht funktioniert. Die Dame an der Musikschule wollte mir Noten beibringen, ich aber wollte Songs von den Sex Pistols und den Dead Kennedys spielen. Das hat mir das Gitarrespielen erst mal vermiest.

Dann war ich bei einem Onkel in Amerika. Der wohnte im Wald, rollte eine 8×12“er-Box auf die Veranda, drückte mir eine Gitarre in die Hand und sagte: „Spiel mal!“ Da hat es mich richtig gepackt. Als ich wieder in Deutschland war, habe ich alle meine Kumpels eingeladen und gesagt, dass wir jetzt eine Band gründen. Da war ich 15. Seitdem habe ich eigentlich jeden Tag Gitarre gespielt.

Das war dann Punkrock?

Ja. Lange Zeit war ich Autodidakt, ein Kumpel hat mir einen Akkord gezeigt oder man hat versucht herauszufinden, wie die Musik, die man liebt, gespielt wird. Als wir mit Kettcar eine längere Pause hatten, habe ich mal Unterricht genommen. Jetzt weiß ich, wie ein Akkord aufgebaut ist, wie eine Tonleiter geht, was eine Terz ist und habe dadurch einen besseren Überblick über das, was ich all die Jahre gemacht habe.

Wer sind deine Helden?

Sehr prägend waren für mich einerseits Punk und Hardcore aus den USA, Minor Threat oder Gorilla Biscuit. Andererseits die LoFi-Bewegung, Bands wie Pavement oder Sebadoh, die sehr einfache, aber emotionale Musik gemacht haben. Das dritte Standbein kommt aus England, mit Bands wie Ride, Wedding Present, Teenage Fanclub. Da ging es auch viel um Songwriting.

(Bild: Andreas Hornoff)

Kettcar + Technik

Wie wichtig ist die Gitarre für einen Kettcar-Song?

Die Gitarre ist Teil des Songwritings und steht bei allen Liedern deutlich im Vordergrund. Das ist schon das Hauptinstrument der Band.

Schreibt ihr die Songs gemeinsam?

Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal habe ich ein Pickingmuster und bastle dann zu Hause mit Logic eine rudimentäre Songstruktur mit Bass und Drumcomputer. Wenn es mir dann gefällt und ich denke, daraus könnte etwas entstehen, gebe ich es weiter. Arrangiert wird mit der ganzen Band, da sind schon alle komplett dabei.

Wie nimmst du Gitarren auf?

Klassisch mikrofoniert. Manchmal gibt es auch ein paar Spuren, die ich zu Hause am Computer mit Logic gemacht habe, die wir übernehmen, weil sie super klingen und es Tage dauern würde, die Sounds analog nachzubauen.

Hast du ein Haupt-Setup?

Im Studio benutze ich mein Live-Setup, aber es kommen auch ein paar Gitarren dazu. Unser Produzent hat ein paar schöne alte Gitarren, wie z. B. eine Jazzmaster, die so etwas hartes, drängendes hat. Live spiele ich eine Fender Stratocaster, die etwas modifiziert ist. Als Amps verwende ich einen Framus Dragon und einen Framus Ruby Riot.

Wie erzeugst du die Delay- und Reverb-Sounds?

Wir haben lange ein Electro Harmonix Cathedral genutzt. Für Konzerte habe ich mir aber einen Strymon Big Sky gekauft, mit dem ich sehr glücklich bin.

Stimmt ihr die Delays auf das Songtempo ab?

Ja, von Hand. Wir dämpfen die Saiten ab, schlagen sie an und dann wird pi mal Daumen das Delay aufs Tempo abgestimmt. Wenn das ein bisschen aus dem Ruder läuft, ist das OK.

Wie wichtig ist Equipment allgemein für dich?

Es hat sich in den letzten 10 Jahren etwas verändert. Es war immer Mittel zum Zweck, aber 2008 wurde mir eine Gitarre geklaut und da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich mich doch ganz schön an die Instrumente gewöhnt hatte, die mir immer so zugeflogen sind und angefangen, mich mehr damit auseinanderzusetzen.

(Bild: Andreas Hornoff)

Indie

Was bedeutet für dich der Begriff Indie-Rock?

Das ist eine gute Frage… Indie heißt Independent und letztendlich sind wir Indie-Rock, weil wir völlig unabhängig sind, denn unser Sänger und Bassist betreiben zusammen mit Thees Ullmann ein eigenes Plattenlabel.

Dadurch sind wir nicht von den großen Strukturen der Majors abhängig. Ich habe das Gefühl, rein musikalisch verschwimmt das etwas, denn wir versuchen Popmusik zu machen, mit Melodien, die ins Ohr gehen.

Der klassische Indie-Rock war ja auch Ausdruck einer bestimmten Haltung. Ist das noch wichtig für dich oder hat sich das abgeschliffen?

Nein, die neue Platte ist ja auch sehr politisch. Ich bewerte Musik nicht danach, ob sie politisch ist. Eine Message gepaart mit guter Musik ist aber toll.

Findest du, dass das heute in aktueller Musik weniger stattfindet?

Nein. Da wir momentan in politisch absurden Zeiten leben, in denen sich die Menschheit zurückentwickelt, gibt es durchaus Stimmen in der Musik, die das thematisieren. In Deutschland denke ich da z. B. an Feine Sahne Fischfilet, Antilopen Gang oder Kraftklub.

Inwieweit kann man eine Indie-Anti-Haltung aufrechterhalten, wenn Musik der Beruf ist?

Klar kriegst du manchmal Angebote auf Veranstaltungen für T-Mobile oder Red Bull zu spielen. Das ist ein schmaler Grat. Mit gewissen Firmen wollen wir nichts zu tun haben. Mit anderen Firmen muss man sich arrangieren, sonst könnten wir gar nicht mehr auf Festivals spielen.

Wie wirkt sich das heutige Musikbusiness auf euch als Band aus?

Wenn wir zur richtigen Zeit eine gute Platte gemacht haben, die die Leute mitgenommen hat, war es immer leicht für uns. Dann hat alles gezündet. Du machst als Band aber auch mal eine Platte, von der du nicht so überzeugt bist, und dafür bekommt man dann auch die Quittung.

Aber unsere Plattenfirma ist sehr klein, dadurch haben wir nicht so lange wie die großen Firmen gebraucht, uns auf die veränderten Markt-Mechanismen einzustellen.

Natürlich weiß man, dass man live spielen muss, da das die einzige Einnahmequelle ist, die man heute noch hat. Aber das war für uns nicht so fatal, weil wir schon immer eine Live-Band waren. Und wenn das heißt, dass du zehn Konzerte mehr spielen musst: Right on! (lacht).

Aber ich kann ganz offen zu Protokoll geben, reich werden wir nicht damit. Es gibt Jahre, in denen wir Geld verdienen, aber dann müssen wir mit dem Geld eben auch haushalten. Ich bin nach wie vor wahnsinnig dankbar, dass ich den Wunschtraum, den ich hatte, in die Realität umsetzen konnte. Dass ich kein Haus und kein Auto habe, stört mich überhaupt nicht.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2018)

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