Till & Tone: Vox populi vox Dei

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(Bild: Till Hohenender)

Mein erstes bewusstes Aufeinandertreffen mit einem Vox-Verstärker hatte ich etwa 1982 in einem Kellerflur in Westtünnen. Der besagte Vox-Amp war ein Vox AC30 aus den 70ern und gehörte Peter Deimel. Ist das wichtig? Ja. Weil alles, was sich um Tone dreht, eben nicht egal ist. Um es mit der legendären Hamburger Band „Die Antwort” zu sagen: Es darf nicht egal sein, weil es wichtig ist.

Also: Peter Deimel ist der Bruder von meinem Freund Frank Deimel (Deimel Guitarworks u. langjähriger Gitarre&Bass-Autor). Heute ist Peter der Inhaber und Betreiber des bekannten Black Box Recording Studios in Frankreich. Damals war er eine Klasse über mir und hatte mir in der Schule erzählt, dass er sich einen gebrauchten Vox AC30 gekauft hat.

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Ich fragte ihn, ob der denn besser wäre als sein Echolette CA-30, den ich schon mal mit meiner miesen SG-Kopie bei ihm ausprobiert hatte. Und den ich – da ich keine anderen Verstärker kannte – auch irgendwie faszinierend fand. Das fand ich grundsätzlich wichtig, richtig und gut.

Meine erste Klangreferenz, der Echolette CA-30, sollte bald in den Schatten gestellt werden … und wie! (Bild: Marco Bachner)

Peter versicherte mir, dass der Vox AC30 sensationell klingen würde. Ich war sofort begeistert und hatte – wie mein Freund Kester immer zu sagen pflegt – Feuer geleckt! Sofort nach der Schule, nachdem ich meine Pflichten erledigt hatte, wollte ich Peter besuchen, um seinen neuen Wunderverstärker livehaftig zu hören.

Meine Pflichten (gut, dass meine schulpflichtigen Kinder nicht Gitarre&Bass lesen) nach der Schule waren: Mittagessen, Musik hören sowie auf meinem Bett liegen und rauchen. Danach machte ich mich unverzüglich mit meiner Honda CB 50 auf den Weg zu den Deimel Bros. nach Westtünnen.

IM KELLER IST ES DUSTER!

Zumindest in unserem kleinen Keller war es duster. Das staubige Muffloch, das zu unserer 70 m² kleinen Wohnung gehörte, musste man betreten, wann immer unsere Mutter befahl, Kartoffeln aus der Kartoffelkiste zu holen. Spätestens jetzt werden U30-Leser ahnen, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der Kartoffeln im Supermarkt im Winter nicht verfügbar waren.

Also wurde im Herbst ein Zentner beim Bauern gekauft und eingekellert. Was soll’s, der Keller unter dem großen Haus der Familie Deimel war gegen unseren ein Paradies. Statt Muff und Kartoffelkiste gab es einen gekachelten, sauberen Flur in dem ein funktionierender Flipper stand.

Vom Flur ging es in mehrere Kellerräume, darunter war ein großes Wohnzimmer. Dort stand ein Klavier, ein Fernseher mit Videorekorder (Beta 2000), eine Stereoanlage sowie eine Couch-Garnitur. Und Peters neuer Schatz, der Vox AC30. Schwarz, groß, schwer. Das goldene Vox-Logo machte einen luxuriösen Eindruck.

Überhaupt war mir sofort klar, dass dieser Amp „the real shit” war: Gegen den Vox AC30 sah der Echolette CA-30 aus wie ein schangeliger, albanischer Ostsee-Kutter, der im Hafen neben der königlichen Queen Elizabeth 2 liegt. Es ging sofort zur Sache. Nach ehrfürchtiger Betrachtung des Vox trugen wir den Amp in den gekachelten Kellerflur, denn die Deimel-Brüder wussten natürlich im Gegensatz zu mir, dass der Teppichboden im Kellerwohnzimmer wertvolle Dezibel verschlucken würde.

Das galt es unter allen Umständen zu vermeiden. Peter erweckte das Ungetüm zum Leben. Ich nahm eine Stratocaster … die Jungs verkabelten mich … Volume volles Rohr aufgedreht … mit zittrigen Fingern schrammelte ich einen offenen A-Akkord …

(Bild: Till Hohenender)

ADDICTED TO VOX!

In meiner Erinnerung klang der unfassbare Lärm, der aus den beiden Celestions brüllend an die weiß verputzten Kellerwände klatschte, mit ziemlicher Sicherheit noch infernalischer, als er es tatsächlich war. Aber es war schon sehr, sehr laut – das könnt ihr mir glauben. Ich war erschüttert, begeistert und schockverliebt.

Der Vox AC30 war für mich ab diesem Moment das Maß aller Dinge. Als ich dann noch in einem Buch über die Stones entdeckte, dass auch mein heißgeliebter Glimmer Twin Keith Richards diesen ikonischen Amp in den Swinging Sixties benutzt hat, war die Sache völlig klar: Auch ich musste irgendwann einen AC30 besitzen, ich war „addicted to Vox!”.

Fast Forward: Im Jahr 2007 war es dann endlich so weit. Ein 1974er Vox AC30, der von Ralf Sättler (Gründungsmitglied der Queen Tribute-Band „Mayqueen”) stammte, fand seinen Weg zu mir. Ein wunderbar eingelatschter Amp, der mit seinen zwei Celestion Blackbacks den Vox-Sound lieferte, der sich seit dem Keller-Incident so fest in meine Hirnrinde eingegraben hatte.

Die Altobellis, ich und mein AC30 – live on stage! (Bild: Mario Bok)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2025)

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