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Repair Talk: Custom-Projekt Traumgitarre – Teil 1

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Das Ergebnis nächtelanger Beutezüge…

Bevor jetzt Langeweile aufkommt, wird es auch schon wieder betriebsam auf der Werkbank. Die Neubundierung der vergangenen Repair Talks ist abgeschlossen – Zeit, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen: Eine Partscaster oder – etwas förmlicher – eine Custom-Gitarre basierend auf einem S-Type-Modell.

Jäger und Sammler

Das Rohmaterial wurde in zwei Kartons und einer Tüte angeliefert. Ein ähnliches Szenario habe ich in den letzten Jahren schon dutzende Male beobachtet. Vom inneren Drang getrieben, eine Gitarre nach eigenen Vorstellungen zu kreieren, verbringen Kunden offenbar unzählige Nächte am Rechner und „jagen“ weltweit passende Zutaten für „die“ Gitarre. Unterstützt von Fachlektüre, Fachgesprächen und ggf. etwas Mythosglaube wird ein Mix aus Bauteilen zusammengestellt, der dann den gesuchten Ton und die gesuchte Bespielbarkeit liefern soll.

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… Rohmaterial für das Custom-Projekt

Ich begleite solche Beutezüge nicht, da oftmals die Vorstellungen und Ziele zu diffus sind. Mein routiniertes Händchen kommt dann ins Spiel, wenn die Jäger Angst vor der eigenen Courage bekommen und plötzlich feststellen, dass der empfindliche Wohnzimmertisch wohl doch nicht der passende Arbeitsplatz ist, um den dann häufig recht kostspielig gewordenen Parts-Mix in das Trauminstrument zu transformieren. Zeit- und Werkzeugmangel addieren sich schnell dazu und so wird dann häufig der Weg zur Fachwerkstatt zum einzig erfolgsversprechenden Ausweg.

Wenig spass, viel Geld

Das nimmt aber den halben Spaß und kostet Geld. Damit der ein oder andere „Bausatz“ vielleicht doch in der heimischen Werkstatt fertiggestellt werden kann, möchte ich in diesem und in den kommenden Repair Talks hilfreiche Tipps mit auf den Weg geben aber auch auf Stolperfallen und zusätzlich auf den recht anspruchsvollen Umfang eines solchen Projektes hinweisen.

Es wird dabei nicht darum gehen, die Bauteile irgendwie und in Rekordzeit zu verquicken, sondern am Ende der Arbeiten soll ein gut funktionierendes Instrument stehen, das der schnöden Stangenware in nichts nachsteht und darüber hinaus auch noch durch das gelungene Umsetzen der persönlichen Vorgaben punktet.

Stecken und Prüfen

Obwohl es ggf. in den Fingern kribbelt, die einzelnen Bauteile sofort aus der dann störenden Verpackung zu befreien und zum Einsatz zu bringen, ist es ratsam, erst einmal die elementaren Bauteile des Projektes (Hals und Korpus) auf deren Eignung zu überprüfen. Ich nenne diesen Vorgang „Aufmaß machen“. Dazu werden zunächst Hals und Korpus zusammengesteckt, um zu zeigen, ob Halstasche und Halsfuß zusammenpassen. Damit der Hals möglichst sauber in der Tasche liegt, unterfüttere ich die Kopfplatte. Anschließend setze ich die Stegeinheit (hier ein Vintage-Vibrato) in die vorgegebene Position.

Nun kann überprüft werden, ob Hals und Korpus in Punkto Mensur/Schwingungslänge kompatibel sind. Ich nehme dafür ein langes Lineal und platziere es so, dass der Sattel an der Nullmarkierung liegt. Liegt die Stegeinheit dort, wo die ggf. vorgebohrten Montagelöcher es vorgeben, muss sich an den Saitenreitern die Mensur sowie das Spannungsplus einstellen lassen.

Überprüfen der Schwingungslänge
Nullmarkierung am Sattel
Mensur plus Zugabe am Steg

Dazu wird zunächst der Abstand vom Sattel bis zur Mitte des 12. Bundes gemessen. Bei Fender kompatiblen Hälsen wird dieser Abstand 324 mm betragen. Diese Distanz, multipliziert mit dem Faktor 2, ergibt 648 mm, was die Mensur oder auch theoretische Schwingungslänge ist. Basierend auf diesem Maß sind die Bünde im Griffbrett eingesägt und positioniert.

Um eine saubere Intonation zu ermöglichen, muss sich nun am Steg mindestens die so bestimmte Mensur einstellen lassen. Keine Saite wird eine negative Mensur benötigen. Jedoch sollte ein Spannungsplus (wie im Rahmen der Neubundierung erklärt) von ca. 1 mm bis ca. 4 mm an den Einzelreitern einstellbar sein, ohne dass diese aus ihrem Einstellbereich herauslaufen.

Das vorliegende Paar aus Hals und Korpus lässt in Verbindung mit dem Vintage-Vibrato einen Einstellbereich von ca. 649 – 652 mm bequem zu – in Sachen Schwingungslänge sollten keine Probleme auftreten.

Das war auch von den Bauteilen aus dem konfektionierten Angebot eines einzelnen Herstellers nicht anders zu erwarten aber in den unendlichen Weiten des Online-Shoppinguniversums schwebt so einiges umher, was nicht so ohne Weiteres zu einer sinnvollen Einheit verschmilzt – also kurz ein Aufmaß machen und Klarheit schaffen. So werden spätere Probleme vermieden.

Überprüfen des Saitenverlaufes

Wer sicher gehen möchte, kann das Aufmaß auch noch auf den Saitenverlauf ausdehnen. Wie laufen die beiden äußeren Saiten im Bezug zur Griffbrettkante? Lassen sich auch in dieser Richtung brauchbare Resultate erkennen (ein bisschen was verschieben/oder maximal neu positionieren geht immer), können nun Hals und Korpus miteinander verschraubt werden.

Hat der Hals bereits die passenden Befestigungslöcher vorgebohrt, könnte das Verschrauben natürlich das bis hierhin angewandte Stecken ersetzen. Ist der Hals „jungfräulich“, würde ich mit dem Anbohren bis hierher warten, um ggf. den Hals zurückgeben zu können, ohne dass eventuell gebohrte Löcher das unmöglich machen.

Eng ist nicht immer gut

Obwohl die geschraubte Hals/Korpus-Verbindung von der Funktion her überschaubar, ja fast simpel ist, möchte ich an dieser Stelle trotzdem ein Lochmaß genauer unter die Lupe nehmen und hinterfragen. Es handelt sich um das Loch im Korpus durch das die Schraube zur Halsfixierung läuft. Ist das Loch so eng, dass die Schraube im Inneren des Lochs greift, kann eine Situation auftreten, bei der die Schraube komplett angezogen im „Gewinde“ sitzt, also keinen Zug mehr ausüben kann.

Kein Zug mehr drauf: Ausgereizte Verbindung
Halsschraube mit glattem Schacht

Sitzt der Hals nicht von vorn herein plan auf der Fläche der Halstasche im Korpus, kann es passieren, dass der Hals „schwebt“, was in den meisten Fällen eine korrekte Einstellung der Saitenlage unmöglich macht. Ich halte es für besser, wenn das Loch vom Durchmesser her so weit ist, dass es die Schraube zwar eng führt, diese in den Wandungen der Bohrung jedoch nicht greifen kann.

So ziehen sich die Neckplate und der Hals gegeneinander – der Hals wird mit größtmöglicher Kraft auf den Korpus gezogen. Der Handel bietet auch Halsschrauben an, die zum Kopf hin kein Gewinde mehr haben. Solch eine Schraube wird gut im Korpus geführt, greift aber nicht.

Präzise stechen – sauber bohren

Sollte sich beim Verwenden vorgebohrter Löcher der Hals aus der gewünschten Position ziehen (siehe Aufmaß), sollte man sich die Mühe machen und die dann nicht geeigneten Löcher mit Dübeln füllen und neu aufbohren. In der Regel klappt das gut mit einem 4 mm Langholzdübel aus Buche (Baumarktware). Gebohrt, gedübelt und beigearbeitet hat man dann quasi die jungfräuliche Situation eines neuen Halses.

Der Hals wird in die Halstasche gesteckt und dort bestmöglich in die Flucht (Richtung) gebracht. Die Flanken der Halstasche helfen bei der Ausrichtung. Mit einer konischen Stechspitze übertrage ich dann die Position der Korpuslöcher auf den Hals. Die so vorgestochenen Löcher steche ich nach, aber etwas nach vorne versetzt. Aus meiner Erfahrung heraus, sitzt so der Hals später schön stramm an der hinteren Kante der Halstasche.

Anstechen der Halsbohrungen
Nachstechen der Markierungen

Neue Löcher bohre ich mit 3,3 mm auf, gedübelte mit 3 mm (wegen des weicheren Langholzdübels). Die Arbeit übernimmt eine Standbohrmaschine. Der Hals wird ggf. unterfüttert, damit die Löcher möglichst im rechten Winkel gebohrt werden. Alternativ kann er auch in einer entsprechenden Klemmvorrichtung gehalten werden.

Die angerissenen Löcher werden sauber aufgebohrt
Überprüfen der möglichen Bohrtiefe

Die erforderliche Bohrtiefe gibt die Schraubenlänge (übergeordnet natürlich die Halsdicke) vor. Hält man die Schraube seitlich an den Korpus, kann so die Bohrtiefe ermittelt werden, wobei die Bohrung (falls möglich) ein paar Millimeter tiefer als die Schraube sein sollte.

Somit sind alle Voraussetzungen für das Verschrauben von Hals und Korpus erfüllt. Sitzt alles zufriedenstellend, kann das Aufmaß weiter verfeinert (die gesteckte Version bietet nur eine grobe Einschätzung) und notwendige Hardware montiert werden.

Das wären beim Custom-Projekt die Mechaniken und das Vibrato. Da wird der nächste Repair Talk mit dem Vibrato beginnen und zeigen, dass mehr als das schnöde Eindrehen von 6 Schrauben notwendig sein kann, um bewegliche Hardware funktionierend zu montieren.

Bis dann, der Doc.

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wenn es um die Schraubverbindung zwischen Hals und Korpus einer F-ähnlichen Gitarre geht, würde ich das “Direct-Coupling” empfehlen.
    Guckst du hier: http://www.edroman.com/techarticles/directcoup.htm
    Das ist natürlich nicht “vintage” aber deutlich besser als die vier windigen Holzschrauben von Leo … Übrigens: Hier in Europa verwenden wir sog. Rampa-Muffen M4 dafür, die gibt’s in jedem Baumarkt.
    PS: Dieses Verfahren eignet sich auch für alle fabrikmäßig gefertigten Schraubhals-Typen als nachträgliches Performance Tuning!

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  2. Hallo, für welchen Schraubendurchmesser bohrst du die Löcher auf 3,3 mm auf?

    Gruß
    Sven

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    1. Hi Sven,
      wie bereits angemerkt, verwende ich M4 Maschinenschrauben mit Innensechskant. Die Löcher im Korpus werden auf 4,5mm aufgebohrt, damit nichts klemmt. Die Rampa-Muffe benötigt im Ahornholz des Halses einen Bohrdurchmesser von 7,3mm. Wenn du auf das Gegenblech verzichtest und die Schraubenköpfe versenkst, steigerst du nochmals das Sustain. Beilagscheiben nicht vergessen! Am Ende die Maschinenschrauben mit dem Imbus-Schlüssel festziehen und ev. nach einiger Zeit nachkontrollieren.

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