Parts Lounge: Musikinstrumente in Zeiten der Handelskriege
von Udo Pipper, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Shutterstock / Sergii Bob)
Normalerweise halte ich nicht viel vom sogenannten Alarmjournalismus. Alles schlecht reden, dunkle Wolken an allen Horizonten ausmachen, Katastrophenszenarien heraufbeschwören. Aber was die durch den Trumpismus geprägte Weltwirtschaft in den letzten Monaten zu bieten hat, muss einem wirklich Sorgen bereiten.
Oft beleuchten die Nachrichtensender lediglich die Folgen des Zoll-Wahnsinns der US-Regierung auf den KFZ-Markt oder den Rohstoffhandel. Von den Folgen für die Musikinstrumente-Industrie war bisher nur wenig die Rede. Dabei haben wir es hier beinahe durchgehend mit globalen Lieferketten zu tun.
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Besonders im Einsteigersegment ist die Instrumentenherstellung nur durch Zulieferer mit Fernoststandorten zu stemmen. Denn hier stehen die automatisierten Bestückungsfabriken, hier gibt es extrem günstige Bauteile und Chassis und natürlich niedrigere Löhne. Der Aufbau solcher Lieferketten hat sich über Jahrzehnte entwickelt.
Trumps naive Träumereien, dass sich die gesamte Produktion wieder in die USA verlegen ließe, ist pure Illusion. Fender produziert einen nicht unerheblichen Teil seiner Modellpalette in Mexiko. Bauteile und Platinen vieler Amphersteller stammen aus Fernost.
Nur so sind bestimmte Verkaufspreise möglich. Man denke nur an die zahlreichen Pedalhersteller in den USA, die längst große Teile ihrer Geräte aus China oder Taiwan beziehen. Gibson, Martin oder Taylor bestellen ihre Hölzer in großen Teilen in Kanada.
Auch hier sind wesentlich höhere Zölle gefordert. Aufschläge von etwa 25% würden am Ende beim Händler erheblich höhere Preise für den Endkunden bedeuten. Bricht der Einsteigermarkt durch diese abstruse Zollpolitik ein, werden sich Unternehmen wie Fender oder Gibson auch keine Premium-Serien mehr leisten können. Die Basis dieser Unternehmen sind nach wie vor günstige Segmente, die jungen Musikern den Einstieg ermöglichen.
GELD REGIERT DIE WELT?
Schon seit der Corona-Pandemie haben sich die Preise für Musikinstrumente zum Teil drastisch erhöht. Aber auch die Preise für Bauteile im Boutique-Sektor, in dem viele kleinere Unternehmen seitdem schon ums Überleben kämpfen müssen, sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen.
Der Röhrenverstärkermarkt befindet sich seit geraumer Zeit in einer Krise, die durch die Verdrängungskonkurrenz insbesondere durch fernöstliche Produktionsketten von Elektronik wie Modeling- oder Profiling-Amps ermöglicht wird. Die kurzzeitige Verknappung der Röhrenzulieferer durch den Krieg gegen die Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen sorgte zudem für Verunsicherung.
Was würde aber geschehen, wenn Röhrenverstärker bald nur noch ab etwa € 2.500 zu haben wären, Boutique-Produkte wie Two Rock oder Morgan hier in Europa bald Anstiege von ein- bis zweitausend Euro zu verbuchen hätten? Kaum auszudenken.
Trumps Wirtschaftspolitik soll ja vor allem amerikanischen Unternehmen zu „neuer Größe” verhelfen. Im Moment ist jedenfalls genau das Gegenteil der Fall. Die weltweiten Produktionsketten lassen sich nicht mehr ohne Weiteres aufheben. Gerne würde ich jetzt hier mit konkreten Zahlen aufwarten. Alle Musiker, Händler und Hersteller wüssten gerne, welche konkreten Folgen Trumps Politik für die Märkte hat. Diese Frage kann derzeit niemand beantworten.
Trump, der scheinbar ohne Agenda „aus dem Bauch heraus” Wirtschaftspolitik betreibt, weiß es wahrscheinlich selbst nicht. Buchstäblich wie ein Kleinkind im Spielzimmer scheint er jeden Tag neue Ideen zu entwickeln, die diesen Wahnsinn schüren. Daher könnte die Verunsicherung der Investoren momentan kaum größer sein. Wer würde jetzt noch eine Produktlinie mit dem Standort China aus den USA heraus planen? Das wäre ein unkalkulierbares Risiko.
Dabei spielt es kaum eine Rolle, dass wir hier in Deutschland aus Richtung China kaum Zoll-Erhöhungen zu erwarten haben. Gerade in unserem Markt werden Produkte oft zunächst in die USA geliefert und erst von dort aus nach Europa. Wir wären also als Endverbraucher durchaus von Preissteigerungen betroffen. Mit Spannung erwarten nun Wirtschaftsexperten und Börsianer die Reaktionen der EU auf die Zollerhöhungen. Bisher sind diese recht verhalten. Aber auch das könnte sich schlagartig verändern.
Dann könnte eine Fender Masterbuilt Stratocaster schnell weit über € 10.000 kosten oder ein Fender Deluxe Reverb Reissue weit über € 2.000. Hinzu kommt die rüde und aggressive Rhetorik aus dem Weißen Haus, die Handelspartner mit Unterstellungen und Beleidigungen überhäuft. In Kanada werden amerikanische Produkte bereits von Händlern und Endkunden boykottiert. In meinem Bekanntenkreis schämen sich einige bereits, einen Tesla zu fahren und erwägen den Verkauf.
In Europa scheint man noch zu zögern, wie China mit Gegenzöllen zu antworten oder erst einmal mit kühlem Kopf abzuwarten, ob Trump sich eines Besseren besinnt. Für China scheint das jedoch im Moment ziemlich unwahrscheinlich, wodurch man sicher sein kann, dass viele Geräte, die von amerikanischen Herstellern nach Europa geliefert werden, für uns Musiker automatisch teurer werden. Nur weiß noch keiner, wie viel das sein wird. Wir befinden uns in einem „Ruhe vor dem Sturm”-Modus.
Mit Blick auf kommende amerikanische Branchenveranstaltungen wie die NAMM-Show sorgt die wechselhafte US-Handelspolitik bereits jetzt für große Verunsicherung. Selbst wenn die angekündigten Zollerhöhungen bis dahin noch nicht vollständig greifen, trübt die aggressive Rhetorik aus Washington die Planungsfreude.
Handelspartner aus dem Ausland fragen sich zunehmend, ob sie dort noch als geschätzte Gäste oder eher als Störfaktor wahrgenommen werden. Das sorgt vielerorts für Zurückhaltung – sowohl auf Hersteller- als auch auf Vertriebsseite.
Bald „Great Again“ oder einfach nur zu teuer? (Bild: Udo Pipper)
WAS TUN?
Wie also kann jeder einzelne von uns reagieren? Wo liegen Lösungen und Auswege? Bleibt Trump bei seiner zerstörerischen Handelspolitik, werden vermutlich zuerst in Amerika viele kleinere Hersteller zugrunde gehen. Es würde also ausgerechnet die treffen, die er angeblich wieder stark machen wollte. Also jetzt noch schnell den ersehnten Boutique-Amp bestellen? Oder erst mal abwarten?
Es gleicht einem Russischen Roulette. Viele Consumer werden eventuell auf die Gebrauchtmärkte ausweichen, die durch die Weltlage bald wahrscheinlich ordentlich befeuert werden. Außerdem erreicht gerade die sprichwörtliche Boomer-Generation, also die, die mit Rock’n’Roll groß geworden ist, das Rentenalter.
Daher reduzieren viele Musiker im halbprofessionellen- oder Hobby-Bereich ihr Equipment. Jüngst brachen bereits die Preise für Vintage-Amps deutlich ein. Und auch für Boutique-Hersteller werden zumindest die Erlöse kleiner, da der Einkauf von Bauteilen deutlich teurer wird.
Zudem kann man die Herstellung zu unseren westlichen Lohnkosten einfach nicht mehr stemmen. Aber immerhin wären wir eigentlich auf amerikanische Produkte nicht komplett angewiesen. Für Gitarrenbauer in Deutschland oder Hersteller von kleineren Baugruppen wie Pedalen von Rodenberg, OKKO oder Vahlbruch sind dann vielleicht auch Gewinne zu verzeichnen. Aber da kann auch ich einfach nur spekulieren.
Die Lage ist komplett verrückt und unkalkulierbar. Ich ertappe mich dabei, wie ich täglich die Nachrichten studiere, nur um festzustellen, dass sich am nächsten Tag alles wieder ändern könnte. Und vor diesem Hintergrund erwarte ich für die Handelsketten insgesamt zunächst einmal Zurückhaltung. Und schon das wäre ganz, ganz schlecht … Die Hoffnung stirbt zuletzt!