Parts Lounge: Magic of a Legend ‒ Fender Telecaster
von Redaktion,
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(Bild: Udo Pipper)
Diesen Monat beginne ich mit einem Thema, das mir schon seit geraumer Zeit am Herzen liegt. Wir widmen uns endlich dem Sound der wohl berühmtesten E-Gitarre aller Zeiten: der Fender Telecaster.
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Schon seit Jahren bekomme ich Anfragen dazu. So scheinbar einfach dieser Urvater aller Solidbody-Gitarren auch daherkommen mag, so variantenreich sind die beinahe unzähligen Ausführungen bezüglich der Elektrik, Holzauswahl und Hardware. Kaum eine Gitarre eignet sich offenbar besser für Tunings als die stets überschaubar ausgestattete „Telly“. Und kaum ein Modell hat ähnlich viele Überarbeitungen über sich ergehen lassen müssen. Und dennoch bleibt ihr markanter Sound offenbar immer erkennbar. Legendär ist der schneidend-bissige Bridge-Pickup-Sound, der die Telecaster so unverwechselbar macht.
DER TELE-URKNALL
Um 1950 herum hatte sich Leo Fender entschieden, eine Solidbody-Gitarre mit Pickup auf den Markt zu bringen. Die ersten Prototypen waren bereits von befreundeten Protagonisten getestet worden, darunter die allererste Ausführung noch mit 3L/3R-Kopfplatte und Sperrholz-Korpus. Man wollte in diesen Gitarren vorwiegend Tonabnehmer für die schon seit längerer Zeit laufende Lapsteel-Produktion testen. Der Prototyp kam aber so gut an, dass sich Leo dazu entschied, diese Gitarre in kleiner Serie anzubieten.
Die Zielgruppe war – typisch Fender – so breit wie möglich angelegt, denn die ersten, unter den Namen ‚Esquire‘ (nur ein Bridge-Pickup) und ‚Broadcaster‘ (mit zusätzlichem Front-Pickup) vermarkteten Varianten, sollten die modernen Sounds von damals so vielseitig wie möglich abbilden können. Zum einen war da dieser schneidend helle Bridge-Pickup, der eindeutig die bereits bekannten Klänge der damals äußerst beliebten Lapsteel- und Pedalsteel-Gitarren nachbildete. Mangels Slidebar erfanden die Spieler kurzerhand die Doublestop-Bendings, die bis heute den Sound der Telecaster geprägt haben. Auch Chuck Berry übertrug diese Technik später auf seine Gibson, sodass dieser Sound auch prägend für Blues und Rock’n’Roll wurde.
Neben dieser markanten „Sopran“-Stimme, wollte man auch den dunklen Ton der Jazz-Gitarristen abdecken. Dazu wurden der Esquire Kondensatoren einverleibt, die den Ton komplett um seinen Höhenanteil beraubten, wodurch das Ergebnis mehr an den Sound der dicken Gibson-Jazzgitarren erinnerte. Das reichte mitunter soweit, dass man mit einer Telecaster schließlich auch den Bassisten ersetzen konnte.
Bassisten fanden sich in den damaligen Bands ohnehin nur sehr selten, und da kam es gelegen, dass einer der Gitarristen diese Rolle übernahm und zweitweise auch Jazz-Licks oder helle und schneidende Doublestops einfügen konnte. Das sparte „Musiker-Material“ und brachte mehr Geld. Insofern war das Konstrukt der Telecaster auch ein durchaus kapitalistisches. Letztlich taugte die Telecaster durch ihren perkussiven Klang auch als Percussion-Instrument, etwa so wie man es später von Jimi Hendrix im Intro von ‚Voodoo Chile‘ hören konnte. Hendrix verwendet hier zwar eine Stratocaster, der so genannte Chacka-Boom-Sound stammte aber schon aus den frühen Tagen der Telecaster.
NEUE WELTEN
Mit der Entstehung der Telecaster entwickelte sich durch ihre klanglichen Möglichkeiten schon bald ein ganz neuer Gitarrenstil. Während in der Country-Musik der Chicken-Picking-Stil mit sehr schnellen und perkussiven Singlelines entwickelt wurde, nutzten andere Musiker das Instrument, um die Basslinien zu doppeln und somit dem Sound ein weiteres Register hinzuzufügen. Das hört man etwa gut bei Steve Cropper im legendären Booker-T.-Hit ‚Green Onions‘. Vor allem auch, weil in immer mehr Bands elektrisch verstärkte Bässe (die meist natürlich auch von Fender stammten) zum Einsatz kamen, eignete sich die Telecaster sehr gut zum Kontrastieren – ihr Sound setzte sich perfekt von den tiefen Bass-Registern ab.
Man muss bedenken, dass in den frühen Fünfzigern die meisten Bands im Studio noch live und mit nur sehr wenigen Mikrofonen aufgenommen wurden. Und gerade in diesen Studioaufnahmen empfahl sich der Einsatz einer Telecaster als perfekte Ergänzung. Schnell kam sie daher auch als Melodie-Instrument zum Einsatz. Die Pedalsteel-Soli in der Country-Musik wurden nun durch ein kleines Solo mit der Telecaster erweitert oder gleich mehrstimmig angelegt. Und mit den Telecaster-Helden Steve Cropper, Danny Gatton, Roy Buchanan oder Mike Bloomfield fand sie bald auch einen festen Platz im Blues. Interessant ist hierbei, dass diese Musiker ihre Instrumente oft mit lang anhaltenden Tönen und viel Kompression zunächst auch wie eine Pedal- oder Lapsteel klingen lassen wollten. Eric Clapton, Peter Green oder Carlos Santana nahmen diese Sounds auf, indem sie ihre Gibsons mit Hilfe von Rückkopplungen ebenso „gedehnt“ klingen ließen.
1953 Fender Esquire Front (Bild: Udo Pipper)
DIE BLACKGUARD-ÄRA
Die ersten Esquire-Prototypen aus dem Jahr 1949 wurden mit einem ziemlich kräftigen Ahornhals ohne Halsstab ausgestattet. Leo Fender hatte die Hälse lediglich verschraubt und nicht verleimt, wodurch sich verzogene oder defekte Hälse einfach austauschen ließen. Die Ahornhälse verzogen sich aber schon oft bei der Auslieferung, wodurch das Image dieser Gitarren deutlichen Schaden nahm. Und so geschah es, dass diese Modelle schon bald um einen Halsstab, der von hinten durch eine schmale Nut eingesetzt wurde, ergänzt wurden.
Ab 1950 wurden die Esquire sowie die Broadcaster angeboten, beide mit Esche-Body (wovon manche aus besonders leichter Sumpfesche bestanden), Ahornhals und mit einem schwarzen Schlagbrett (Blackguard) verziert. Bei der Esquire bedeckte dieses Pickguard die standardisierte Fräsung für einen Front-Pickup, der allerdings nur bei der Broadcaster auch eingebaut wurde. Nach einem Rechtsstreit mit Gretsch, die den Modellnamen ‚Broadcaster‘ für sich beanspruchten, nannte Leo Fender sein Modell mit zwei Pickups „Telecaster“. In einer kurzen Übergangsphase im Jahr 1951 wurde der Modellzusatz „Broadcaster“ einfach abgeschnitten, weshalb diese Gitarren nur noch den nackten Fender-Schriftzug auf der Kopfplatte trugen – sie sind heute als ‚Nocaster‘ bekannt und besonders selten.
Ihren markanten Sound verdankten diese frühen Instrumente vor allem ihrem Esche-Body, der klare tiefe Bässe sowie recht stringente Höhen lieferte. Wesentlich ünterstützt wurde der Charakter durch die Befestigung des Bridge-Pickups in einem recht dünnen Metallrahmen. Ursprünglich verfügten die Telecasters noch über eine Metallabdeckung über dem Bridge-Pickup, die die meisten Player jedoch zugunsten einer besseren Bespielbarkeit sofort entfernt haben.
Diese Blechschalen häuften sich auch bald in meinem Proberaum und wurden, wie überall auf der Welt, als Aschenbecher zweckentfremdet. Daher rührt auch ihr Spitzname „Ashtray“. Die Unterbringung des Bridge-Pickups auf eine Metallplatte sorgte mitunter für den scharfen, knackigen Sound dieser Tonabnehmer, die anfangs noch mit 43-Gauge-Enamel-Wire und AlNiCo-3-Magneten ausgestattet waren. Da dieser Draht etwas dünner als der später verwendete 42-Gauge-Wire war, wurden ein paar Wicklungen zugelegt, um ihn trotzdem kräftig genug klingen zu lassen. Diese Pickups haben einen fetten, warmen Sound, für den die frühe Blackguard-Telecaster von vielen geliebt wurde.
Darunter etwa Tom Pettys Leadgitarrist Mike Campbell, Billy Gibbons, Jeff Beck, Keith Richards und natürlich Danny Gatton. Die Baujahre für diese Ausstattung liegen zwischen etwa Ende 1950 bis Anfang 1954.
Fender „Blackguard“-Saitenaufhängung mit Messingreitern (Bild: Udo Pipper)
Die Brückenkonstruktion war in die Metallplatte integriert und bestand aus jeweils drei Messingreitern, über die jeweils zwei Saiten liefen. Keith Richards hat auf seiner Lieblings-Telecaster namens „Micawber“ gleich eine komplette Messingplatte von Schecter befestigt, die aufgrund ihrer Materialstärke und ihres höheren Gewichts einen fetteren, wärmeren Ton fördert.
Die Polepieces der sechs Stabmagneten sind flat, also in gleicher Höhe angeordnet und noch nicht gebevelt, sondern völlig flach mit scharfer Kante. Angeblich streut das Magnetfeld dieser Stabformen noch etwas mehr als die darauf folgenden Magneten mit abgerundeten Kanten (bevel).
Besonders interessant sind die Schaltungskonzepte dieser frühen Telecaster-Modelle, denn der Dreifachschalter wurde nicht etwa klassisch wie bei einer Les Paul verschaltet, sondern in der Frontposition jeweils als Filter für die Höhen, wobei ein großer Anteil des Hochtons meist über einen 0.05uF-Kondensator auf Masse geschaltet wurde. Das sorgte für den typisch dumpfen Sound in der Frontposition der Schalters. Ähnliche Konzepte setzte Fender ja auch bei der Jaguar oder Jazzmaster ein. Dank dieser Schaltung konnte jeder Gitarrist praktisch mit einer Schalterbewegunbg auch Bass spielen. Abgesehen von manchen Custom-Shop-Modellen, sind die meisten Telecasters heute jedoch serienmäßig mit einem Modern-Wiring versehen. Aber dazu ein andermal mehr …
Bis heute gilt die frühe Blackguard-Telecaster als der Inbegriff dieser Bauform schlechthin. Für viele der hier genannten Tele-Helden sind sie nach wie vor erste Wahl. Trotz ihrer Einfachheit, waren diese Instrumente ungeheuer vielseitig. Sie konnten wie eine Lapsteel klingen, schneidend und perkussiv, fast so seidig wie eine Western-Akustik, aber auch fett und donnernd wie etwa eine alte Les Paul. Sie waren außerdem prädestiniert etwa für Pinch-Harmonics oder extrem obertonreiche Powerriffs.
Aufgrund der zahlreichen Modellbezeichnungen wie Esquire, Broadcaster, No-Caster oder Telecaster werden diese Gitarren einfach nach ihren optischen Gemeinsamkeiten als Blackguard-Familie zusammengefasst. Viele Esquires wurden im Laufe der Jahre etwa wegen ihrer zusätzlichen Front-Pickup-Fräsung zu einer Broadcaster oder eben Telecaster umgebaut. So kann es sein, dass Musiker ganz unabhängig von der Bezeichnung jeweils genau das gleiche Modell spielen.
1953 Fender Esquire mit Routing für optionalen Hals-Pickup (Bild: Udo Pipper)
In der nächsten Folge befassen wir uns mit den unterschiedlichen 1953 Fender Esquire mit Routing für optionalen Hals-Pickup Schaltungskonzepten sowie der Weiterentwicklung der Telecaster.