Parts Lounge: Guter Vox – Böser Vox …

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1967er AC30 – natürlich handverdrahtet

Der beste Vox etwa, den ich je hatte, war ein 66er-Modell, in das mal Welter-Trafos aus Deutschland eingebaut wurden. Der klang für jede Art von Gitarren-Musik episch. Thomas Reußenzehn hat mir irgendwann alte Woden-Trafos dafür besorgt, die ich natürlich in festem Glauben an Originalität sofort einbaute. Aber dann war der Sound irgendwie dahin. Also marschierten die Welter-Trafos wieder zurück an ihren Platz.

Einen ähnlich perfekten Vox fand ich in einem 1969er-Modell mit diesen schwarzen, hängenden Trafos und späteren Celestion-„A Vox Product“-Alnico-Speakern. Der war ebenfalls unschlagbar, weil er ruhig lief, lange clean blieb und fast doppelt so laut war wie jeder andere seiner Kollegen. Bis etwa Baujahr 1970 genießen die Vox-Combos heute meine Absolution. Hauptsache sie sind handverdrahtet auf den langen, schmalen Lötboards. Hier ist die Wartung zwar immer etwas aufwendig, aber durchaus möglich und erfolgreich.

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Danach folgte eine lange Ära von Platinen-Amps, die wirklich qualitativ zu wünschen übrig ließen. Die Leiterbahnen verliefen hier chaotisch verschlungen wie Wurmlöcher in der Gartenerde. So richtig viel besser wurde das erst in der Marshall-Korg-Ära Anfang der Neunziger, als die ersten Vintage Reissues herauskamen. Diese wurden mit modernen Platinen – so habe ich es selbst gesehen – in Milton Keynes im Marshall-Werk gefertigt und klangen recht authentisch und gut. Sie waren jedoch noch nicht so zuverlässig wie die nachfolgende Handwired-Serie von Vox. Diese Amps bekomme ich in letzter Zeit immer wieder zur Wartung.

Ein moderner Vox Handwired

Im Grunde sind das die besten Vox-Amps, die es je gab, denn die Bauteile sind genauso übersichtlich und ordentlich verarbeitet wie bei den besten Boutique-Amps. Nur die Lade-Elkos und die Kondensatoren im Picofarad-Bereich gehen hier besser und sind daher meist die Ursache für Fehlfunktionen. Doch die sind schnell getauscht, und danach klingen diese Amps wieder absolut amtlich. Die Verarbeitung ist einfach exzellent, und der Preis stimmt hier auch, denn den kleineren AC15 bekommt man gebraucht oft schon für etwa 1.000 Euro, Celestion-Alnico-Speaker inklusive.

Für Bastler oder Tuner sind sie eine ideale Plattform für Verbesserungen seitens der Bauteile oder Röhren, denn alles ist leicht zugänglich und übersichtlich. Auch optisch sind diese Amps eine Augenweide.

Gerade habe ich bei einem neuen AC15 die Koppelkondensatoren gegen TAD-Typen getauscht, die Elkos gegen F&T-Typen. Sämtliche Scheibenkondensatoren wurden durch Silver-Micas von TAD ersetzt. Der Amp klang damit voller, dynamischer und gefälliger im Hochton. Fast schon wie ein altes Modell aus den frühen Sechzigern. Eine hervorragende Stellschraube ist außerdem der Kathoden-Widerstand. Beim AC30 ist das meist ein 50-Ohm- und beim AC15 ein 130-OhmWiderstand. Diese ersetze ich oft gegen einen 68- beziehungsweise 160-Ohm-Widerstand, wodurch die Amps etwas später verzerren und gleichzeitig die Endröhren schonen.

Ein bisschen mehr Clean-Headroom tut diesen Amps ebenfalls sehr gut. Momentan steht auf meiner Werkbank ein 62er-AC30 mit nachträglich eingebauter Topboost-Einheit. Das ist natürlich der König aller AC30-Modelle und bedarf einer gründlichen Überarbeitung. Hier sind es vor allem die porösen Widerstände, die Probleme bereiten. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als diese schrittweise zu ersetzen, da man die Fehlfunktion meist nicht messen kann. Mit etwas Geduld und Zeit gelingt aber auch hier ein ruhiger und stabiler Amp, der vermutlich wieder für viele Jahre ohne Probleme läuft.

Wer also in alte Vöxe investieren möchte, dem sei die Ära von 1960 bis 1969 ans Herz gelegt oder die Handwired-Serie. Das sind die „guten Vöxe“, die vermutlich auch lange Spaß machen. Klanglich ist für mich ein gut restaurierter AC30 immer noch einer der besten Combos überhaupt.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

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