Kolumne

Parts Lounge: Dumble Overdrive Special

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Dumble Overdrive Special 50WX 1977 (Bild: Pipper)

Eigentlich dachte ich, ich müsste meine Kolumne „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“ aus der letzten Ausgabe – eigentlich für mehrere Teile geplant − grob unterbrechen, weil nun für kurze Zeit eine außergewöhnliche Amp-Seltenheit ins Haus geflattert kam. Aber während ich diese Zeilen hier verfasse, wird mir umso klarer, dass auch dieses Thema exzellent in die semantische Bedeutungsebene passt. Es geht um einen Dumble Overdrive Special aus der frühen Silverface-Ära, Baujahr 1977.

Solche Funde sind unter Instrumentenliebhabern an Seltenheit kaum zu übertreffen. Es ist bekannt, dass Howard Alexander Dumble nur circa 300 Amps gebaut hat. Und dies ist nun der zweite Dumble, den ich zu meinen Lebzeiten auf den Tisch bekomme. Und ich vermute, dass es auch der letzte sein wird. Der erste kam 1997 von Siggi Schwarz, seinerzeit Inhaber eines wohlbekannten Musikgeschäfts in Heidenheim. Der war aus der späteren Produktionsphase von Dumble mit 100 Watt, Blackface-Chassis und klanglich eher auf Highgain-Sounds ausgelegt. In Puncto Dynamik und Klarheit war dieser Amp allerdings ein Ausnahmetalent und auf seiten der Lautstärkeausbeute schon eher ein PA-System. Es war einer der lautesten Amps, die ich je gehört habe.

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Ganz anders der Silverface von 1977, den ich jetzt bekommen habe. Er hat nur 50 Watt aus zwei 6L6 und klingt damit auch zimmerlaut umwerfend überzeugend. Der Amp hatte bisher nur einen Vorbesitzer, der ihn 1978 erstanden und seither pfleglich behandelt hatte. Außer einem aus einer zusätzlichen Röhre gespeisten Effekt-Return hat er keinerlei Modifikationen. Sogar die alten Röhren (RCA, Sylvania) sind noch drin und verrichten sauber ihre Dienste. Auch das hebt die Seltenheit dieses Amps in eine außergewöhnlich hohe Sphäre, denn die meisten Dumbles wurden im Laufe ihres Daseins schon mal repariert oder modifiziert. So galt es etwa Anfang der Achtzigerjahre als schick, einen zusätzlichen Hall einzubauen oder den Presence-Schalter (Accent) in einen Regler umzuwandeln.

Das Innenleben, vom Meister Dumble verlötet (Bild: Pipper)

PHOENIX AUS DER ASCHE

Kürzlich wurde nun während der NAMM-Show 2025 in LA bekannt, dass einige Liebhaber, die Howard Alexander Dumble zu Lebzeiten nahestanden und mit seiner Familie in Kontakt stehen, in einer Art Legacy-Idee die Produktion dieser Amps in sehr kleiner Stückzahl wieder aufnehmen wollen. Allen voran gab Vintage-Experte Drew Berlin auf einem eigens eingerichteten Dumble-Booth der Weltpresse fleißig Interviews zu diesem Thema. Er und seine Kollegen hatten eine kleine, aber feine Dumble-Sammlung zusammengetragen und dort zum Erstaunen der Messebesucher ausgestellt. Darunter auch Amps von Robben Ford oder Stevie Ray Vaughan.

Die Resonanz war natürlich riesig, und es gab während der NAMM zahlreiche Videos auf Youtube zu diesem Thema. Nachdem Dumble im Januar 2022 verstorben war, explodierten die Preise für einen gebrauchten Amp ins beinahe Unermessliche. 250.000 Dollar oder mehr werden heute für ein solches Sammlerstück aufgerufen. Und offenbar gibt es Sammler, die auch bereit sind, solche Preise für eines dieser sagenumwobenen Exemplare zu bezahlen. Sofort erhebt sich in den Foren eine hitzige Diskussion, ob solche Preise nun gerechtfertigt seien. Das erinnert an die Auseinandersetzungen über andere Vintage-Ikonen, etwa eine 1959er Gibson Les Paul Standard, kurz „Burst“ genannt.

Und auch das erinnert mich an meine Kolumne aus dem vergangenen Monat, als ich über die Bedeutung von Kunstgegenständen schrieb. Es gibt eben Instrumente, die sind nicht einfach die Summe ihrer Bausteine, sondern aus der Zeit ihrer Entstehung heraus zu sehen. Braucht man eine Burst oder einen Dumble, um gut zu klingen? Keineswegs! Lassen sich da etwa im Amp Bauteile erkennen, die in der Summe solche Preise erklären? Nein! Man könnte aber auch fragen, ob die Leinwände und Farben von Gerhard Richter oder Anselm Kiefer die Preise für deren Gemälde erklären. Das wäre natürlich genauso unsinnig. Phänomene wie diese finden sowieso außerhalb unserer Erlebniswelten statt. Daher habe ich nie begriffen, warum man darüber überhaupt streiten muss. Mir ist es persönlich doch ganz egal wie viel der Kölner Dom wert wäre, ein Rembrandt oder ein Dinosaurier-Skelett. Trotzdem schaue ich mir solche Dinge gern an, lese darüber und finde die Hintergründe ihrer Entstehung spannend. Und genau in diese Bereiche bewegen sich bestimmte Musikinstrumente in der Geschichte mehr und mehr. Es sind Zeitzeugen einer vielleicht spezifischen Ära, Zeugen von besonders herausragenden Erfindern, die aus bestimmten Gründen eine große Berühmtheit erlangt haben. Und Dumble war eine solche Berühmtheit. Er hat mit seinen Konstrukten Geschichte geschrieben. Er hat solchen Amps seine Persönlichkeit einverleibt.

Es geht auch an mir nicht spurlos vorbei, wenn ich den Amp öffne und mir die Arbeit von Dumble anschaue. Immerhin hat er das alles zusammengesetzt und verlötet. Der Preis der einzelnen Bauteile ist mir auch hier in der Summe egal. Ein früher Silverface Dumble ist der Amp, über den David Lindley, Jackson Brown, John Mayer, Joe Bonamassa und Santana gespielt haben. Und das nicht, weil es so „hip“ war, sondern weil sie den Sound dieser Amps mochten. In Teilen entstand John Mayers ‚Continuum‘-Album über einen solchen Amp. Es ist mittlerweile eben ein Stück Amp-Historie, und das ist schon fast alles, was einen solchen Amp ausmacht.

In der Praxis klingt der Verstärker dennoch mit den Qualitäten, die zu seiner Mystifizierung beitrugen. Allein der Clean-Sound ist buchstäblich „to die for…“. Super schneller Attack, gefolgt von einem unerklärlich langen Sustain. Der Amp singt so unverhohlen vor sich hin, dass man eine Gänsehaut bekommt. Im Overdrive-Modus, in dem einfach eine zusätzliche Röhre nach der Klangregelung aktiviert wird, ertönt sofort dieser typisch mittige, Tenor-Saxophon-artige Lead-Sound, der sogar in unteren Lautstärkebereichen fett und schmatzig daherkommt. Und das erreicht man eigentlich ganz einfach. Bei mir standen fast alle Regler auf nahezu „12 Uhr“, um diese Sounds genießen zu dürfen. Man kann zwar eifrig herumregeln, aber der auffällige Grundcharakter bleibt stets erhalten. Der Sound scheint sich von keiner vermeintlich schlechten Gitarre kaputt machen zu lassen. Nur seitens der Lautsprecher ist der Dumble etwas wählerisch. Ich habe etliche Speaker probiert und bin – wenn wundert es – bei den typischen Spielpartnern wie dem Celestion G12-65 Heritage oder dem alten Electro-Voice EV12L hängengeblieben. Das sind einfach die idealen „Pappen“, vorausgesetzt man sucht nach den Dumble-Sounds, die man von zahlreichen Aufnahmen nun mal so kennt.

Kollege Christian Tolle kam persönlich zum Test (Bild: Pipper)

VERWANDTSCHAFT

Sichtlich erregt von dieser mehr als überzeugenden Klangqualität, habe ich natürlich in die auch mittlerweile bekannten Boutique-Repliken reingehört. Ein Two Rock war dabei, auch ein Fuchs oder ein Amplified Nation und noch einige andere mehr. Alles tolle Amps, die auch, sagen wir mal, teilweise diesen Charakter widerspiegeln, aber im direkten Vergleich mit dem „Kunstwerk“ von Dumble eher etwas blass wirkten. Weniger Obertöne, weniger Wärme, Sustain und Klangfarben. Auch begrub ich ganz schnell wieder die Illusion, man könnte mit irgendeinem Fußpedal dieser Welt, den Overdrive-Sound über einen sehr gut eingestellten, alten Fender-Amp nachstellen. Natürlich erinnern solche Konstrukte „irgendwie“ an diese Sounds, aber im direkten Vergleich blieben der Anschlag und die Tonentwicklung eher flach. Zum Glück gibt es im Netz reichlich Schaltpläne berühmter Dumble-Amps. Daher habe ich zwei Wochen investiert und den Silverface-Dumble #040 (der soll baugleich mit dem Amp sein, der mir zur Verfügung steht) exakt nachgebaut. Dazu habe ich sogar nach Original-NOS-Bauteilen Ausschau gehalten und einiges davon völlig überteuert irgendwo in den USA bestellt. Als alles da war, entstand dann ein Amp, der bestenfalls auf dem Niveau der Two Rocks oder einigen anderen Repliken tönte. Die Formel für dieses „extra bisschen Mehr von allem“ habe auch ich noch nicht gefunden.

Und, spielt das nun eine Rolle? Eigentlich nicht, denn wir wissen ja alle, dass „wenn the drummer comes in …“ und ein Mikrofon davor steht oder man einfach nicht spielt wie Robben Ford oder Larry Carlton, sich all diese Qualitäten wieder relativieren. Ein Dumble, erst recht ein so frühes Modell, kann nur von seiner Bedeutung für bestimmte Liebhaber aus gesehen werden. Der Wert liegt dann einfach da, was dafür irgendwo auf der Welt bezahlt wird. Und ich würde dennoch nie soweit gehen und sagen: „Das ist doch einfach nur ein getunter Fender-Amp.“ Ich freue mich über solche Erlebnisse, weil ich ein Amp-Verrückter bin. Wie selten das ist und was solche Instrumente kosten, geht an meinen Möglichkeiten eh komplett vorbei. Ich muss ja auch keine Dinosaurier-Skelett zuhause haben.

In diesem Sinne … ●


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2025)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Danke Herr Pipper, ein ausgezeichneter Artikel! 😊👍

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