Im Interview
Marius Goldhammer: Einblick ins Profi-Bass-Geschäft
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Simon Engelbert)
Der Kölner Bassist Marius Goldhammer zählt zu den meistgefragten und erfolgreichsten deutschen Session-Musikern. Neben seinen eigenen Bands und Projekten hat er im Studio und auf der Bühne unter anderem mit Chaka Khan, Gloria Gaynor, Gentleman, Peter Maffay, Stefanie Heinzmann, Max Mutzke, Joe Sample, Milow, Clueso oder BAP gespielt und an circa 300 CD-Produktionen, Werbejingles und Soundtracks mitgewirkt. Zudem ist er E-Bass-Dozent an der Kölner Musikhochschule und gibt Masterclasses an Hochschulen in Maastricht, Enschede und Arnheim. Wir haben den 58-Jährigen über sein großes Betätigungsfeld befragt.
INTERVIEW
Marius, besteht für dich ein Unterschied, ob du eigene Songs mit eigenen Projekten spielst oder als Session-Musiker arbeitest?
Ich würde es nicht so strikt voneinander trennen, denn der Anspruch ist eigentlich immer der gleiche, unterschiedlich ist nur die Aufgabenstellung. Wenn man mit eigenem Material unterwegs ist, muss man sich um alles kümmern, von Komposition über Produktion bis zur Rolle als Frontmann, der auf der Bühne die Ansage machen muss. Wobei ich mit meiner eigenen Band in den zurückliegenden zwei Jahren gar nicht gespielt habe.
Allerdings kommt im September ein neues Album unter meinem Namen raus. In erster Linie bin ich nach wie vor Sideman, was natürlich ein bisschen einfacher ist, weil man da normalerweise nicht die alleinige Verantwortung trägt. Bei einigen meiner Projekte bin ich der sogenannte Musical Director und stelle quasi die Band zusammen, allerdings für andere Künstler.
Ich bin zum Beispiel MD auf den europäischen ‚Smooth Jazz Festivals’, die zweimal im Jahr stattfinden. Da gibt es zwei Hausbands, die während des Festivals zusammen etwa 15 Konzerte spielen. Das heißt: Jede Band spielt in dieser Woche mindestens sieben verschiedene Shows, mitunter sind es auch acht bis zehn.
Ich bin verantwortlich für eine der beiden Bands und erarbeite mit ihr das Material, kümmere mich um die Kommunikation zwischen Künstler, Veranstalter und den Musikern, die den Künstler begleiten. Daneben gibt es viele kleine Projekte, bei denen ich quasi festes Mitglied bin und mitschreibe und mitproduziere, die ich aber nicht als meine eigene Band bezeichnen würde. Dort bin ich einfach nur Teil eines Quintetts oder Quartetts.
Fühlst du dich als Sideman in deiner Kreativität überhaupt ausgelastet?
Es gibt Künstler, die einem sehr viel Freiraum lassen, was Lines, Grooves, Notenauswahl oder Sounds betrifft. Sie sagen: „Das ist deine Bank, du entwickelst deine Parts allein. Ich gebe dir nur den Song vor.” Aber natürlich gibt es auch Künstler, bei denen alles ganz klar vorgegeben wird und man sich eng an der betreffenden Aufnahme orientiert.
Dann heißt es für mich: Okay, das muss so gespielt werden und nicht anders, mit dem Sound und dem Approach. Für mich ist das jedoch kein allzu großer Unterschied, da man bei allem eine Motivation für sich finden muss, das Geforderte umzusetzen. Mal ist es die Kreativität, ein anderes Mal ist es die Herausforderung, einen Part genauso zu spielen, wie er auf Platte ist.
Gibt es Anfragen von Acts und Musikern, die dir stilistisch so fremd sind, dass du ablehnst, weil es nicht deinem Geschmack, deinem Spielstil entspricht oder du dich der Sache nicht gewachsen fühlst?
Ja, das kommt schon mal vor, allerdings eher selten. Ich mache diesen Job schon so lange, dass die Leute wissen, wo ich musikalisch zu Hause bin. Das ist bekanntlich sehr breit gefächert, das Spektrum reicht von Singer/Songwriter bis Pop und Jazz.
Aber wenn mich beispielsweise eine Metal- oder Punk-Band fragen würde – was ich im Studio vor vielen Jahren auch schon gemacht habe –, wäre das natürlich nicht mein Genre. Und auch für eine Bigband-Jazzaufnahme würde mich wahrscheinlich niemand kontaktieren. Das könnte ich zwar und würde mich irgendwie durchwurschteln, so dass es am Ende okay ist, aber es gehört nicht zu meinen Spezialgebieten. Da gibt es Musiker, die das besser machen.
Ist das dein wichtigster Tipp für angehende Profimusiker: Schuster, bleib bei deinen Leisten?
Ja, zum Beispiel. Was ich meinen Studierenden aber vor allem mitgebe und was für mich ganz oben auf einer fiktiven Liste steht, ist gute Vorbereitung. Man kann nicht gut genug vorbereitet sein, egal ob für einen Gig, für eine Studio-Session oder für eine Tour. Gute Vorbereitung ist das A und O.
Das bedeutet: Ich verbringe sehr viel Zeit damit, meine Hausaufgaben zu machen, also Songs rauszuhören und die Noten rauszuschreiben, um sie gegebenenfalls auswendig zu lernen. Außerdem schaue ich mir eventuell eine Live-Aufnahme auf YouTube an, um herauszufinden, ob die Version, die ich derzeit lerne, tatsächlich der entspricht, die live gespielt wird.
Ich versuche zu gewährleisten, dass ich möglichst gut vorbereitet zur betreffenden Probe oder zum anstehenden Gig komme. Oft gibt es ja gar keine Proben, sondern man fährt zum Gig, im Soundcheck werden ein paar Sachen angespielt, und dann wird direkt losgeschossen. Das heißt: Man muss mit dem Material vertraut sein und gute Charts besitzen, oder im Zweifelsfalle die Stücke so gut auswendig gelernt haben, dass man sie auch ohne Probe fehlerlos performen kann.
Das ist halt ein ganz wichtiger Faktor, bei dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Man erlebt häufig Musiker, die nicht gut vorbereitet sind, anschließend aber auch nicht wieder angerufen werden.
Was ist mit dem passenden Sound für den betreffenden Act?
Natürlich gehört es auch dazu, den richtigen Sound für den richtigen Song anzubieten und sich in seinem Bereich Gedanken gemacht zu haben, was am besten passt. Und sich zu fragen: Ist das jetzt nur mein Geschmack oder passt es tatsächlich am besten zum Song oder zur Musik?
So etwas lernt man durch Studioarbeit. Da es jedoch die klassischen Studiosessions wie in früheren Zeiten kaum noch gibt, muss man das auf den Live-Kontext übertragen und schauen, was das Richtige in diesem Moment ist. Was ist das richtige Instrument? Was ist der richtige Approach?
Muss ich das vielleicht mit einer anderen Fingertechnik spielen? Brauche ich ein anderes, ein spezielles Instrument? Zu einer Punkband mit einem sechssaitigen Aktivbass zu fahren ist wahrscheinlich eher nicht die richtige Wahl. Ich glaube, dass viele Künstler merken, ob jemand versucht, immer das richtige Instrument und den richtigen Sound für diese Musik zu finden und sich darüber Gedanken macht.
Ich habe letztens ein Interview mit Wolfgang Niedecken von BAP geführt, sein O-Ton war: „Ich bin nur derjenige, der dem Publikum die Geschichten erzählt, die Band weiß sehr viel besser, was die Songs brauchen.” Du hast ja auch für ein Jahr bei BAP gespielt.
Wolfgang sagt immer, er sei der einzige Amateur in seiner Band und er überlässt das Arrangieren der Stücke seinen Musikern. BAP sind eines der Beispiele, bei denen man relativ viel Freiraum hat. Es gibt dort natürlich einen MD beziehungsweise ein MD-Pärchen, nämlich Ulle Rode und Anne de Wolf, die sich um die musikalische Umsetzung kümmern und auch in den Proben gegebenenfalls eine Entscheidung herbeiführen, wenn es viele verschiedene Meinungen gibt und man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt.
Wir haben damals eine Woche lang für ein ziemlich umfangreiches Programm geprobt, das aktuelle BAP-Set geht über dreieinhalb Stunden, gerne auch mal über fast vier Stunden, wenn die Band in Köln spielt. Seinerzeit haben wir circa 35 Songs geprobt, von denen dann 27 oder 28 live gespielt wurden.
Darunter auch Stücke, die ein neues Gewand haben und ein bisschen anders klingen sollten; bei denen das Intro oder das Ende verändert wurden, zumal es die erste Tour mit Bläsern war. Das bedeutete: Es musste sehr viel justiert werden. Also haben anfangs alle drauflos gespielt und nach dem ersten Durchgang geschaut, wie man die Bläser besser integrieren kann, was man harmonisch verändern könnte, und so weiter.
Wolfgang lässt alle ihr Ding machen, er legt nur dann sein Veto ein, wenn sich irgendetwas für ihn falsch anfühlt. Das ist zwar eher selten, aber dann sagt er sofort: „Hey Leute, ihr verrennt euch da, das geht in die falsche Richtung. Lasst uns mal wieder ein Stück zurückrudern und schauen, wo wir angefangen haben, und das ein bisschen strukturierter oder einfacher halten, weil: So verstehe ich meinen eigenen Song nicht mehr.”
Anne und Ulle sind dann diejenigen, die festlegen: „Okay, so machen wir es jetzt und so lang ist das Intro. Wir machen es nicht 16 Takte, sondern nur 8, und dann kommt nochmal das, dann das und dann das! Okay, so versuchen wir es jetzt!”
Wie sieht dein aktuelles Equipment aus?
Ich besitze diverse Bässe, darunter zwei Sadowskys, nämlich einen MetroLine JJ 5-String mit Esche-Body, Ahornhals und DiMarzio Single Coils, und einen MetroLine JJ 5-String mit Erle-Body und Morado-Griffbrett. Hinzu kommen sechs Fender-Bässe: ein 1973er Jazz Bass mit EMG-Pickups und Badass-II-Brücke, ein 1969er Jazz Bass mit 73er Pickups, ein 1966er Jazz Bass mit Kloppmann-Pickups, ein 1963er Precision, ein 1967er Coronado und ein 1971er Mustang.
Neben einem 2024er De Gier Bebop Classic mit 1969er Fender-PUs spiele ich Bässe von Vincent Bassguitars, Moollon oder auch Three Dots Guitars, die nicht so häufig zum Einsatz kommen. Die Fender-Jazz-Bässe und die Sadowskys sind die Konstanten, alle anderen variieren je nach Künstler, Studio- und Live-Anforderung.
Mein Amp ist ein EICH T-1000, meistens mit einer EICH-210M-Box oder einer EICH 112XS beziehungsweise EICH 1210. Außerdem bin ich ein großer Freund von Preamp-Pedalen, um verschiedene Sounds auf Knopfdruck verfügbar zu haben. Zu meinen derzeitigen Favoriten gehören die Colour Box V2 von JHS und der Messenger Jr von der kanadischen Firma Broughton.
Auch den Studio One Preamp von Broughton benutze ich gerne. Man hat bei all diesen Preamps sehr guten Zugriff auf die Mittenfrequenzen, die entscheidend für einen brauchbaren Basssound sind. Falls ich mal einen Compressor benutze, dann meistens den von Collaboration Devices.
Bei Vintage-mäßigen, angezerrten Sounds mag ich den Tubedrive von Singular Audio. Plakativere Effekte wie etwa Octaver benutze ich eher sparsam, und wenn, dann den Octabvre von 3Leaf Audio, den SubSonic von Broughton oder den Vintage Bass Octave von MXR. An Saiten spiele ich seit Jahren Dunlop Stainless Steel, meistens den Marcus Miller „Super Brights” Signature-Satz .45 – .105 auf Viersaitern und .45 – .125 auf Fünfsaitern.
Du bist bekanntlich auch Dozent an der Kölner Musikhochschule und somit an der Vergabe von Studienplätzen beteiligt. Welche Kriterien legst du bei den Bewerbern an?
Durch YouTube und andere Plattformen gibt es Musiker und Musikerinnen mit einem beachtlichen spieltechnischen Niveau. Das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, dass viele denken, sie müssten alles draufhaben und genauso gut spielen können wie jeder, der auf diesen Plattformen stattfindet.
Das funktioniert natürlich nicht, diesen Zahn muss man den Studierenden sofort ziehen und ihnen sagen: „Du brauchst nicht alles zu können, du musst deinen eigenen Weg finden! Es ist schön, dass du dir das alles anhörst, aber du musst nicht gleichzeitig Bebop-Solist und Metal-Spezialist sein. Marcus Miller wird auch nicht angerufen, wenn Metallica einen neuen Bassisten suchen. Also finde deinen Weg, finde das Ding, das du am liebsten machst!”
Die generellen Parameter sind natürlich eine gewisse Technik, wobei die nichts mit Geschwindigkeit zu tun hat, sondern eher mit Präzision, mit sauberem Spiel, dass also keine Saiten mitschwingen und kein Schnarren zu hören ist, sondern dass ein gleichmäßiges Spiel, Dynamik und so weiter vorhanden sind. Und natürlich Timing!
Das steht weit oben, nicht nur bei Bassisten und Schlagzeugern, sondern hoffentlich bei allen Musikern. Und Sound! Sound ist für mich das, was die Hände machen und was über das Instrument weitergegeben wird. Da kann man sehr viel mit Spieltechnik machen.
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2025)
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