Das Ende des Universums naht

Linus Klausenitzer & Obscura

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Linus Klausenitzer
(Bild: NOEL AUCH)

Zumindest des Universums, das sich die Tech-Death-Giganten von Obscura mit ihrem Vier-Alben-Konzept kreiert haben. Die finale Platte dieser Tetralogie wurde vor Kurzem veröffentlicht.

Mit seinem singulären 6/7-Saiten-Fretless-Bass-Sound genießt Linus Klausenitzer großes internationales Renommee. Er wurde u. a. 2016 beim Loudwire Music Award neben den Bassisten von Guns N‘ Roses und Red Hot Chili Peppers zum besten Bassisten des Jahres nominiert. Wir haben uns mit Linus Klausenitzer beim Konzert in Stuttgart getroffen, um ihn über das aktuelle Obscura-Album ‚Diluvium‘ und seinen musikalischen Werdegang zu befragen.

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interview

Linus, wie würdest du euer neues Album, vielleicht auch im Vergleich zum Vorgänger, beschreiben?

Es ist der finale Teil eines 4-Alben-Konzepts, an dem inzwischen neun Jahre lang gearbeitet wurde. Grob gesagt geht es dabei um den Lebenszyklus eines Universums, der sich sowohl textlich, als auch im Artwork und in der Musik widerspiegelt. Zum Ende dieses Zyklus wird es entsprechend dramatisch und düster. Das Album ist definitiv das abwechslungsreichste, das wir je geschrieben haben. Es ist direkter, grooviger und virtuoser als die Alben davor. Ich freue mich schon jetzt, die Songs endlich live spielen zu dürfen.

Wie lange habt ihr an den Songs für das Album gearbeitet?

Theoretisch haben wir zwei Jahre daran geschrieben, aber natürlich mal mehr, mal weniger. Die letzten Wochen vor unserem Studiotermin waren sehr intensiv. Es gab teilweise über 20 Versionen von einem Song. Die Arbeit daran hat sich gelohnt und die Tatsache, dass sich jedes Bandmitglied zu ziemlich gleichen Teilen eingebracht hat, hat die Kompositionen so vielseitig gemacht. Wir bauen in unserer Musik sehr auf die Stärken der einzelnen Musiker.

Wie oft probt ihr als komplette Band?

Leider proben wir nur vor Shows und Touren. Ich lebe in Erlangen und wohne somit gute 300 km von unserem Proberaum bei Salzburg entfernt. Eine wöchentliche Probe ist daher nicht möglich. Wir wissen aber zum Glück, wie wichtig es ist, gut vorbereitet zu sein und kommen mit der wenigen Probezeit meist sehr gut hin. Ansonsten passiert die meiste Kommunikation am Telefon und online.

Linus Klausenitzer
(Bild: Christian Martin Weiss)

Habt ihr euren Bandnamen tatsächlich vom gleichnamigen Album von Gorguts?

Unsere Band hat ihren Namen tatsächlich wegen Gorguts bekommen. Steffen (Kummerer) war damals vom einzigartigen Klang der Platte so beeindruckt und fand den Namen so griffig, dass er seine neue Band danach benannt hat. Die meisten neuen Metalbands verwenden inzwischen längere Kombinationen aus Wörtern, weil es scheint, dass schon alle einzelnen Worte vergriffen sind. Wir waren wohl eine der letzten Bands, die noch einen solch kurzen Namen abgreifen konnten. (lacht).

Musiktheorie ist ein großes Thema bei eurer Musik. Wie schreibt ihr eure Riffs? Was kommt zuerst und wie geht’s dann weiter?

Ich persönlich beginne jedes Mal mit einer einzigen Grundidee. Das ist sehr oft eine Akkordfolge, aus der dann Riffs, weitere Akkorde oder Arpeggios resultieren. Die Grundidee kann aber auch ein rhythmisches Konzept oder eine Song-Struktur sein. Wenn die Idee nicht gut genug ist, bemerkt man es recht schnell, weil man im Songwriting nicht weiter kommt. Im Idealfall erschließt sich der Song automatisch.

Wisst ihr von jedem Riff, das ihr auf die Platte bringt genau den musiktheoretischen Hintergrund?

Ich kann auch hier nicht für jeden sprechen, aber mir hilft es sehr zu verstehen, was in der Musik passiert. Ich habe live die Freiheiten, bestimmte Parts jeden Abend etwas anders zu spielen. Dafür muss ich natürlich wissen, welches Tonmaterial Sinn macht. Zudem ist die Struktur im Kopf eine gute Gedächtnisstütze. Viele Metalbands trauen sich an das Thema Musiktheorie nicht heran. Dabei liegt hier noch viel Potential, um Musik zu schreiben, die eben nicht austauschbar klingt.

Linus Klausenitzer
(Bild: NOEL AUCH)

Wie kamst du zum Bass?

Laut meiner Mutter haben die Eltern schnell mein musikalisches Talent entdeckt, aber meine Leidenschaft an Instrumenten wie der Geige, Trompete, Kontrabass oder Klavier hielt sich in Grenzen. In meiner ersten Geigenstunde als Vierjähriger bin ich durch den Raum gerannt und habe nur geschrien – mit der Geige auf dem Kopf. Warum ich nur Interesse für ein einziges Instrument aufbringen kann, dies jedoch mit größter Leidenschaft, ist für mich selbst unerklärlich.

Wann hast du mit Fretless-Bässen angefangen?

Auf dem Music College habe ich zum ersten Mal in einer Band-Besetzung einen Fretless-Bass in der Hand gehabt. Als Obscura bei mir angefragt haben, besaß ich gar keinen Fretless. Also habe ich mir schnell einen billigen 6-Saiter über eBay besorgt, mit dem ich die Stücke geübt und mir am billigen Material die Finger eingerissen habe. Bis zur ersten Tour kam zum Glück sehr schnell das Endorsement mit Ibanez zustande, sodass ich den Bass spielen konnte, den ich wollte.

Bei meiner zweiten Band Alkaloid verwende ich sowohl Fretless-Bässe als auch bundierte Intrumente. Ich kann nicht sagen, was mir besser gefällt. Ich liebe die unterschiedlichen Klänge. Deshalb spiele ich auch gerne den Ibanez Ashula, ein Hybrid-Bass, der beide Welten verbindet. Auf dem aktuellen Obscura-Album habe ich damit ein reines Bass-Stück als Bonustrack eingespielt. Ich wollte dabei beide Sounds zusammenbringen – den singenden Ton des Fretless-Basses und die perkussiven, harten Klänge eines bundierten Basses. Bei diesem Stück habe ich verschiedene digitale und analoge Halleffekte verwendet, um einen breiteren Klang zu erzeugen. Der Bass versinkt förmlich im Raum. Tatsächlich kann man aber sagen, dass der 6/7-Saiter Fretless-Bass inzwischen zu meinem Markenzeichen geworden ist. Im Metal ist durch die tief gestimmten Gitarren in den oberen Frequenzen Platz für den Fretless-Bass entstanden.

Linus Klausenitzer
Linus mit seinem Fretless-Ibanez-BTB676 (Bild: NOEL AUCH)

Spielst du ausschließlich mit Fingern oder nimmst du gelegentlich ein Plektrum zur Hand?

Auch hier kommt es wieder auf den Kontext an. Bei Obscura habe ich den Klang eines Plektrums tatsächlich noch nie als geeignet erachtet. Bei meiner anderen Band Alkaloid hingegen spiele ich manchmal ganze Stücke mit Plektrum. Ich weiß, dass dieses Thema für viele wie eine Religionsfrage ist, aber ich finde, es sind einfach nur zwei verschiedene Klangfarben. Das versuche ich auch immer in meinen Bass-Workshops zu vermitteln. Mit den Fingern ist man vielseitiger und hat direkteren Kontakt zum Instrument. Möchte man hart und perkussiv klingen, hat man mit den Fingern nur die Möglichkeit die Saite gegen das Griffbett zu schlagen. Damit bremst man aber die Schwingung aus, der Ton erklingt später und auch das Sustain lässt dann zu wünschen übrig. Einen harten Attack mit darauffolgendem, vollen Ton kann man viel besser mit einem Plektrum erzeugen.

Welches Equipment hast du beim neuen Album benutzt?

Ich stehe sehr auf den Ampeg-Sound. Es ist schwierig, mit einem Fretless-Bass vor allem in den unteren Frequenzen brutal und druckvoll zu klingen. Ich habe auch für dieses Album wieder andere Amps ausprobiert, bin am Ende aber wie so oft beim SVT 4 Pro von Ampeg gelandet.

Wenn ich nicht gerade Melodien spiele, vermisse ich beim Fretless-Bass zudem die perkussiven und hohen Geräusche, die beim Aufeinandertreffen von Saite und Bundstäbchen entstehen. Deshalb spiele ich normalerweise Roundwound Strings. In einigen Melodie- und Soloparts wollte ich jedoch einen warmen und akustischeren Ton. Dafür habe ich den Ibanez SRF700-BBF mit Flatwound-Saiten und Piezo-Tonabnehmer benutzt. Den Rest des Albums habe ich mit meiner Fretless-Version des Ibanez BTB676 eingespielt.

Linus Klausenitzer
Linus‘ Ampeg SVT-7 Pro mit zwei SVT 410HE Boxen (Bild: NOEL AUCH)

Ist es das gleiche Equipment, das ihr live verwendet?

Live verwende ich die Ampeg SCR DI-Box. Damit habe ich auf dem In-Ear-Monitor immer den gleichen Sound und bin abgeschottet vom oft schlechten Stromkreis der Venues. Egal auf welchem Festival und in welchem Land ich spiele: Das Teil passt ins Handgepäck und klingt super. Auf Tour nehme ich zusätzlich meinen Ampeg SVT 7 Pro mit, aufgrund des geringen Gewichts und um Schub um die Beine herum zu spüren. Dazu spiele ich den Boss CH1 Chorus und ab und zu einen Octaver (OC-2).

Linus Klausenitzer
Das Pedalboard von Linus mit Boss OC-2, Boss CH-1, Boss Tu-3 und Ampeg SCR-DI (Bild: NOEL AUCH)

Vielen Dank für das Gespräch!

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(erschienen in Gitarre & Bass 09/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 9/2023
Gitarre & Bass 9/2023
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schöner und vorallendigen interessanter Artikel über einen sehr interessantel Bassisten. Nur ein kleiner Fehler: Unter dem einen Bild steht:
    ,,Linus mit seinem Fretless Ibanez BTB676″ auf dem Bild aber hält er seinen BTB7 (den 7-Saiter) und nicht den BTB676. Der BTB676 steht hinter ihm im Rack.
    Ansonsten toller Text und auch das Interview war gut, der Typ scheint ganz nett zu sein

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