Aus Erfahrung gut

Im Interview: Jerry Douglas & Ron Block (Alison Krauss & Union Station)

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Weit mehr als eine Dekade war Funkstille, doch nun meldet sich die Allstar-Band rund um die grandiose Alison Krauss mit ‚Arcadia’ zurück. Wir sprachen mit Resonator-Koryphäe Jerry Douglas und Gitarrist und Banjo-Spieler Ron Block über die ganz besondere Chemie bei Union Station.

(Bild: Scott Simontacchi)

JERRY DOUGLAS

Jerry, es ist 14 Jahre her, seit ihr das letzte Album veröffentlicht habt. Wie war es, als du ins Studio zurückgekehrt bist und alle wieder getroffen hast?

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Wir hatten regelmäßig Aufnahmen, seit wir vor zehn Jahren von der letzten Tour kamen, sind also ständig am Ball geblieben. Aber es gibt nichts Besseres, als wenn wir in einem Raum zusammen sitzen und spielen. Innerhalb von zwei Minuten ist der Sound da – Alisons schwebende, wunderbare Stimme oben, Barry (Bales, Bass) ganz unten, Ron mit seinen großartigen Gitarrenparts, und ich bin dann so etwas wie der Maler, der herumgeht und hier lila und dort gelb hinzufügt. Ich versuche, den Gesang zu unterstützen. Es ist wirklich eine Freude, mit dieser Truppe zu spielen.

Wenn ihr einen Song auswählt, den ihr aufnehmen wollt, hast du dann schon einen Part im Kopf, wenn du die Melodie hörst, oder geschieht das beim Spielen?

Normalerweise beschäftige ich mich zunächst grob mit dem Song und entwerfe eine Art Fahrplan, an dem ich mich grob orientieren kann. Dann höre ich mir die Melodie und ihre Wendungen an. So kann ich mich ihr anpassen – oder sie umgehen und die Melodie zwar andeuten, aber nicht die exakte Linie spielen, sondern vielleicht eine Gegenmelodie einführen und dann zur ursprünglichen Melodie zurückkehren.

Wenn du „Malen” erwähnst – bei deinem Spiel bei Union Station fällt auf, dass du mit der Farbe sparsam umgehst. Da gibt es keine Note zu viel.

Ich habe eine Phase durchgemacht, in der ich tausende Noten gespielt habe (lacht). Aber das hat nur den Gesang überdeckt. Also beschloss ich, so zu spielen, wie ich es erwähnt habe: Ich höre zu, mache mir Notizen, nehme kleine Stücke und streue sie in mein Solo, damit man hier und da an die Melodie erinnert wird, die man bereits gehört hat. Dabei übe ich mich sehr in Zurückhaltung. Manchmal spielen die Leute eine Menge unnötiger Noten – wenn sie weniger spielen würden, wäre die Substanz jedoch in der Regel größer. Anstatt Tausende von Noten zu spielen, genügen meist vier oder fünf Töne.

Wie sieht es mit Sounds aus? Hast du bei den jeweiligen Nummern gleich Ideen für das passende Instrument?

Ich habe grundsätzlich zwei bis drei Möglichkeiten. Ich kann zur Weissenborn greifen, die mir einen gitarrenähnlichen Sound an die Hand gibt, oder zur Dobro, meinem Hauptinstrument, auf dem ich den größten Wortschatz habe. Die dritte Option ist die Lap Steel. Ich liebe das Spiel von David Lindley. Das ist es, wofür Lap Steels meiner Meinung nach wirklich geeignet sind.

Auf der anderen Seite nutze ich die Lap Steel manchmal, um mit einer Note oder einem Akkord einen Swell zu produzieren – oder ich lasse eine Note über mehrere Akkordwechsel stehen. Es ist ein bisschen wie Mathematik, aber es braucht auch das passende Feeling, man muss diese beiden Dinge mischen, was nicht immer möglich ist. Aber ich versuche es zumindest. Vor einem Song weiß ich, welches Instrument ich spielen werde. Normalerweise gewinnt die Dobro, aber es gibt einige Nummern, bei denen ich keine Dobro höre, dann übernimmt in der Regel die Lap Steel.

(Bild: Scott Simontacchi)

Das bringt uns zum Equipment. Ich habe herausgefunden, dass du manchmal ein paar ziemlich ungewöhnliche Pedale für deine Instrumente verwendest – wenn auch wohl nicht für deine Arbeit in Union Station: So etwas wie ein Q-Tron Auto Wah oder ein Timmy-Drive-Pedal.

Ich denke, das kommt daher, dass wir so lange nur akustisch gespielt haben und wir hören wollen, wie unser Instrument etwas anderes macht. Also greifen wir zu diesen Pedalen, und manchmal funktionieren sie wirklich gut. Ich liebe es, mit einem Delay zu spielen, nicht unbedingt mit einem ausgeprägten Ping-Pong-Effekt, sondern nur mit einer einfachen Wiederholung. Chorus-Sounds und Delays sind immer schön, dazu hier und da ein wenig Hall, um die Sache etwas abzumildern.

Aber es kommt darauf an, worum es in dem Song geht. Und es kann auch schnell zu viel werden, wenn man nicht aufpasst. Irgendwann hatte jeder in meiner Band einen Electro-Harmonix POG (Polyphonic Octaver). Ich habe dann gesagt: „Leute, keine POGs mehr!”, denn wir haben sie alle gleichzeitig benutzt und klangen wie eine 30-Mann-Combo. Also habe ich die POGs verboten.

Du hast gesagt, dass es im Laufe der Jahre viele Sessions für ‚Arcadia’ gegeben hat. Erinnerst du dich an die wichtigsten Geräte, die du für das Album verwendet hast?

Bei diesem Album habe ich hauptsächlich nur die Gitarre und ein Mikrofon benutzt. Mein Lieblingsmikrofon ist ein Neumann U67, alternativ ein Telefunken 251. Ich denke, das sind die beiden besten Mikrofone, die je erfunden wurden. Sie lieben die Dobro, sie lieben die Gitarre. Wenn ich live auf der Bühne Dobro spiele, arbeite ich mit dem Fishman Aura, bei dem ich zwischen verschiedenen Mikrofonen wählen kann. Eigentlich sind es mehr EQ-Settings als Mikrofone. Aber im Studio nehme ich hauptsächlich direkt auf, ohne Pedale oder irgendetwas. Das machen wir dann bei Bedarf im Nachhinein.

Welche Art von Resonatorgitarre ist im Moment dein Lieblingsmodell?

Ich habe eine Zeit lang mit Gibson zusammengearbeitet, doch das Dobro-Modell, das ich mit Gibson entwickelt habe, wurde am Ende zu teurer. Es war gut, aber die Firma hat sich zu sehr eingemischt. Daher beschloss ich, mich von Gibson zu trennen. Am Ende mochte ich die Gitarren, die sie bauten, nicht mehr. Die ersten waren großartig, doch dann, als ich die Sache aus den Augen ließ, haben sie den Preis extrem hochgeschraubt, was nie geplant war. Es sollte eine wirklich gute Einstiegsgitarre für wenig Geld sein, aber das hat irgendwann nicht mehr funktioniert.

Von dort ging ich zu Paul Beard, mit dem ich seit mittlerweile 20 Jahren zusammenarbeite. Wir haben verschiedene Signature-Modelle entwickelt, die unterschiedliche Sounds haben und unterschiedliche Dinge können. Als ich die Earls of Leicester, die Bluegrass-Band, gründete, klangen diese neuen Hybrid-Dobro-Resophonic-Gitarren nicht richtig, sie klangen nicht wie die alten Aufnahmen von Lester Flatt und Earl Scruggs. Paul baute mir eine Version einer alten Dobro, und sie klang großartig.

So hatte ich eine neue Gitarre, die wie eine alte klang und diese ersetzte, ich musste meine alten Gitarren also nicht mehr mit auf Tour nehmen. Normalerweise spiele ich eine Paul-Beard-Gitarre namens BlackBeard. Die erste echte Dobro, die ich je gesehen habe, war ganz schwarz, allerdings mit einem roten Griffbrett. Paul sagte: „Die wird niemand haben wollen.” Ich antwortete: „Bau mir einfach eine.” Jetzt baut er fast nur noch solche Gitarren.

Was wird dein Pedalboard für die Tour beinhalten?

Ich benutze nicht viele Pedale, aber ich lasse mir für diese Tour ein neues Pedalboard bauen, das alles beinhaltet, was ich für Union Station auch nur ansatzweise brauchen kann. Ich habe sogar ein Eventide H9 drauf. Auf das Q-Tron werde ich allerdings verzichten. Es ist ein cooler Sound, aber er ist nicht für diese Shows gedacht. Der POG wird drauf sein, einfach so, dazu ein paar verschiedene Delays, etwas Reverb und hier und da ein wenig Chorus.

Niemand will hören, dass an der Dobro viel herumgespielt wird. Mit der Lap Steel allerdings kann ich machen, was ich will. Die Weissenborn hingegen wird so gut wie in Ruhe gelassen, weil sie so ein wunderschönes, zart klingendes Instrument ist – sie mit irgendetwas zu verfremden, außer vielleicht mit einem leichten Hall, wäre gegen das Gesetz.

Nimmst du auch einen Verstärker für die Lap Steel mit, etwa einen Fender Deluxe oder etwas Ähnliches?

Ich habe angefangen, Kemper zu benutzen und auch ein Gerät der Marke Revv. Ich mag den Sound von Verstärkern in Kombination mit den Pedalen, aber wir haben bei Union Station keine Lautsprecher auf der Bühne, weil Alison so leise singt, dass alles, was auf der Bühne passiert, in das Mikrofon einstreut und ihre Kette durcheinander bringt. Wir haben alles ausprobiert. Wir haben den Verstärker in eine Kiste gestellt und einen Ventilator drangehängt, damit er nicht überhitzt, alles Mögliche. Der Kemper ist da die beste Wahl, und der Revv hat sich ebenfalls wirklich gut geschlagen. Er macht eine Menge Sachen, aber er macht keinen Lärm auf der Bühne (vermutlich handelt es sich um einen Revv D20 mit eingebauter Load Box und Two notes Speaker Simulation, Anm. d. Red.).

Ihr tragt also alle In-Ear-Geräte?

Korrekt. Auf unserer Bühne ist es wegen Alisons Stimme sehr ruhig. Doch was ich da in meinen Ohren höre, klingt wie eine fertige Platte. Das ist sehr beeindruckend.

(Bild: Crystal K. Martel)

RON BLOCK

Ron Block ist seit 1991 bei Union Station. Wie Jerry preist auch er das Zusammenspiel innerhalb der Band. Da sein Vater ein Musikgeschäft besaß, bekam er bereits in jungen Jahren hochwertige Gitarren quasi auf dem Tablett serviert. Davon zehrt er bis heute.

Ron, viele Leute loben Union Station für ihre künstlerische Interaktion. Was ist das Besondere an dieser Chemie?

Das ist nicht ganz einfach zu erklären, aber es gibt bestimmte Elemente dafür. Eines davon ist, dass jeder die anderen sehr respektiert. Wir alle machen Projekte, die nichts mit Union Station zu tun haben und sich musikalisch stark unterscheiden. Wenn wir jedoch bei Union Station zusammenkommen, gibt es einen einzigen Fokus. Im Mittelpunkt stehen die Songs. Ich denke, das Wichtigste bei uns ist, dass jeder sein Ego der Band unterordnet.

Wenn ich Alisons Stimme begleite, möchte ich, dass mein Spiel unter ihr liegt und sie unterstützt. Ich will nicht, dass die Leute sagen: „Wow, hör dir dieses Gitarren-Lick an!” Und ich denke, jeder in der Band vertritt diesen Standpunkt. Jerry etwa spielt in Projekten, bei denen er sich komplett gehen lassen kann. Das ist sehr beeindruckend. Wenn er jedoch bei Union Station im Einsatz ist, dann nimmt er sich zurück. Auch wenn er bei uns vielleicht manchmal ein bisschen mehr spielen möchte, überwiegt doch immer sein Sinn für Geschmack und für das, was bei dieser Band wichtig und prägnant ist.

Es geht also darum, sich gegenseitig zuzuhören. Hast du Tipps, wie man diesen so wichtigen Part üben und lernen kann?

Ich denke, das lernt man, wenn man sich Musiker anhört, die genau das tun. Ich habe in meinem Leben so viele verschiedene Musikrichtungen gehört, vor allem den alten Bluegrass, das frühe Bill-Monroe-Zeug mit Earl Scruggs, Lester Flatt und dann Flatt & Scruggs, Reno & Smiley, die Stanley Brothers, und dann den ganzen Weg bis hin zu Larry Sparks, Clarence White, J.D. Crowe & the New South oder The Country Gentlemen. Ich habe diese Musik geliebt.

Und dann gibt es natürlich Größen wie Ray Charles oder B.B. King, bis zurück zu Robert Johnson oder Jimmy Rogers in den 1920er- und 1930er-Jahren. Auf der anderen Seite stehen Musiker wie Joni Mitchell und James Taylor. Es gibt also eine riesige Bandbreite an Musik, die ich geliebt und gehört habe, und viele davon basiert auf Songs, nicht unbedingt auf heißen Soli. Ich bin also in mancher Hinsicht etwas anders als ein traditioneller Bluegrass-Flatpicker oder Banjospieler, da ich mich als Instrumentalist sehr viel Song-orientierter ausrichte.

Lass uns über Gitarren sprechen. Ich habe gelesen, dass du mit einer Martin D-18 angefangen hast.

Das stimmt nicht ganz. Meine erste Gitarre war, wenn ich mich richtig erinnere, eine Alvarez. Aber die Martin kam schon bald darauf. Als ich ungefähr 18 war – mein Vater besaß einen Musikladen namens „Hogan’s House of Music”, bei dem ich arbeitete – kauften wir eine runtergespielte 1969er D-18 in einem alten Koffer von jemandem für 300 Dollar. Ich wollte sie haben und habe meinem Vater die 300 Dollar dafür gegeben.

Das war die Gitarre, die ich von etwa 1982 bis etwa 1993 gespielt habe – also auch, als ich 1991 zu Alison kam. Es ist die Gitarre, die auf ‚Every Time You Say Goodbye’ (1992) zu hören ist. Später kamen weitere Hochkaräter dazu. Wann immer etwas Passendes im Laden verkauft wurde, sagte mein Vater es mir. Irgendwann bekam ich dadurch eine 1952er D-18.

Was meine Welt aber richtig veränderte, geschah im Jahr 2002 oder 2003: Ein Freund von mir namens Rickey Wasson, der früher bei J.D. Crowe & The New South spielte, rief mich an und sagte: „Ich habe die Gitarre mit dem Ton, den du für Alison suchst.” Es war eine 1938er D-28 Herringbone. Als er sie zu mir nach Hause brachte, habe ich sie mit all meinen Gitarren verglichen. Ich spielte erst diese Gitarre, dann spielte ich eine von meinen. Es war wie: „dreidimensional”, „zweidimensional”, „dreidimensional”, „zweidimensional”…

Diese Gitarre klingt fast wie ein Klavier, ihr Sound ist so voluminös – perfekt für meinen Job bei Union Station. Sie war immer noch so günstig, dass ich sie mir leisten konnte, also kaufte ich sie. Das war jahrelang meine Hauptgitarre für Aufnahmen. Und dann bekam ich eine 1938er D-18, wahrscheinlich um 2006, von einem Typen, der zu einer Show kam und einen Haufen seiner Gitarren verkaufte.

Nimmst du deine alten Instrumente mit auf Tour?

Manchmal nehme ich meine D-18 mit, meist zusammen mit meinem 1926 Gibson-Granada-Banjo. Wenn ich die beiden dabei habe, sind das meine beiden Hauptinstrumente. Ich packe sie selbst ein und nehme sie mit in den Bus. Generell habe ich rund vier Gitarren und zwei Banjos mit auf Tour. Der Gitarrentechniker kümmert sich um die restlichen Instrumente und all das Kleinzeug, aber diese beiden Instrumente bleiben ständig an meiner Seite.

Hast du schon das Setup für die kommende Tour festgelegt?

Noch nicht ganz, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die D-18 meine Hauptgitarre für die Standard-Stimmung sein wird. Dann habe ich eine Gitarre, die von Rick Hayes gebaut wurde. Das wird die Gitarre für das Tuning von ‚Forget About It’ und ‚Restless’ sein. Dann habe ich noch die originale 1969er D-18, die ich von meinem Vater gekauft habe. Sie ist tiefer gestimmt. Für einen Song benötige ich ein solch spezielles Tuning. Und dann, denke ich, brauche ich vielleicht noch eine für Drop-D.

Welche Tonabnehmersysteme hast du in diesen Gitarren?

Es variiert. Die Hayes hat ein L.R. Baggs Anthem. Bei der D-18 ist es etwas komplexer. Dort wurde nie ein Tonabnehmer installiert. Bei ihr verwende ich einen K&K Pure Mini. Dabei werden drei Kontaktpunkte an den Steg geklebt. Am anderen Ende sitzt eine Klinkenbuchse. Diese verbinde ich dann mit einem Sender, den ich mit Klett am Halsfuß befestige. Der Sender überträgt das Signal an ein Shure-Pedal, das bei der letzten Tour in einen Tone Dexter (Akustik-Preamp aus dem Hause Audio Sprockets) und dann in einen Grace-Design-Felix-Vorverstärker und schließlich ins Pult führte. Bei den Akustikgitarren benutze ich keine Effekte. Und ich glaube, Alison würde das auch nicht wollen.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2025)

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