Eine E-Gitarre, ihre Geschichte und ihre Konkurrenten

G&B-Classics: Gibson Flying V – Rock-Ikone

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Rock Ikone

Ken Achard schrieb in seinem Buch „The History and Development of the American Guitar“, dass Gibson die Flying V auf speziellen Wunsch des Kabarett-Duos Red Indian gebaut habe und sie danach dann ins reguläre Gibson-Programm übernommen hat. Diese vermeintliche Episode aus der Flying-V Geschichte darf zwar nicht allzu ernst genommen werden, aber die Schrägheit dieser These passt dennoch wunderbar zur vielleicht schillerndsten Gitarre des Rock’n’Roll – der Gibson Flying V.

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Die Flying V: Einst von Gibson geschaffen, um dem eigenen miefig-traditionellen Image entgegenzuwirken, hat sich dieses Design, mittlerweile auch unabhängig von der Traditionsmarke Gibson, als feststehendes Symbol für Progressivität und Aggressivität in die Gitarrengeschichte gebrannt wie kein anderes. Ihr Design ist nichts anderes als die Meisterlseitung eines Teams, das Gibson- Geschäftsführer Ted McCarty 1957 zusammengetrommelt hatte, um neue Gitarren zu entwerfen. Und man war damals stinksauer und zu allem bereit … aus gutem Grund!


Die 50er

„Leo Fender hatte sich über uns lustig gemacht“, erinnert sich Ted McCarty. „Und ich war richtig sauer auf ihn. Er erzählte überall im Land herum, dass Gibson eine langweilige, alte Firma sei, die noch nie eine neue Idee gehabt hätte und die gleichen Gitarren wie vor 50 Jahren bauen würde. Fender wäre jedoch der neue Stern am Gitarrenhimmel.“ Wobei: Leo hatte gar nicht mal so unrecht, denn die wirklich neuen Ideen in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre kamen in der Tat eher von ihm. Doch dann schlug das Imperium zurück!

Das Team um Ted McCarty, der Gibson von 1947 bis 1966 vorstand und dort viele brillante Ideen verwirklichte, entwarf die sogenannte Modernistic Series – drei Gitarren, die so außerirdisch waren wie keine anderen ihrer Zeit. Die drei Modelle wurden Flying V, Futura und Moderne genannt und im Juni 1957 zum Patent angemeldet. Da war aus der Futura nach kleinen Änderungen am ursprünglichen Design allerdings schon die Explorer geworden. Das Patent der Flying V mit der Nummer 181.867 wurde auf der NAMM-Show 1958 erstmals in Form einer Gitarre der Öffentlichkeit vorgestellt. Ihr Namensgeber war übrigens Seth Lover, der Erfinder des Gibson- Humbuckers. Die Flying V wurde offiziell am 21. Februar 1958 das erste Mal gebaut und tauchte ein paar Wochen später im Gibson- Katalog als „Design of the Future“ auf.

1958er Flying V
Der heilige Gral – und eine der teuersten Instrumente auf dem Vintage Markt- eine 1958er Gibson Flying V

Sie kostete damals $ 247,50 (was heute einer Kaufkraft von etwa $ 2000 entspricht), der passende Plüsch-Koffer schlug noch einmal mit $ 75 zu Buche. Damit war die Flying V genauso so teuer wie eine Les Paul Goldtop, aber einen Hauch günstiger als eine Fender Stratocaster. Diese erste Gibson Flying V bestand zum Großteil – Body und Hals – aus Korina; einem Holz, das eigentlich Limba heißt und in Westafrika gewonnen wird. Ted McCarty erzählte, dass man damals unbedingt helle Gitarren haben wolle, in der Art wie die ersten Telecasters des Konkurrenten von der Westküste. Und Korina war für die Gibson-Experten das helle Mahagoni, das sich ebenso gut bearbeiten ließ.

Der V-Body bestand aus zwei langen Flügeln und war zweiteilig. Für die Pickups und Regler wurde ein Hohlraum gefräst, der von einem ebenso großen, weißen Pickguard bedeckt wurde. Ein schmaler Gummistreifen klebte an der Zarge des unteren Flügels, sodass man die Gitarre trotz ihrer schrägen Form im Sitzen spielen konnte. Oben am Griffbrett saß ein Plastiksattel, und die Griffbretteinlagen waren kleine, runde Dots aus Perlmutt. Die Mensur war die gleiche wie bei einer Les Paul: 628 mm.

Die Kopfplatte war V-förmig gestaltet und setzte das vorwärts gerichtete, straighte Design konsequent fort. Kluson-Mechaniken, je drei links und rechts, mit Plastikflügeln in Tulpenform, komplettierten die markante Kopfplatte. Das weiße, dreischichtige Pickguard trug die komplette Elektronik, die die beiden identischen P.A.F.-Humbucker (in eigenen schwarzen Rahmen) regelten: je ein Volume-Poti für die Pickups, ein Master- Tone-Regler sowie ein Dreiweg-Toggle- Schalter zur Anwahl. Die drei Potis saßen in einer Reihe hintereinander. Weiter unten, am Ende des unteren Flügels, befand sich in einer runden, weißen Plastikscheibe die Output- Buchse. Die Mechaniken, die ABR-1- Tune-o-matic-Brücke und die schicke, V-förmige „Cadillac“-Saitenführung (sie erinnerte an das Cadillac-Logo), durch die die Saiten liefen und durch den Korpus geführt wurden wie bei einer Telecaster, glänzten in Gold.

Trotz des großen Aufsehens, das diese futuristische Gitarre erregte, verkaufte sie sich nur mäßig: 1958 gerade 81 mal, während z.B. die Les Paul Junior im gleichen Zeitraum 2408 mal über den Ladentisch ging. Die Les Paul Goldtop, aus der Mitte 1958 die Cherry-Sunburst Les Paul Standard wurde, und die genau so viel wie die Flying V kostete, verkaufte sich 434 mal, und damit mehr als fünfmal so häufig die Flying V. Die Enttäuschung der Gibson-Verantwortlichen sackte ins Bodenlose, als die Flying V im folgenden Jahr (1959) nur noch 17 mal geordert wurde.

Hinzu kam, dass von der zweiten Gitarre der Modernistic Series, der Explorer, 1958 nur 19, und 1959 gerade mal drei verkauft wurden. Frustriert stellte Gibson die Produktion dieser beiden Gitarren nach nur zwei Jahren wieder ein. Die Moderne hatte man erst gar nicht gebaut …


Die 60er

Analog zur Les Paul, deren Produktion wegen Erfolglosigkeit ebenfalls 1960 eingestellt worden war, tauchte die Gibson Flying V in den 60er-Jahren wieder in der Öffentlichkeit auf – mehr oder weniger durch Zufälle. Die Blues-Musiker Lonnie Mack und Albert King waren zwar Flying-V-Spieler der ersten Stunde, aber bekannt wurden sie – und damit ihre Gitarren – erst in den Sechzigern. Lonnie Mack hatte 1963 einen Top-Five-Hit mit seiner Instrumental-Version von Chuck Berrys ‚Memphis‘, Albert Kings ‚Born Under A Bad Sign‘ war ebenfalls ein großer Blues- Hit dieser Jahre. Der erste richtig bekannte Gitarrist, der mit einer Gibson Flying V auftauchte, war Dave Davies von den Kinks.

Wie eben der Zufall so spielt, verlor die Fluggesellschaft, mit der Davies 1965 in die USA geflogen war, dessen Guild- Gitarre – und Dave brauchte dringend Ersatz für die Aufzeichnung einer Fernseh-Show. In einem Gitarrenladen in LA sah er oben auf einem Regal einen merkwürdig aussehenden, völlig zugestaubten Koffer und ließ sich dessen Inhalt zeigen. Einige Momente später verließ Davies samt Koffer und Inhalt, einer 58er Flying V, und um $ 200 erleichtert den Laden. Keith Richards spielte 1969 beim legendären Konzert der Rolling Stones im Hyde Park ebenfalls eine Flying V. Da hatte Gibson längst schon begriffen, dass die Welt neue Flying Vs benötigte. Aber man veränderte – warum auch immer – sowohl die Konstruktion als auch das Design dieser Gitarre, die ab 1966 wieder erhältlich war.

Flying V Reissue - zweite Version
Die zweite Generation der Gibson Flying V – Hier als Reissue Modell

So bestanden Hals und Korpus nun aus Mahagoni, die typische V-Saitenführung wich einer Maestro-Vibrola-Einheit und die Hardware war nun verchromt. Zudem waren die drei Regler – 2x Volume, 1x Tone – in einem Dreieck angeordnet. Die beiden Humbucker saßen nun im Pickguard, das aufgrund der veränderten Steg-Konstruktion ein neues Design bekam und auch die Klinkenbuchse an seinem unteren Ende beherbergte. Gibson baute von 1966 bis 1970 nicht mehr als 175 Flying Vs dieser zweiten Generation, die im Laden € 375 kostete und in Cherry, Sunburst und Sparkling Burgundy zu haben war. Zuversicht sieht anders aus.

Immerhin hat der berühmteste Stratocaster- Spieler dieser Epoche, Jimi Hendrix, sich 1967 eine Gibson Flying V der zweiten Generation zugelegt und sie – zusammen mit einer weißen SG Custom – bis zu seinem Tod 1970 für seine Blues-Nummern eingesetzt. Auch Billy Gibbons kaufte 1970 für € 300 eine Flying V, das ZZ-Top-Album ,Fandango‘ von 1975 wurde komplett damit eingespielt.

Jimmy Hendrix mit 67er Flying V
Jimi Hendrix und der Blues -gerne auf einer 67er Flying V gespielt

Die 70er

Andy Powell von Wishbone Ash, Kim Simmons von Savoy Brown, Marc Bolan von T.Rex, Michael und Rudolf Schenker (Scorpions, UFO etc.), Wolf Hoffmann (Accept), KK Downing (Judas Priest) und viele andere stilprägende Musiker spielten ihre neue, zum Teil bahnbrechende Musik in dieser Zeit mit V-Gitarren.

Michael Schenker mit Dean Signature V
Michael Schenker und seine Dean Signature V

Insbesondere Musiker der Hardrock- und Heavy-Metal-Szene machten sich dieses Design zu eigen, denn wie kein anderes verkörperte es nach wie vor Aggressivität, Progressivität und Machismus – wie eben die Metal-Musik auch. In den 70er-Jahren manifestierte sich dieses Gitarren-Design regelrecht als Symbol für Hardrock und Heavy Metal. Und wenn man will, kann man sogar in der „Pommesgabel“, dem traditionellen Gruß der Metal-Fans, einen umgekehrten VGitarrenkorpus wiederentdecken…

1971 brachte Gibson eine leicht veränderte Flying V heraus, die als Medaillon V in die Geschichte eingehen sollte und ganze 350 mal gebaut wurde. Sie war im Vergleich zur zweiten Generation nur wenig verändert – statt des Vibrola wurde die bewährte Tune-omatic- Brücke mit dem genauso bewährten Stop-Tailpiece kombiniert und die Kopfplatte etwas kürzer und weniger spitz gestaltet. Und der obere Flügel war mit einem Medaillon samt Produktionsnummer verziert. Diese Gitarren stellten immerhin die erste offiziell limitierte Serie des Herstellers überhaupt dar. In den 70er-Jahren hatten viele andere Hersteller begonnen, eigene V-Gitarren zu bauen. Die wichtigsten waren Hamer (USA, ab 1975), Dean (ab 1976), Jackson (ab 1980) und Schecter (ab 80er-Jahre).

Hamer Vector aus 1982er Katalog
Hamer Katalog 1982 – Die Vector Modelle

Auch die japanische Invasion lief nicht ohne Flying Vs ab: Marktführer Ibanez mischte anfangs mit lupenreinen Kopien den westlichen Markt auf, ehe sie auf eigene V-Designs umschwenkten. Die erste Ibanez Flying-VKopie, die Rocket Roll, erschien 1973 auf dem Markt. Sie hatte einen geschraubten Hals und kostete mit $ 265 etwa $ 100 weniger als die Gibson-Version. 1975 kam unter dem Namen Rocket Roll Sr. eine genauere Kopie auf den Markt – mit geleimtem Hals, Cadillac-Tailpiece, aber schwarzem Pickguard.

Und man stellte der Gitarre auch noch einen passenden V-Bass zur Seite – fünf Jahre, bevor Gibson ihren ersten V-Bass herausbrachte! Gibson war alles andere als amused – und ließ die Anwälte von der Leine. Doch es dauerte bis 1977, ehe man einen Prozess gegen Elger, den amerikanischen Partner von Hoshino/ Ibanez, angestrengt hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte Ibanez bereits auf eigene Kopfplattenformen umgestellt, um die es in der Anklageschrift vor allem ging, und einigte sich außergerichtlich mit Gibson darauf, keine Kopien mehr herzustellen. Die Rocket Roll II hatte da schon ihre neue, endgültige Kopfplattenform bekommen, bei der die Mechaniken in einer Reihe saßen und nun wirklich nicht mehr mit Gibson zu verwechseln waren.

Greco Flying Vs
Wie viele andere japanische Hersteller kopierte auch Greco das V-Design gut und günstig

Unter all den oben genannten amerikanischen Herstellern war Dean Zelinsky vielleicht der wichtigste V-Mann. Auch weil er schnell begriffen hatte, dass der Aufbau einer Marke, ihre Wiedererkennung und Wertschätzung – also das, was man heute „Branding“ nennt – genau so wichtig ist wie die Beherrschung des Handwerks. Er begann sein Business mit drei Modellen – eine V, eine Z (Explorer-Form) und ML, eine Fusion von V- und Z. Und startete eine Anzeigenkampagne, in der seine Version der Flying V beworben, aber ein völlig anderes Element im Mittelpunkt stand – eine kalifornische Schönheit im weißen Bikini, mit einem Blick, der vor allem der männlichen Kundschaft mächtig unter die Haut ging. „Keiner machte damals solche Anzeigen“, erinnert sich Zelinsky.

Dean Anzeige
Sex sells! Mithilfe dieser Anzeige schossen die Dean-Umsätze damals steil nach oben!

„Werbung zeigte immer den soliden Handwerker an seiner Werkbank. Mir ging es jedoch um Rock’n’Roll, heiße Gitarren, heiße Girls.“ Welch passende Attitüde für ein Gitarren-Design wie das der Flying-V – und welch ein Image-Wandel für einen Hersteller, der teure Edelgitarren baute! Dean war zu der Zeit schon erfolgreich, doch mit dieser Anzeigenkampagne steigerte sich der Umsatz noch einmal deutlich. Ende der 1980er-Jahre spielten viele Top-Musiker Dean: ZZ Top, Doobie Brothers, Kansas, The Cars, Heart, Def Leppard, Sammy Hagar und andere mehr.

Auch der japanische Hersteller ESP trat nun auf den Plan, der mit aggressiven V-Entwürfen seine bis heute starke Position in der Hard- und Heavy-Szene zementierte. Und auch in Deutschland wurden vereinzelt V-Gitarren gebaut, z. B. von der Firma Hoyer. Parallel dazu entwickelten sich die Preise für gebrauchte, alte Gibson Flying Vs. Eine Preisliste des Vintage-Gitarrenhändlers George Gruhn listete eine originale Flying V aus den 1950ern 1974 für $ 2000. 1977 sollte das gleiche Modell bereits $ 3000 bringen. 1982 bot Guitar Trader aus New Jersey eine 1959er Gibson Flying V für damals sagenhafte $ 12.000 an – eine Preisspirale, die sich die nächsten Jahrzehnte weiter drehen und ungeahnte Höhen erreichen sollte. So werden heute für originale Flying Vs, wenn sie denn überhaupt noch auftauchen, gerne zwischen $ 150.000 und $ 200.000 bezahlt.

Gibson brachte 1975 eine überarbeitete Version der 1967er Flying V auf den Markt, die im Prinzip der Medaillon-V glich, nur eben ohne die eingelegte Münze. Diese V war auch in auffälligen Farben wie Blau, Rot, Silber und Weiß erhältlich und hielt sich mit beachtlichen Stückzahlen bis 1982 im Gibson- Programm. Mit der V2 stellte man 1979 die „Second Generation“ der Flying V vor – eine wahre Sensation! Die V2 hatte einen stark konturierten Korpus und sogenannte Boomerang- Pickups, die ebenfalls wie ein V geformt waren. Diese ungewöhnliche Gitarre lag jedoch wie Blei in den Regalen der Läden, was sich auch nicht änderte, als man ab 1981/82 die Boomerang- durch gewohnt aussehende Dirty-Fingers-Pickups ersetzte.

Flying V2
Fiel durchs Geschmacksraster der Gitarristen – die Flying V2

Die „Second Generation“ wurde kleinlaut 1982 eingestellt. Und man besann sich lieber auf die verlässlichen, alten Werte. So erschien 1982 mit der Heritage Flying V eine Replik der 1958/59er Version – komplett aus Korina und anderen originalen Features. Neben der Natural-Version wurden allerdings auch welche in deckenden Lackierungen angeboten. Auch andere Details waren nicht 100% historisch korrekt ausgeführt, wie z.B. der Hals/Korpusübergang. Was u. a. daran lag, dass dem R&D-Team kein Original zur Verfügung stand und man sich notgedrungen an einem Poster von No.1, dem Gitarrenladen aus Hamburg, orientierte!

Flying V Heritage Serie
Der erste Versuch, die 1958er Version wieder zu beleben, mündete in die Heritage Serie

Die Heritage Gibson Flying V war ein gut gemeinter Versuch, die Legende wieder zu beleben – nicht mehr, nicht weniger.


Die 80er

Viele Profi-Musiker hatten sich in den späten 1970ern und frühen 1980ern von Gibson abgewendet, denn die Qualität der Fertigung und der Support hatte unter der Führung des Norlin-Konzerns, der die Gitarrenmarke 1969 in sein Portfolio integriert hatte, immens gelitten. Und es zeigte sich, dass – anders als bei anderen Gitarren-Typen – die Musiker nicht fixiert auf die Original-Marke waren, sondern in erster Linie dieses besondere Design spielen wollten.

Andy Powell war einer der ersten, der V-Gitarren anderer Hersteller spielte (von Royale und Jon Case) – und viele prägende Musiker dieser Zeit folgten (siehe dazu unsere Aufstellung bekannter V-Player). Mit dem Signature-Modell für Randy Rhoads, der 1979 seine Band Quit Riot verlassen hatte, um bei Ozzy Osbourne zu spielen, präsentierte Jackson neben seiner King V eine besonders auffällige Version des klassischen V-Designs, bei dem der obere Korpusflügel deutlich länger als der untere gestaltet war.

Jackson RR und King V 1989
Jacksons V-Interpretationen mit der RR und King V aus einem Katalog von 1989

Das RR-Design wird bis heute in dieser Form gebaut und gilt als erste erfolgreiche Modifikation des klassischen V-Themas. Selbst Konkurrent Fender war 1985 mit seinem Modell Katana in große Nähe des V-Designs geraten – allerdings nicht gerade erfolgreich.

Fender Katana
Fenders Versuch, mit der Katana auf der V-Welle mitzuschwimmen, misslang

Die Rocker nahmen diese verstümmelte V mit dem Vintage-Vibrato einfach nicht ernst. Gibson näherte sich mit einigen V-Versionen nicht sehr erfolgreich dem Geist der 80er- Jahre – ohne Pickguard, dafür aber mit Locking-Trem-Systemen von z.B. Kahler bestückt. Und reagierte mit den mit geflammten Ahorndecken bestückten „The V“ CMT-Versionen auf den wachsenden Erfolg von Hamer und Dean, die eben mit diesem Feature Gibson das V-Wasser am abgraben waren.

80er Jahre Flying V
Ein Kind der 1980er Jahre – Flying V mit Kahler Trem und heißen Pickups

Die 90er

In der Zeit, nachdem Gibson 1986 für 5 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hatte, tat sich dort recht wenig in Sachen Flying V. Klar, da gab es Wichtigeres zu tun. Es gab eine einzige neue V-Version ab Mitte der 1980er ohne Pickguard, bei der die Potis bogenförmig angeordnet waren und die in mehreren Farben zu haben war. Mehr nicht – sieht man von vereinzelten Grafik- und Tonabnehmer-Experimenten einmal ab. Kerry King von der Band Slayer war einer von vielen Metal-Gitarristen, die in den 1990er- Jahren V- und Explorer-Style-Gitarren des japanischen Herstellers ESP spielten.

Diese extremen Versionen auch von der Flying V sowie der beachtliche Erfolg der Firma mit diesen Modellen gingen Gibson dann jedoch zu weit – und man beauftragte wieder einmal Anwälte, sich um den Fall zu kümmern. In einem Gerichtsverfahren verglich man sich 1999 in Nashville dahingehend, dass ESP nur noch V-Gitarren in einer modifizierten Form auf den Markt bringt und eben keine Kopien mehr. Eine Entscheidung, die dem gesamten V-Markt gut getan hat! Denn seitdem richtet sich die Mehrzahl der V-Varianten eben nicht mehr an Gibsons Ur- Modellen aus, sondern reizt den Spielraum dieses so spektakulären wie stringenten Designs noch kreativer aus. Letztlich auch, um der Forderung dieses Designs nach Progressivität und Aggressivität weiterhin gerecht zu werden.

verschiedene Signature Vs
The World of Metal: Gibson Zakk Wylde, Epiphone Robb Flynn, Dean Dimebag Darrel, B.C. Rich Kerry King, Epiphone Flying V

Heute spielen fast nur noch Retro-orientierte Musiker wie z.B. Lenny Kravitz oder Joe Bonamassa V-Gitarren im Original-Design, während ESP, LTD, B.C. Rich, Dean, DBZ, Framus und einige andere gute Beispiele für moderne und sehr erfolgreiche Varianten der V liefern. Im 1984 neu installierten Gibson Custom Shop in Nashville wurde Anfang der 1990er der Grundstein für einen weiteren Versuch gelegt, dem 1958er Original so nahe wie möglich zu kommen. Diesmal lieh sich Masterbuilder Phil Jones vom Vintage-Händler George Gruhn und von einem Sammler Originale aus und konnte anhand dieser Vorlagen eine Reissue-Serie bauen, die 1991 als ‘58 Korina Flying V vorgestellt wurde.

Mit allen Features, die das Original 33 Jahre vorher auch aufwies. Zusammen mit der ‘58 Korina Explorer begründete diese Flying-V-Version die 1994 offiziell etablierte Historic Collection, in der ebenso diverse Les Pauls ihren Platz fanden. Auch die Spätsechziger-Version der Gibson Flying V mit ihrem Mahagoni-Body und -Hals wurde in den 1990ern als Flying V ‘67 wiederbelebt und blieb ca. zehn Jahre lang im Katalog. Außerdem veröffentlichte Gibson eine Handvoll Signature-Vs: Jimi Hendrix ‘69 Custom, Rudolf Schenker V und Lonnie Mack V, letzere natürlich mit einem auf einen Metallstab montierten Bigsby zwischen den beiden Flügeln.

Konnte Mack Flying V
Gibson Lonnte Mack Reissue Modell – Natürlich mit Bigsby

Die 2000er

Im neuen Jahrtausend tat sich nicht mehr allzu viel bei Gibson, was das Thema Flying V angeht. Hier und da ein Signature-Modell (z.B. für Lenny Kravitz), hier und da ein Andocken an Trends wie Robot Tuner oder eine Gothic-Version, „worn“-Lackierungen und ein Ausweiten im unteren Preissegment durch diverse Epiphone-Vs inklusive einer 7-string-Flying-V – das war’s! Es scheint, dass dieses Design nun endgültig die Domäne der schweren Jungs der Hardrock- und Metal-Szene geworden ist, so, wie es sich schon Ende der 70er-Jahre angedeutet hatte. Die führenden Hersteller dieses Genres überbieten sich geradezu im Ausreizen des V-Designs und stellen immer wieder Versionen vor, die noch zackiger und wilder daherkommen als die Vorläufer-Modelle. Selbst bei Bässen und in Instrumenten-Randgruppen wie Kindergitarren, Ukulelen, Bariton-, sieben- und zwölfsaitigen Gitarren und Akustikgitarren ist das V-Design angekommen und beliebt.

Und obwohl die Bezeichnung „Flying V“ kein anderer Hersteller als Gibson verwenden darf, ist die in die Musiker-Umgangssprache jedoch vollkommen integriert. So wie ein Papiertaschentuch umgangssprachlich ein Tempo- Taschentuch ist, ist eine Gitarre mit zwei langen Flügeln eben eine Flying V. Egal, wer sie gebaut hat. An der Popularität und der modernen, in die Zukunft gewandten Ausrichtung des V-Gitarren-Designs hat sich bis heute nichts geändert. Nach wie vor hat es eine Strahlkraft, die im bunten Gitarren-Genre ihresgleichen sucht. „Die Flying V ist eine altmodische Gitarre, die aber nie aus der Mode kommen wird“, sagte einmal Gus G. in einem Interview. „Eine Flying V ist einfach zeitlos!“ Besser kann man den Erfolg dieses schnittigen Gitarren-Designs wohl nicht zusammenfassen.

Mehr zur Thema Gibson Flying V und anderen Gibson Gitarren findest du in unserer Gibson Sonderausgabe.


Flying-V Timeline

Hier eine kleine Zeitreise durch die Veröffentlichungsjahre der diversen GIBSON FLYING V Modelle:

  • 1958: Flying V, Erste Version: Korina-Body und Hals, „Cadillac“-Saitenhalter, drei Regler in einer Reihe, Gold-Hardware
  • 1962 – 1963: Erste Version. Gitarren aus übrig gebliebenen Parts der 50er-Jahre
  • 1967: Flying V, Zweite Version: Mahagoni-Body und -Hals, Maestro-Vibrato, Tune-o-matic-Brücke, drei Regler im Dreieck angordnet
  • 1971: Dritte Version: Medaillon. Wie zweite Version, nur mit Stop-Tailpiece und eingelegtem Medaillon
  • 1975: Vierte Version: Wie dritte Version, aber Pickups ohne Kappen
  • 1979: Fünfte Version: Wie oben, aber mit kleinen Block-Einlagen und nur mit weißen Lackierungen
  • 1981: Sechste Version: The V CMT. Mit geflammter Ahorndecke inkl. Einfassung und Pickups ohne Kappen
  • 1983: Siebte Version: Flying V 83. Kein Pickguard, Erlekorpus, Humbucker ohne Kappen, kurvenförmige Anordnung der Regler
  • 1990: Achte Version: Flying V Reissue. Wie dritte Version, aber Humbucker ohne Kappen.
  • 1991: Neunte Version: Flying V ‘67. Wie die dritte Version, aber mit Ebenholzgriffbrett und Humbuckern ohne Kappen

Unter der Vielzahl der SONDERSERIEN & SPEZIALMODELLE erscheinen mir diese erwähnenswert:

  • 1979: Flying V2. Mit „Boomerang“-Pickups, konturiertem Sandwich-Body
  • 1982: Flying V Heritage. Getreue Reissue der 1958er Version
  • 1991: 1958 Korina Flying. Replik der ersten Version
  • 1998: Flying V ‘98 Gothic: Schwarz…, Mond-und-Stern-Einlage am 12. Bund
  • 2002: Flying V Voodoo: Swamp-Ash-Korpus, schwarz mit rotem Füller lackiert, Ebenholzgriffbrett, Humbucker mit schwarz-roten Spulen
  • 2003: Flying V Figured Top: Mahagonikorpus mit Riegelahorndecke, „Crown“-Einlagen
  • 2007: Reverse Flying G: „Spaßige“ Version mit umgedrehtem V-Korpus.
  • 2010: 1959 Korina Flying V. Replik der ersten Flying V
  • 2018: Gibson stellt die Modern Flying V vor

verschiedene V-Variationen

Gitarristen die Flying V Spielen

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2014)


G&B-Classics

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ein netter Bericht, ich hätte mir eine Erwähnung der V90 gewünscht, immerhin ein Fortschritt mit Steinberger-Beinstütze und 24 Bünden. Schade!

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  2. Liebe G&B und special Heinz R.,
    es hat mir große Freude bereitet und obwohl ich dachte doch schon alles zu wissen, was man über eine Flying V und dessen “Clone” wissen sollte.Doch Du hast mir wieder mal auf Deine spezielle Eigene Art u Weiße gezeigt , das es immer noch wa zu lernen und entdecken gibt.Selbst über eine Flying V. Danke Heinz

    Auf diesen Kommentar antworten
  3. danke für den fly v bericht danke -warte noch auf Explorer+ firebird
    ich liebe dean bc rich hamer phantom-bin 60jahre für mich schon immer die schönsten
    seid Brian jones Hendrix lesslie west u.a.

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  4. Eine nette Geschichte.Adam Bomb,aka Adam Brenner,ein Gitarrist aus Seattle,spielt live on Stage auch häufig ein alte Flying V.Ob es sich dabei auch um eine Gibson handelt,die er benutzt,ist gar nicht mal so leicht zu erkennen,denn es könnte sich auch um eine Greco,Burny oder Hoyer handeln,die zwar alle die Form und Gestalt einer Flying V besaßen,aber eben “nur” Kopien waren.Dieser Adam Bomb spielt jedenfalls absolut top,ob mit oder ohne Flying V.Immerhin erschien erst kürzlich eine nette Biographie über eben den besagten Saitenhexer,dessen Buchtitel” 911 is diconnected/This is Rock&Roll” in englischer Sprache viele ulkige Erlebnisse aus seinem sehr bewegten Leben als unverwüstlicher Rockgitarrist schildert,denn dieser Mann kennt alle Höhen und Tiefen,und seine Flying V klingt wirklich authentisch,wie er selbst,denn er ist seit Jahrzehnten fast 365 Tage im Jahr live auf Tour.Bedauerlich,daß Gitarre&Bass bisher noch nie über Adam Bomb berichtete! Dieser Typ ist Rock and Roll,denn er ist wirklich richtig gut,und es allemal wert,live “erlebt” zu werden.Und zum Schluss noch ein Merkmal,das eben nur eine Flying V hat,denn man kann sie aufgrund ihrer eigenartigen Gestalt kaum im Sitzen spielen,denn sie rutscht immer wieder weg.Da bleibt nur die Möglichkeit einen Gitarrengurt zu benutzen.Aber,das ist ja bekannt!

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  5. Als glücklicher Besitzer einer Original 67er Flying V der 2. Generation kann ich mich nach inzwischen über 50 Jahren immer noch am fetten Sound dieser Gitarre erfreuen – einzigartig!

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  6. Die beste „Flying V“ ist für mich die limitierte €piphone Arthur Amos made by Joe Bonamassa.Leichtes massives Limba Holz,ein sehr sauber abgerichtetes Griffbrett aus edlem Blackwood,top verkündete Bünde,super Tonabnehmer und ein dazugehöriger Hardshell Gitarrenkoffer inklusive von Joe Bonamassa handsignierter Autogrammkarte werten diese traumhafte Epiphone aus Korea enorm auf.Handling einwandfrei,wenn am Gurt befestigt,Klangeigenschaften absolut befriedigend,und Verarbeitung besser als von Gibson/U.S.A. gefertigt! Dies ist und bleibt meine einzigste Flying V,mit der ich mehr als glücklich bin.Interessant,was so alles als „Fliegende V“ im Laufe der Zeit auf dem Markt gebracht wurde.?

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  7. Die berühmte „Flying V“ läßt sich ohne Gurt selbst sitzend kaum problemlos spielen,denn aufgrund ihrer sehr speziellen Formgebung rutscht sie ständig weg.
    Trotzdem gelangte sie,ausgerechnet wegen ihres sehr ausgefallenen Designs und ihres Sounds zu globalen Kultstatus.

    Ich finde sie super,weil sie sich bereits optisch radikal vom langweiligen Einheitsbrei vieler anderer 08/15 Elektrogitarren abhebt.

    Ich besitze zwar „nur“ eine Epiphone Flying V,anstelle einer teuren Original Gibson Flying V,aber sehr gut klingt sie natürlich auch.
    Es ist eben auch eine Preisfrage.

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    1. Ein klassischer Flying V Spieler weiß aber, dass es keine bessere und ruhigere Gitarre gibt in der sitzenden Position. Einfach den unteren Flügel zwischen die beiden Oberschenkel legen und der Spielkomfort ist unübertroffen.

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