Jäger und Sammler

Cheap Trick & Rick Nielsen

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(Bild: Jeremy Harris)

Auch mit mittlerweile 72 Jahren hat Rick Nielsen nichts von seiner unterhaltsamen Art verloren und spricht nach wie vor mit überbordendem Enthusiasmus von seinen Gitarren und Amps – und den prominenten Mitstreitern auf seiner mehr als fünf Dekaden langen musikalischen Reise. Dass seine Zeiten als Sammler alter Gitarren längst nicht vorbei sind, erfuhren wir gleich zu Beginn unseres Gespräches anlässlich des neuen Cheap-Trick-Albums ‚In Another World‘.

interview

Rick, ich habe gehört, du hast gestern erst eine neue Gitarre gekauft.

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Wer hat dir das denn erzählt? Das weiß noch niemand.

Das hat mir deine Assistentin eben gesteckt, bevor sie uns verbunden hat.

Ich habe die Gitarre noch nicht bei mir, sie kommt aus England. Kennst du Paul Weller?

Oh ja. The Jam, The Style Council, Modfather, Pate des Britpop und Stilikone …

Ja. Ich versuche seit drei Jahren, ihm seine Dwight Coronet abzuschwatzen (Epiphone-Sondermodell, das die Company Anfang der 1960er-Jahre für den Musikladen Sonny Shields Music in East St. Louis und ihren Besitzer Dwight Shields hergestellt hat, Anm. d. Autors). Neu haben sie damals 147 Dollar gekostet, es waren also billige Gitarren. Sie ähneln Les Paul Juniors. Es wurden weniger als 150 davon gebaut. Ich habe sie immer gemocht. Pauls ist eine 3/3-Version, mit je drei Mechaniken links und rechts auf der Kopfplatte. Die neueren aus den Jahren 1964 und ’65 werden Batwing genannt, sie haben sechs Mechaniken in einer Reihe. Paul ist einer der wenigen Menschen, die ich kenne, der eine der Gitarren hat, die ich sammle. Ich habe insgesamt sieben von ihnen, drei davon sind 62er-Modelle. Ich denke, diese wird eine 63er sein.

Wie hast du sie schließlich bekommen?

Ein guter Freund von mir lebt in London. Er kennt Paul. Ich selber habe ihn, soweit ich mich erinnere, noch nie getroffen. In diesen drei Jahren habe ich meist mit Pauls Gitarrentechniker Roger Nowell verhandelt. Vor zwei Tagen habe ich ihn erneut kontaktiert. Er fragte: „Rick, bist du noch interessiert?“ Natürlich bin ich das. Ich bin sehr hartnäckig, wenn es um alte Gitarren geht. Also hat sich mein Freund mit Roger getroffen und den Deal abgewickelt. Ich muss sie allerdings noch bezahlen.

Deine Sammlung wächst also immer noch.

Oh ja. Es war aufregend, eine 63er Dwight Coronet zu finden, die mal 150 Dollar gekostet hat. Aber ich habe natürlich auch ganz andere Gitarren in meiner Sammlung. Im letzten Jahr habe ich die 59er Les Paul von Geddy Lee (Rush, Anm. d. A.) gekauft. Ich habe dafür viel zu viel Geld bezahlt, aber sobald ich sie gekauft hatte, wurde mir noch mehr Geld dafür geboten. Trotzdem betrachte ich Gitarren nicht als Investment. Ich kaufe sie, weil ich sie mag. Wenn ich die Chance bekomme, eine zu erstehen, schlage ich zu. Geddy sammelt Bässe, aber er hat auch ein paar Gitarren. Ich weiß nicht, warum er sie verkaufen wollte, aber das war mir auch egal. Ich wollte sie einfach haben. Das ist eine Gitarre, die ich vor etwa 30 Jahren in Kanada gesehen habe, als ich eine andere Les Paul kaufte. Es hört offensichtlich nie auf.

Kommst du überhaupt noch hinterher und hast die Sammlung im Blick?

Natürlich. Ich führe eine Datenbank, in der ich Notizen zu all meinen Gitarren mache.

Was sagt sie?

Dass ich sehr viele Gitarren habe. Aktuell sind rund 500 in meiner Kollektion.

Verkaufst du auch?

Ab und zu mal. Über all die Jahre habe ich etwa 2.000 Instrumente besessen. Ich habe getauscht – mal gegen teurere, mal gegen günstigere. Jeff Beck bekam seine zweite Les Paul von mir. Das war im Jahr 1968. Es ist die schönste, die er je hatte. Sie wurde ihm gestohlen, es war Nummer 91864 (laut der Seriennummer-Kennung von Gibson ein 1959er-Modell, Anm. d. A.).

(Bild: McClister)

Nun zum neuen Album: Es klingt einerseits sehr typisch nach Cheap Trick, dabei aber auch frisch. Selbst nach fast 50 Jahren im Geschäft spürt man nichts von Abnutzung. Wie schafft ihr das?

Man kann es auch so sehen: Wir haben uns nie weiterentwickelt. (lacht) Die Sachen, die ich damals mochte, gibt es nicht mehr. Aber so spiele ich bis heute. Ich sehe mich in erster Linie als Songwriter, nicht als Gitarrist. Ich habe nie diese Tricks wie Fingertapping oder so etwas gelernt. Ich bin Songwriter und liebe Gitarren.

Dann lass uns mal über das Equipment reden, mit dem du ‚In Another World‘ aufgenommen hast. Was waren die Hauptzutaten?

In Sachen Amps kamen vor allem mehrere Fender Deluxe aus dem Jahr 1977 zum Einsatz. Ich habe sechs von ihnen, allesamt von Paul Rivera getunt. Er hat u.a. einen größeren Trafo eingebaut, einen schwereren Speaker und dazu einen Master Volume. Er hat das damals für all die Studio-Leute in L.A. gemacht. Als ich 1976 oder ’77 mit meinem Marshall angekommen bin, sah ich all die Session-Gitarristen mit diesen kleinen Amps. Ich dachte mir: „Ich muss einen von denen haben“, und habe dann einen nach dem anderen gekauft. Am Ende hatte ich sechs. Die verwende ich bis heute. Das war meine Hauptquelle.

Und sonst?

Warte, ich habe eine Liste gemacht. Ah, hier ist sie … Abgesehen davon habe ich einen Ebo benutzt – nicht das Produkt E-Bow, sondern der Name der Company, Ebo Customs. Der Amp wurde in Nashville speziell für mich ebenfalls mit Master Volume gebaut. Ein Del-Rio-1×12“-20-Watt-Combo im Custom-Checkerboard-Design. Dazu kamen ein VOX AC30, 50-Watt-Plexi-Marshalls aus den 60ern sowie eine WEM-4×12“-Box. Wenn Effekte zu hören sind, wurden sie über das Mischpult hinzugefügt. Ich selber habe keine verwendet.

Welche Gitarren stehen auf der Liste?

Das sind einige – unter anderem eine Les Paul Standard mit der Seriennummer 90655 (also ebenfalls eine 59er, Anm. d. A.), eine 51er Fender Telecaster, eine 58er Gibson 335, eine Rickenbacker 12-String, dazu meine Hamer Checkerboard Explorer, eine 54er Epiphone Wilshire (ähnlich Coronet, nur mit zwei P90, Anm. d. A.) sowie eine meiner Dwights. Außerdem stehen hier eine 59er Les Paul Junior Doublecut sowie eine Les Paul Junior in TV Yellow drauf. Davon habe ich drei.

Wenn du dich mit Vintage-Gitarrenhändler George Gruhn triffst, sprecht ihr sicher tagelang über alte Instrumente.

Ich kenne George seit den 60ern. Ich habe meine erste Explorer bei ihm gekauft, im Jahr 1976. Er hat dafür 4.000 Dollar aufgerufen. Ich hatte jedoch keine 4.000 Dollar. Aber ich hatte eine Gitarre. Also habe ich sie eingetauscht. Dann, im Jahr 1979 oder ’80, bekam ich meine zweite Explorer. Dafür wollte ein Laden in Oklahoma 6.000 Dollar. Und wieder das Gleiche: Ich hatte keine 6.000 Dollar. Aber ich hatte Gitarren. Also tauschte ich sie gegen drei Strats mit Ahornhals ein und legte noch 650 Dollar drauf. Dann gab es eine weitere im Jahr 1980, die ich jedoch verpasste. Für sie wurden später 20.000 Dollar verlangt. Die Preise gingen immer weiter hoch.

Neben der Vorliebe für Vintage-Equipment – was ist typisch für den Gitarristen Rick Nielsen?

Wie erwähnt, ich bin mehr Songwriter als Gitarrist. Außerdem habe ich mir alles selbst beigebracht. Ich übe nie in dem Sinne, dass ich Tonleitern spiele. Ich spiele nach Gefühl. So kommt raus, was da ist. Ich lernte, indem ich in einer Band spielte, in der es Schlagzeug, Bass und Gitarre gab. Mein Stil wurde und wird bis heute von der Bühne geprägt, ich bin sicher kein Studio-Typ. Klar, ich habe Sessions gespielt. Ich werde gebucht, um auf Sachen zu spielen, weil die Leute meine Art zu spielen mögen. Ich bin nicht Steve Lukather oder Joe Bonamassa, sondern ich bin Rick Nielsen. Wenn du mich bittest, die gleichen Riffs zwei Mal zu spielen, komme ich echt in Schwierigkeiten!

Rick mit seiner Hamer 5-Neck, die 1981 für ihn gebaut wurde (Bild: Martin Thompson)

Du bist in der Gegend von Chicago aufgewachsen und dürftest dich ab Anfang der 1960er-Jahre bewusst mit Musik beschäftigt haben. Was brachte dich dazu, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und Musiker werden zu wollen?

Damals waren Leute wie Mike Bloomfield und Terry Shand populär. Meine eigene Musikkarriere begann hinter dem Schlagzeug, zur Gitarre wechselte ich erst später. Ich mochte The Ventures, Harvey „The Snake“ Mandel (später Canned Heat, John Mayall) und Jeff Beck mit den Yardbirds. Jeff war immer mein Lieblingsgitarrist – und ist es bis heute. Ich schätze mich glücklich, dass ich ihn seit mehr als 50 Jahren kenne. Ich war vorletztes Jahr zu Weihnachten bei ihm. Er hatte mich eingeladen. Das war das Größte für mich.

Viele Gitarristen lieben Jeff Beck. Was schätzt du an ihm besonders?

Er war immer gut – und er ist immer noch besser geworden. Es gibt viele Gitarristen, die richtig gut sind, aber keiner hat sich derart entwickelt. Jeff Beck hatte immer diesen verrückten, fantastischen Ton und diese unglaublichen Sounds. Für den Song ‚Light Up The Fire‘ vom neuen Album habe ich einiges von der Yardbirds-Nummer ‚Happenings Ten Years Time Ago‘ geklaut. Es ist meine Interpretation davon. Jimmy Page hat auf dem Track gespielt und Jeff Beck dann dieses kleine Solo darübergelegt. Hoffentlich verklagt er mich nicht! (lacht)

Du unterhältst neben Cheap Trick deine eigene Familienband The Nielsen Trust.

Dort spiele ich mit meinen Söhnen Miles (Gesang, Gitarre) und Daxx (Schlagzeug) sowie meiner Schwiegertochter Kelly (Steward, Gesang & Gitarre). Miles ist ein toller Sänger und Gitarrist. Er reist mit mir, seitdem er fünf ist und hatte jahrelang seine eigene Band. Er mag das Leben on the road. Daxx ist jetzt seit rund zehn Jahren der Drummer von Cheap Trick. Er spielte auch schon drei Jahre lang für Dick Dale, und außerdem mit Brandi Carlile. Er ist also ebenfalls schon ein bisschen herumgekommen. Aber ich hatte zuvor noch nie mit ihm gespielt.

Dann nahmen wir ihn bei Cheap Trick auf. Mit The Nielsen Trust hatten wir eigentlich einige Live-Pläne, doch dann kam die Pandemie. Das hat unserer Karriere nicht sonderlich geholfen. Aber wir werden sicher noch einige Shows spielen. Ich stehe zwar sehr gerne auf der Bühne, muss das aber auch nicht mehr täglich tun. Da ich jedoch länger nicht gespielt habe, freue ich mich umso mehr darauf.


equipment

Gitarren: 59er Gibson Les Paul Standard, 51er Fender Telecaster, 58er Gibson ES-335, Rickenbacker 12-String, Hamer Standard im Checkerboard-Design (Explorer-Style), 54er Epiphone Wilshire, Dwight Coronet, 59er Gibson Les Paul Junior Doublecut, Gibson Les Paul Junior TV Yellow – sowie zahlreiche weitere mitunter teure Vintage-Gitarren

Amps & Boxen: 1977er Fender Deluxe Reverbs mit Rivera-Tuning, Ebo Customs Del Rio 1×12“ 20 Watt Combo im Custom-Checkerboard-Design, VOX AC30, 50 Watt Plexi Marshalls aus den 60ern, WEM 4×12“-Box

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Lustige Story! Aber der „Sammelwahn“ von unterschiedlichsten Gitarren,ob alt oder neu,nimmt derzeit wahrscheinlich immer größere Dimensionen an.
    Ich sage mir aber immer,daß ich jeweils nur auf einer einzigen Gitarre spielen kann.Ich wüßte auch gar nicht,wo ich z.B. über 500 Gitarren bei mir unterbringen sollte,denn meine „Hütte“ wäre dafür viel zu klein.Es ist wohl nicht so wichtig,möglichst viele unterschiedliche Gitarren zu besitzen,es scheint momentan eher ein gewisses Prestigeobjekt für gut betuchte Musiker zu sein,das früher oder später mit hoher Gewinnoptimierung veräußert werden könnte.Getreu dem Credo: wer bereits hat,der hat.

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  2. Ich glaube, wer Gitarren liebt und es sich leisten kann sammelt eben gerne. Es müssen ja nicht gleich 200 sein. Hätte ich genug Geld, hätte ich sicher 10 geile Gitarren zu Hause. So sind es eben nur zwei, die auch gespielt werden. Ich denke, nur bei den wenigsten geht es ums Prestige, warum sie sammeln, oder weil man vielleicht eines Tages damit Geld verdienen kann.

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  3. Gitarren sammeln mit hoher Gewinnoptimierung schließe ich bei Musikern so gut wie aus. Nicht so bei Ärzten, Anwälten, Managern etc., die nicht Gitarre spielen. Rick Nielsen z. B. sammelt schon fast sein ganzes Leben. Was hat er davon diese im Alter von z. B. 80 Jahren zu veräußern? Richtig, nichts. Oder Joe Bonamassa, der hat m. W. aktuell nicht mal jemanden der ihn beerben könnte. Hätte ich das nötige Kleingeld wären es bei mir wahrscheinlich mehr als 500. Nicht wegen Investment o. ä., sondern nur aus Freude an Gitarren. Ich spiele sie gerne, finde sie aber auch sehr ästhetisch, und jede meiner gegenwärtig 80 Gitarren hat ihre Vorzüge aber auch Macken. Die ein oder andere könnte ich sogar gewinnbringend verkaufen, aber wozu? Ich möchte keine davon missen, egal ob amerikanisches Original oder günstiges Chinaprodukt. Ich kann Rick N., Joe B., Jimmy P., ja auch Steven Segal absolut verstehen, die Motivation ist sicher nicht monetärer Art.

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