Im Interview

Bernth: YouTube-Dozent ohne Klassenzimmer

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(Bild: Matthias Mineur)

Seitdem der österreichische YouTuber Bernd Brodträger – Künstlername Bernth – einen Nummer-1-Song in den amerikanischen Instrumental-iTunes-Charts platzieren konnte und damit auf seinem eigenen Kanal innerhalb weniger Wochen sechs Millionen Views landete, steigt das Interesse an seinen spielerischen und kompositorischen Fähigkeiten offenbar unaufhaltsam an. Kein Wunder also, dass mittlerweile nicht nur Ibanez auf ihn aufmerksam geworden ist und mit ihm seit Ende 2024 an einem eigenen Signature-Modell bastelt.

Auch auf dem 2024er Guitar Summit hat der 34-Jährige das ihm gebotene Forum genutzt und den Besuchern gezeigt, was er unter anderem am Vienna Music Institute, aber auch bei den Salzburger Deathmetallern Belphegor und der Platin-prämierten Band Seiler und Speer gelernt hat.

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Bernd, du bist nicht nur Musiker, Komponist und gefragter Studiosession-Gitarrist, sondern auch Dozent mit offiziellem Hochschulabschluss. Hast du mittlerweile schon mal als Lehrer in einem Klassenzimmer gestanden?

Nein, ich habe auch noch nie Privatunterricht gegeben, sondern nach dem Studium damit begonnen, Videos für YouTube aufzunehmen und dort über Spieltechnik, Sounds und andere Belange von Gitarren zu sprechen. Daraus ist eine Online-Gitarren-Academy geworden, bei der sich bereits mehr als 40.000 Interessierte registriert haben. Ich habe mich ehrlich gesagt auch noch nie als Lehrer betrachtet, sondern zeige den Zuschauern einfach das, was ich jeweils aktuell selbst übe, Motto: „Das ist es, was mir derzeit weiterhilft und vielleicht hilft es ja auch dir weiter!”

Ich kann sowieso immer nur das machen, was mich selbst gerade interessiert. Deshalb sehe ich mich nicht als Dozent, sondern betrachte meine Videos als freundlichen Austausch von Informationen. Ich versuche alles das, was ich selbst kann, mit den Leuten zu teilen, denn ich hasse jede Form von Geheimniskrämerei.

Sprichst du eine spezielle Klientel an? Für Anfänger ist dein Kanal eher nicht geeignet, oder?

Ein paar Grundkenntnisse sollten schon vorhanden sein. Ich habe den Eindruck, dass ich diejenigen Dinge am besten vermitteln kann, die mich auch selbst interessieren. Insofern sollte ein bestimmtes Level bereits vorliegen, auf dem man durch mich weiter aufbauen kann.

Zumal du ja nicht nur Rock und Metal, sondern auch Jazz studiert hast.

Aus genau diesem Grund ist das, was ich auf YouTube mache, für Metal-Gitarristen sicherlich sehr interessant, die zu bestimmten Spielarten noch keinen Zugang gefunden haben und nur wenig über den Background von Musikstilen wissen.


Bernd Brodträger spielt auf dem Guitar Summit, der vom 26.-28. September im Rosengarten in Mannheim stattfindet. Tickets: www.guitarsummit.de/tickets


Wie eng liegen für dich Metal, Jazz und Rock zusammen? Sind es im Grunde genommen unterschiedliche Welten, oder gibt es eine enge Verwandtschaft?

Ich habe viereinhalb Jahre Jazz studiert, die restliche Zeit Rock und Metal. Dabei habe ich gemerkt, dass es eigentlich nur eine Frage des Mindsets ist. Jazzer lieben es vom Blatt zu spielen, das zumindest waren meine Erfahrungen, was im Metal überhaupt nicht der Fall ist. Metal-Komponisten schreiben nicht in einer bestimmten Tonart, sondern basteln einfach Riffs zusammen.

Im Progressive Metal und im Math Rock verschwimmen diese Unterschiede weitestgehend, jedenfalls in harmonischer Hinsicht, rhythmisch eher weniger. Jazz ist viel freier als Metal, bei dem es sehr darauf ankommt, immer tight zum Click zu spielen, was dagegen in jeder Jazzband ein absolutes No-Go ist.

Ich war ursprünglich überhaupt kein Jazz- oder Blues-gitarrist, musste während des Studiums aber solche Stücke spielen, was mich ziemlich gefordert hat, wodurch ich aber mein eigenes Ding gefunden habe. Dadurch bin ich schnell in die Fusion-Ecke abgedriftet und liebe beispielweise Guthrie Govan. Ich bin großer Fan von The Aristocrats, da Guthrie nicht nur Jazz, sondern auch Rock und Metal macht, er spielt einfach laute Musik.

Seit wann spielst du Gitarre?

Ich habe erst mit 13 angefangen, was heutzutage vergleichsweise spät ist.

Auf YouTube sieht man immer mehr Musiker in diesem Alter, die bereits über eine bemerkenswerte Technik verfügen.

Manche von ihnen sind sogar erst acht oder neun und spielen schon fantastisch.

Welches Aha-Erlebnis hat dich mit 13 zur Gitarre gebracht hat?

Wie für viele andere Gitarristen waren vor allem Metallica dafür verantwortlich. Ich bin mit ‚Some Kind Of Monster’ zum Fan geworden, mit der Dokumentation und mit dem Album. Mich haben die Riffs total begeistert, ich wollte sie unbedingt selbst spielen können. Später kamen auch die Soli hinzu, beides zusammen war mein Weg zur Gitarre.

Also kein Zwischenschritt über eine Akustikgitarre?

Nein, sofort mit der E-Gitarre, und zwar mit einer BC Rich Warlock in schwarz, die ich übrigens immer noch besitze, das war damals DAS Ding! Dazu bekam ich einen 15-Watt Marshall-Combo, ein Übungs-Amp, der allerdings ganz weit weg von dem ist, was ich jetzt spiele.

Wie muss heutzutage eine Gitarre beschaffen sein, damit du dich wohlfühlst?

Für mich ist der Hals am wichtigsten. Ich habe vor vielen Jahren mit sehr, sehr dünnen Ibanez-Hälsen angefangen, das Motto: je dünner, desto schneller! Vor einiger Zeit habe ich ein Modell der AZ-Serie mit einem dickerem Hals ausprobiert und bin darauf gekommen, dass ein dickerer Hals in meinem Fall viel besser ist.

Weshalb?

Wenn man große Hände und kräftige Finger hat und man spielt auf der Bühne mit einem zu dünnen Gitarrenhals, dann kann der Adrenalinschub dazu führen, dass man zu stark drückt und die Hand schnell verkrampft. Wenn der Hals zu mir passt, passt auch der Rest.

Bevorzugst du bestimmte Holzarten, stehst du eher auf Humbucker als auf Single Coil? Magst du feste Brücken oder sollte es ein Vibrato-System sein?

Bei den Pickups bin ich flexibel. Derzeit arbeite ich mit Fishman an einem eigenen Signature-PU. Ich hoffe, ich bin für die Techniker nicht zu anstrengend, denn es ist natürlich schwer, seine eigenen Ideen in Worte zu fassen. Aber ich schätze, dass es sehr gut funktioniert hat und wir noch in diesem Jahr den Tonabnehmer auf den Markt bringen können.

Wie man auf meinem YouTube-Kanal sehen kann, bin ich bei Hölzern nicht so wählerisch, solange der Pickup gut ist. Ich komme ja eigentlich aus dem Metal, stehe aber auch auf modernere Spielarten und wollte daher, dass mein eigener Pickup kein reiner Metal-PU im Stile eines 81er/85er EMG-Sets ist, aber auch keiner mit einem extrem dünnen, passiven Klang, sondern irgendetwas dazwischen. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Dein zukünftiger Fishman-Signature ist also aktiv?

Ja, aber nicht so extrem wie viele andere aktive Pickups.

Man munkelt, dass es 2025 auch ein Ibanez-Signature-Modell von dir geben soll.

Wir arbeiten schon recht lange daran, denn ich möchte nicht irgendein bereits existierendes Modell, das einfach nur eine andere Farbe bekommt, sondern habe spezielle Wünsche. Ich bin selbst total gespannt auf das Ergebnis.

Ist die Vorlage dennoch deine Ibanez AZ?

Ja, sie ist zumindest daran angelehnt. Manche meiner Ideen sind noch nicht endgültig abgesegnet, deshalb kann ich noch nicht allzu viel Konkretes vermelden, aber es geht beispielsweise unter anderem um die Position der Volume- und Tone-Potis, die zwar für die meisten Ibanez-Spieler funktioniert, die man aus meiner Sicht aber auch etwas anders machen könnte.

Ich habe den Eindruck, dass es noch keine Gitarre gibt, die sowohl für traditionelle Rock- und Metal-Musiker als auch für Math-Rock-Spieler geeignet wäre. Diese Lücke zu schließen, darum geht es mir.

Gibt es bereits Prototypen, die du testen konntest?

Ich habe vor kurzem eine Gitarre bekommen, die aus meiner Sicht schon sehr nah dran am Wunschergebnis ist und in die bereits meine Fishman-PUs verbaut sind. Wenn ich richtig informiert bin, kommt der offizielle Prototyp dann jedoch aus Japan. Für mich ist all das völliges Neuland, ich hätte es mir nicht so kompliziert vorgestellt, eine neue Gitarre zu entwerfen.

Wo liegen die Hauptprobleme?

Ich hatte beispielsweise einen besonderen Lack im Auge, bei dem sich die Fachleute nicht sicher waren, ob er möglicherweise abfärben könnte. Damit war mein Wunschlack natürlich vom Tisch.

Feste Brücke oder Vibrato?

Ich bin mir sehr sicher, dass die Gitarre mit einem Vibrato-System ausgestattet sein wird.

Wo soll die Gitarre preislich liegen, konkret: Ist es eher ein Massen- oder ein Boutique-Modell?

Das Startmodell soll auch für die Zuschauer meines YouTube-Kanals interessant sein, die nicht 2000 bis 3000 Euro ausgeben können, und auch für junge Leute, die mit dem Gitarrespielen anfangen wollen. Auch diese „Musiker in spe” möchte ich nicht mit einem zu hohen Preis abschrecken. Wenn die Sache funktioniert, sind aber auch unterschiedliche Modelle in verschiedenen Preisregionen anschließend denkbar.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2025)

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