15 Jahre Knaggs Guitars: Ein Blick zurück

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(Bild: Damian Wolf)

2009 war ein Jahr des Aufbruchs – zumindest für eine kleine, ambitionierte Gitarrenmanufaktur an der US-Ostküste. In einem Umfeld, das von großen Namen und Traditionsmarken geprägt war, gründete sich mit Knaggs Guitars ein Unternehmen, das von Anfang an einen eigenen Weg ging: Kompromisslos im Design, detailverliebt in der Fertigung und fest verwurzelt im Geist klassischer Gitarrenbaukunst.

Offiziell gegründet wurde Knaggs am 1. November 2009. Die eigentliche Arbeit begann jedoch erst einige Monate später: Anfang 2010 fanden Joe Knaggs und Peter Wolf ein passendes Gebäude, das zunächst renoviert werden musste – die Produktion der ersten Instrumente startete schließlich im Frühjahr 2010.

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Heute zählt Knaggs zu den festen Größen im Boutique-Segment. Zum 15-jährigen Bestehen blicken wir mit beiden Firmengründern hinter die Kulissen: Was hat sich bewährt, was hat sich verändert – und wohin geht die Reise?

JOE KNAGGS

Bevor er 2009 Knaggs Guitars gründete, war Joe viele Jahre als Designer und Gitarrenbauer bei PRS tätig. Dort wirkte er an zahlreichen bekannten Modellen mit und prägte die Custom- und Private-Stock-Abteilungen entscheidend mit.

Joe, du und Paul Reed Smith seid in derselben Straße in Bowie, Maryland, aufgewachsen. Wie wurde aus dieser Kindheitsverbindung eine 25-jährige Zusammenarbeit bei PRS?

Wir haben früher oft draußen gespielt – und sind mit Mini-Bikes durch die Nachbarschaft gedüst. Mein Bruder hatte ein besonders schnelles, mit einem Kettensägenmotor und ohne Auspuff. Paul mochte dieses Bike – sogar 30 Jahre später hat er noch darüber gesprochen. Außerdem hatten wir einen gemeinsamen Freund, der Gitarre spielte. Ich selbst war damals ziemlich ernsthaft dabei, habe täglich bis zu sechs Stunden geübt. Paul hatte mich immer sehr gelobt, wenn es um mein Spiel ging. Vielleicht hat genau das unsere Verbindung geprägt?

1985 bist du zu PRS gestoßen, um Engpässe in der Lackierabteilung zu lösen – kurze Zeit später warst du Produktionsleiter. Wie war es, ein Gitarrenunternehmen praktisch aus dem Nichts mit aufzubauen?

Damals war uns gar nicht bewusst, dass wir gerade ein Unternehmen aufbauen. Wir haben einfach das getan, was getan werden musste, um mehr Gitarren fertigzustellen. Ich habe zum Beispiel Schleifmaschinen aus meinem vorherigen Job mitgebracht. Solche kleinen Dinge machten oft den Unterschied. Wir waren alle jung und auf irgendeine Weise selbst Musiker. Wir haben gearbeitet – und danach Musik gemacht. Diese Verbindung zur Musik hat ein Maß an Sorgfalt und Hingabe mitgebracht, das man sonst schwer erreicht hätte.

Ich glaube nicht, dass das Ganze funktioniert hätte, wenn dort nur „Nicht-Musiker” am Werk gewesen wären. Im Lauf der Jahre haben wir immer mehr gelernt – und alles wurde Schritt für Schritt professioneller. Klar, es wurde auch ordentlich gefeiert, aber vor allem wurde richtig hart gearbeitet.

Als Entwicklungsleiter und Chef des Private-Stock-Programms hast du dieses von der Idee bis hin zu einem Auftragsvolumen von drei Millionen Dollar geführt. Außerdem stammen Modelle wie Mira, Starla und der Gary-Grainger-Bass aus deiner Feder. Auf welche Entwicklung bist du persönlich am meisten stolz?

Die erste Gitarre, die ich entwickelt habe, war das Archtop-Modell – daraus wurde später die Hollowbody. Wahrscheinlich ist das bis heute die Entwicklung, auf die ich am meisten stolz bin, denn es war ein völlig neuer Ansatz, eine hohlgefräste Gitarre zu bauen, die trotzdem nicht rückkoppelt. Dieses Prinzip führen wir übrigens heute noch mit unserem Chena-Modell weiter. Die Americana SC-J war wahrscheinlich die schönste Gitarre, die ich je gebaut habe – und klanglich ebenfalls etwas ganz Besonderes.

Deine erste Knaggs-Gitarre, die Chesapeake, soll ursprünglich als Teil einer PRS-Serie gedacht gewesen sein. Stimmt das – und gab es einen bestimmten Moment, in dem dir klar wurde, dass du deinen eigenen Weg gehen willst?

Tatsächlich war die Chesapeake ganz sicher nicht als PRS-Modell geplant. Bereits um das Jahr 2000 gab es einige Dinge bei PRS, die in mir den Wunsch geweckt haben, eigene Instrumente zu entwerfen – mit dem Gedanken, vielleicht eines Tages eine eigene Firma zu gründen. Ich habe dann eine komplett hohle Gitarre im Stil der Severn bei mir in der Garage gebaut – mit einem Forstnerbohrer und Schnitzwerkzeugen. Ein guter Freund von mir besitzt dieses Instrument bis heute – und spielt es regelmäßig.

Danach entstanden die ersten Entwürfe für Choptank, Severn und Patuxent, die ich alle an den Wochenenden bei einem Kumpel in Bowie gebaut habe. Bei PRS bin ich trotzdem noch weitere neun Jahre geblieben. Ich glaube, der Wunsch, etwas Eigenes zu schaffen, war immer in mir – irgendwann war einfach der Zeitpunkt gekommen. Meine Frau und ich haben bei einem Spaziergang darüber gesprochen, und sie sagte: „Du wirst es nie wissen, wenn du es nicht versuchst.”

Das Knaggs-Team (Bild: Chris Dorr)

Was war dir beim Design der ersten Knaggs-Modelle wichtig – klanglich, handwerklich, optisch?

Was mir damals – und bis heute – nie aus dem Kopf geht, ist der Klang. Ich will, dass die Gitarren mit einem schönen Spektrum an Obertönen schwingen. Sie sollen klar klingen, nicht dumpf, und die hohen Frequenzen sollen sauber durchkommen. Die Korpusse sind minimal größer dimensioniert, um mehr Tiefe im Bassbereich zu erzeugen. Auch optisch sollen die Instrumente ansprechen: stimmig, elegant, aber mit Wiedererkennungswert. Auffallen ja – aber nicht auf eine schrille Weise.

Und ganz wichtig: Sie sollen sich sofort vertraut anfühlen. Im Kern geht es darum, dass man die Gitarre nicht mehr aus der Hand legen will. Ich hatte neulich eine Severn X/7 zu Hause in der Hand – und sie hat mir das Gefühl gegeben: Ich muss hoch ins Musikzimmer und losspielen. Genau darum geht’s für mich.

Joe Knaggs bereitet eine Severn auf die Lackierung vor
Jedes Model entsteht zunächst auf Papier …
Ein Blick in die Lackierkabine
Beize wird aufgetragen

Was ist dein Geheimnis hinter dem typischen Knaggs-Sound – also diesem langen Sustain und der klaren Obertonstruktur?

Für mich sind zwei Dinge dabei entscheidend: Das Design der Brücke und unsere spezielle Art, Hälse zu bauen. Natürlich spielt gutes Holz auch eine Rolle – aber mit diesen beiden Faktoren kann selbst ein durchschnittliches Stück Holz erstaunlich gut klingen. Ich bin überzeugt, dass ein Instrument nur dann optimal schwingen kann, wenn es „entspannt” ist. Wenn Bauteile unter Spannung gegeneinander arbeiten, verhindert das, dass sich der Ton frei entfalten kann – das Sustain leidet, und die Schwingung „läuft sich tot”.

Der Ton muss sich frei bewegen können. Das spürt man sogar, wenn man beim Spielen die Hand oben an die Kopfplatte legt: Man fühlt, wie die Gitarre vibriert. Klar, es gibt noch viele weitere Einflussfaktoren – Bunddraht, Holzqualität, Lackstärke, Setup … Aber Brücke und Halsbau stehen für mich ganz oben auf der Liste.

Wenn du heute auf dein erstes Modell zurückblickst – was würdest du anders machen?

Ich hätte vielleicht einen Fräser benutzt! (lacht) Aber im Ernst: Ich würde eigentlich nichts ändern. Neulich habe ich eine Choptank Hardtail aus dem Ständer genommen, die gerade für den Versand vorbereitet wurde. Ich habe einen Akkord angeschlagen und dachte nur: „Verdammt, klingt die gut.” Und genau das ist das Ziel. Diese Gitarre fühlte sich genauso an wie der ursprüngliche Entwurf.

Gibt es ein Modell oder eine Bauweise, die du als Nächstes unbedingt umsetzen möchtest?

Ehrlich gesagt haben wir inzwischen so viele Modelle, dass ich darüber im Moment gar nicht großartig nachdenke. Aber ich bin mir sicher: Meine Gedanken werden sich bald wieder in diese Richtung bewegen.

Viele Boutique-Hersteller – selbst sehr kleine – bieten mittlerweile auch günstige Serien aus Indonesien, Korea oder China an und haben damit großen Erfolg. Könntest du dir so etwas auch bei Knaggs vorstellen?

Wir haben das in der Vergangenheit durchaus diskutiert, aber es nie weiterverfolgt. Für den Moment konzentrieren wir uns ganz klar darauf, herausragende Instrumente zu bauen – Gitarren, die man wirklich gerne spielt.

Choptank HB HT T1 in Reverse Wicked Burst
Severn SSS Quilt in Green Blue Burst
Steve Stevens Severn XF in Galaxy Purple Fade
Ein Kenai TS Sunflower Prototyp
Chena in Satin Old Red Violin
Sheyenne in Aged Scotch

PETER WOLF

Während Joe Knaggs vor allem für das Design und die handwerkliche Umsetzung verantwortlich ist, liegt die Außendarstellung und strategische Entwicklung der Marke in den Händen von Peter Wolf. Als Mitgründer und Marketingverantwortlicher begleitet er Knaggs Guitars seit der ersten Stunde.

Peter, du hast in den 1980ern als einer der ersten PRS-Händler in Deutschland begonnen und später deren internationale Präsenz massiv ausgebaut – von 13 Ländern bis zur weltweiten Distribution. Inwiefern hat deine europäische Perspektive deinen Ansatz geprägt?

Ich habe Paul das erste Mal auf der Summer NAMM Show im Juni 1986 in Chicago getroffen – die erste Lieferung kam dann im August desselben Jahres. Zwischen 1986 und 1990 habe ich PRS aus meinem Musikgeschäft, dem Prosound Music Center in Koblenz, heraus vermarktet und verkauft.

Die Entwicklung lief gut, und im Oktober 1990 habe ich PRS Guitars Germany gegründet – als Importeur und Vertrieb nicht nur für PRS, sondern auch für Marken wie Soldano, Groove Tubes, Lakland und andere, die wir nach Deutschland und in Nachbarländer gebracht haben.

Meine Frau Sylvie hat von Anfang an bei PRS Germany mitgearbeitet. Später war sie auch an der strategischen Planung der Marke Knaggs beteiligt – und ist es noch. Anfang 1997 hat Paul mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die internationalen Vertriebsaktivitäten komplett zu übernehmen und beim globalen Ausbau der Firma mitzuhelfen.

Im August 1997 bin ich dann offiziell als International Sales Manager bei PRS eingestiegen – mit Fokus auf weltweiten Vertrieb, Markenaufbau, Distribution, Künstlerkontakte, Medienarbeit und internationale Messen. Nach meinem Umzug in die USA wurde ich zum Director of Global Sales & Marketing ernannt.

Zwischen 1997 und 2009 hast du bei PRS eng mit Joe Knaggs zusammengearbeitet. Wann kam dir zum ersten Mal der Gedanke: „Das sollten wir eigentlich selbst machen”?

Zwischen 1997 und 2000 war ich viel unterwegs – zwischen Europa, den USA und dem Rest der Welt. Immer wenn ich in Maryland war, habe ich mehr Zeit mit Joe verbracht. Dabei habe ich nach und nach gesehen, welchen Einfluss er auf das Design neuer Modelle hatte, wie er Forschung & Entwicklung sowie das Private-Stock-Programm leitete – und wie er zusammen mit dem Entwicklungs-Team praktisch alle Gitarren für Artists gebaut hat.

Die Überlegungen, selbst etwas Eigenes zu machen, kamen allerdings erst deutlich später – ich würde sagen so um 2005 oder 2006. Ich hatte damals das Gefühl, dass einige von Joes Designideen gut in unser Modellportfolio gepasst hätten – etwa Gitarren mit Kopfplatte mit sechs Mechaniken in einer Reihe. Aber das war nicht der Weg, den Paul gehen wollte.

Du hast schon zu Hamer-Zeiten Beziehungen zu Steve Stevens aufgebaut. Wie wichtig sind dir solche langfristigen Artist-Kontakte?

Ich habe Steve, wenn ich mich richtig erinnere, 1986 zum ersten Mal getroffen – damals habe ich ihn zur Frankfurter Musikmesse eingeladen. Zu der Zeit habe ich dort noch sowohl Hamer als auch PRS ausgestellt und vermarktet. Solche langfristigen Beziehungen sind extrem wichtig. Im Fall von Steve hat seine Arbeit mit Künstlern wie Billy Idol, Michael Jackson, Harold Faltermeyer (Top Gun) und vielen anderen großen Namen Türen geöffnet – für ihn, aber auch für mich.

Mit Steve Stevens verbindet Peter Wolf eine lange Freundschaft. (Bild: Jason Brinsfeld)

Ich habe ihn schon immer für einen der großartigsten Gitarristen überhaupt gehalten – und tue das bis heute. Inzwischen ist daraus auch eine echte Freundschaft geworden. Wir haben vor ein paar Monaten noch gemeinsam in Las Vegas zu Abend gegessen – und ich werde ihn demnächst wiedersehen, wenn er mit Billy Idol und Joan Jett in Maryland spielt.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die nächsten 15 Jahre Knaggs!

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