Das kleine Rattenrudel

Test: JHS PackRat

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(Bild: Dieter Stork)

Ratten sind Rudeltiere. Die putzigen Nager als Einzeltiere zu halten, ist nicht artgerecht. Das kann ich als ehemaliger Farbrattenbesitzer bestätigen. Gut, dass JHS Pedals die Rattenfamilie des Effektgerätepioniers ProCo samt der entfernten Verwandtschaft zum Familentreffen einlädt.

Es scheint ein neuer Trend im Effektgerätemarkt zu sein, verschiedene Pedalklassiker in einem neuen Pedal zu kombinieren, und die amerikanische Effektschmiede JHS ist natürlich vorne mit dabei. JHS hat das ja schon erfolgreich mit dem Big Muff gemacht und die ganze Big-Muff-Historie in das Muffuletta-Pedal gepackt. Schön, dass nun auch meinem erklärten Lieblings-Distortion, der ProCo Rat, diese verdiente Ehre zuteilwird.

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Wie die meisten Effektgeräte hat auch die Rat im Laufe der letzten 40 Jahre einige Veränderungen erfahren. Zwar blieb die Schaltung weitgehend gleich, doch bereits kleine Bauteiländerungen bringen hörbare Unterschiede zwischen den Versionen hervor, sodass sich ein Blick auf die Geschichte der Rat lohnt.

KLEINE RATTENGESCHICHTE

Entwickelt wurde die Schaltung in den 70er-Jahren von Scott Burnham und Steve Kiraly, die sich in Kalamazoo, Michigan bereits einen Namen mit der Reparatur von Fuzz- und Distortion-Pedalen gemacht hatten. 1979 startete die Massenproduktion der Rat I, die an ihrem länglichen Stahlblechgehäuse zu erkennen ist. 1983 bekam die Rat ein kleineres Gehäuse und zeitgleich erfolgte eine deutliche Soundveränderung. Diese Version wurde zum Klassiker in Sachen Distortion. Es folgten noch einige Abwandlungen der Rat, wie z. B. die Turbo Rat, die Solo Rat oder die Brat, die dem jeweiligen Zeitgeist folgend passende Klangvariationen anboten.

Auch das Original wurde weiterentwickelt: 1988 bekam die Rat eine LED und seit 2008 wird die Rat in Asien produziert. Die Änderung des Produktionsortes hat dabei allerdings weniger Auswirkungen als die Änderung des verwendeten ICs. Herzstück der Schaltung ist nämlich der LM308-OP-Verstärker. Das betagte IC-Modell wird aber seit Jahren nicht mehr hergestellt, sodass die jüngeren Rats mit Alternativen, meist einem OP07, ausgerüstet werden.

Schon frühzeitig gesellten sich noch einige Fremdanbieter zu der Rattenfamilie, allen voran Ibanez. Der japanische Massenhersteller zögerte nicht lange und bot schon in den 80er-Jahren mit der Fat Cat eine ziemlich freche Kopie der Rat II und mit dem LA-Metal eine interessante Interpretation des ProCo-Originals an. Hersteller wie Landgraff oder JHS haben dann im Zuge des Boutique-Effekt-Booms der 2000er jeweils eigene Kreationen des Effektklassikers auf den Markt gebracht. Mit der PackRat bringt JHS nun in einem Gerät die relevantesten Ratten zu einem schönen Familientreffen zusammen. Wie das klingt, hören wir uns gleich an.

TECHNISCHE FEINHEITEN

Zuvor noch ein Blick auf die gebotene Technik. In einem stabilen Aludruckgussgehäuse finden die Klinkenbuchsen für den Ein- und Ausgang, eine 9-V-Netzteilbuchse, ein Fußtaster mit LED und vier Potis Platz. Die drei klassischen Potis des Originals, Distortion, Volume und Filter, bekommen Gesellschaft von einem 9-fachDrehschalter, der die einzelnen Varianten aufruft. Vertreten sind hier die Rat I (OG), Rat II (WHT), Turbo Rat (TRB), Brat, Dirty Rat (DRTY), Ibanez LA-Metal (LA), Landgraff MO‘D (GRF), Caroline Wave Cannon und JHS.

Um die verschiedenen Sounds des Rattenrudels zu erzeugen, tummeln sich im Inneren Unmengen von SMD-Bauteilen. Als klangrelevante OPs sind ein OP07 und ein NE5534 zu identifizieren. Einen Original LM308 findet man natürlich nicht. Den gibt es ja nicht mal als konventionelles Bauteil, geschweige denn als SMD-Bauteil. Wie mittlerweile üblich, ist ein Batteriebetrieb nicht mehr vorgesehen. Wenn man sich also nicht am Blick auf die sauber verarbeitete Platine erfreuen will, besteht kein Grund, den Deckel zu öffnen.

(Bild: Dieter Stork)

KLANGLICHER MEHRWERT?

Die einzelnen Varianten werden über den Drehschalter aufgerufen. Beginnen wir, der Historie folgend, mit der Stellung OG, wohl für „Original“, um den rauen und in den Tiefen fast noch fuzzähnlichen Charakter der 79er-Originalratte zu hören. Das klingt schon mal richtig gut! Mit der Stellung WHT wird der Sound lauter, heller und etwas definierter in den Bässen. Die 84er-„White Face“-Version, benannt nach dem weißen Schriftzug der ersten Ratte in dem kleinen Gehäuse, noch ohne LED, ist der klassische Rat-Sound, den man im Ohr hat, wenn man an die ProCo Rat denkt. Die Klangunterschiede zu der kurz später erschienenen Ratte mit LED sind gering. Daher hat JHS mit Recht auf die Nachbildung dieser Rat-II-Version verzichtet.

Interessant – das Filter-Poti reagiert hier, wie beim Original, umgekehrt: mehr Höhen gibt es links. Der nächste Dreh bringt uns in das Jahr 1989 und zur Turbo-Rat, die mit LEDs in der Clipping-Sektion der Rat-Schaltung mehr Dynamik entlockt. Die Turbo-Rat gewährt bei geringeren Distortion-Einstellungen und zartem Anschlag schon einen schönen Overdrive. Bei höheren Settings und hartem Anschlag kann sie aber mindestens so böse zubeißen, wie ihre Vorgänger. Hier ist dann wegen des enormen Lautstärkesprungs erstmals ein Zurückregeln des Volume notwendig. Das werden wir noch häufiger erleben. Denn jede Sound-Variante erfordert nochmal das separate Einstellen von Verzerrung, Ton und Lautstärke, um bestmöglich zu klingen.

Bei der nächsten Variante darf der Volume-Regler schon wieder kräftig aufgedreht werden: Die 1997er-Rat-Version heißt Brat und huldigt dem 90erGrunge-Sound, indem die brachial-fette Distortion einer feineren und spitzeren Variante weicht. Der Filterregler funktioniert hier übrigens wieder wie gewohnt: rechts gibt es mehr Höhen. Die 2004er-Variante hieß Your Dirty Rat und durfte wieder richtig schön fett klingen. Die JHS-Version bringt die extreme Sättigung und das brachiale Hard-Clipping des Originals gut rüber, das klingt schon ziemlich böse. Aber die Dirty Rat kann ihre Herkunft nicht verleugnen, im Bassbereich bröselt der Sound fuzzähnlich aus. Rammstein-Fans dürften sich daher wohl mehr Bass-Definition wünschen.

Ab der nächsten Stellung ist die ProCo-Geschichte bereits vorbei und die Varianten der Fremdanbieter dürfen antreten. Den Anfang macht der Ibanez LA-Metal, der durch den Verzicht auf Clipping-Dioden den Rat-Sound offener, dünner und feiner macht. Die Übersteuerung des OP-Amps resultiert beim LA-Metal aber auch in einem etwas kratzigen Sound. Besonders beliebt war die Ibanez-Kreation bisher eigentlich nicht. Noch vor einiger Zeit bekam man sie auf dem Gebrauchtmarkt für ziemlich kleines Geld. Das scheint sich nun zu ändern. Vielleicht haben nicht nur die Jungs von JHS das Besondere an dem 80er-Jahre-Oldie entdeckt.

Die nächsten drei Schalterstellungen zaubern eindeutige Boutique-Sounds: Die Varianten von Landgraff (2005) und Caroline Wave Cannon (2010) bringen beide ein schön ausgewogenes Verhältnis von fetter Distortion und tighter Definition des Rat-Sounds. Die JHS-Variante ist wieder etwas charaktervoller und betont das fuzzige Element. Auf jeden Fall sind die drei Varianten eine sinnvolle Bereicherung der Rattengeschichte und haben ihren Platz im PackRat verdient.

Ich habe zum Schluss noch den A/B-Vergleich mit meiner originalen 80er-Jahre-Ratte gemacht. Die WHT-Stellung des PackRat kommt da schon sehr nahe ran, ganz authentisch klingt sie aber nicht. Insbesondere die Definition im Bassbereich ist beim Original eindeutig höher und sie bietet etwas mehr räumliche Tiefe. Die PackRat-Version klingt etwas flacher und „näher dran“. Mein Original arbeitet aber auch noch mit dem LM308-IC. Aktuelle Modelle der Rat-II klingen auch deutlich anders. Wenn nun Vintage-Jäger weiterhin auf die Suche nach den alten Originalen gehen und dafür kratzende Potis und unzuverlässig schaltende Schalter in Kauf nehmen, kann ich das zwar nachvollziehen, aber das PackRat ist eindeutig eine Bereicherung für den Markt und hinterlässt einen sehr guten Eindruck.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das Rattenpaket, das uns JHS da geschnürt hat, ist schon großartig. Hier kommen Rattenfreunde voll auf ihre Kosten. Der fette Distortion-Sound des Effektklassikers ist nicht umsonst zeitlos und auch heute noch auf den Effektboards vieler Gitarrenhelden vertreten. Diese Qualitäten fängt das PackRat sehr gut ein. Die Klangunterschiede zwischen den einzelnen Varianten sind deutlich zu hören und das Gehörte klingt in allen Fällen ziemlich überzeugend.

Auch wenn die Varianten des PackRat einem 1:1- Vergleich nicht immer standhalten, gibt es hier nichts zu meckern. Denn die Frage, ob man die Bässe lieber etwas definierter oder zerbröselnder haben möchte, ist ja keine Qualitäts- sondern eine Geschmacksfrage. Daher gibt es eine klare Empfehlung für das Rattenrudel. Ob sich die Mehrkosten gegenüber einer aktuellen Version der Rat-II rentieren, die bereits für ein Drittel des Preises zu haben ist, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Wie man es auch hält, für mich gehört mindestens eine Ratte in jeden Haushalt.

PLUS

● Soundqualität
● Soundvariabilität
● Authentizität
● Bauteilequalität
● Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich habe noch die „alte Ratte“,die sich schon vor mehr als einem Jahrzehnt „ProCo Rat“ nannte,und damals wie heute immer noch einwandfrei funktioniert. Das witzige an diesem kultigen Distortion-Bodentreterpedal waren die lumpenden „Glow in the Dark“ Potis,und die wenigen Einstellmöglichkeiten genügten uns schon damals,um einen zusätzlich satten Sound zu kreieren. Schweres metallenes Gehäuseteil vollmassiv,wahlweise optional mit 9 Volt Blockbatterie oder über Standard Netzteil zu betreiben.

    Wurde mit einem kleinen Inbusschlüssel geliefert,und kam in einem rechteckigen kleinen Pappekarton.Herkunft: U.S.A.

    Es gibt sinnvolles solides Zubehör für den Gitarristen,und die uralte „ProCo Ratte“ gehört bis dato unbedingt dazu!

    Allerdings war der Kaufpreis nicht so hoch wie das neueste „Ratten Pedal von ProCo.“

    Ordentlich amtliche Effektpedale,so fiel mir auf,sind heute nicht mehr so preisgünstig wie damals.Wichtig ist,daß man damit zufrieden ist!

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