Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
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(Bild: Hughes & Kettner)
Hughes & Kettner Duotone
Was wünschten sich die Gitarristen, wenn sie in den 80er- und 90er-Jahren ihre Marshalls reihenweise zu den Amp-Spezialisten brachten? In der Regel mehr Gain, einen Effekteinschleifweg und vielleicht ein zweites Master-Volume, um die Soli zu betonen. Wenn es dann noch einen anständigen Clean-Sound gäbe, wäre das richtig klasse …
Denn ansonsten waren die Verstärker der JCM-800-Serie ja fantastisch. Auch wenn Marshall in den 90ern mit der JCM900-Serie darauf reagierte, war das nicht das Ende der Sehnsucht. Denn die technischen Errungenschaften wurden mit einem deutlich anderen Sound erkauft. Ziemlich eng und fokussiert klang der Overdrive, etwas kratzig und weniger druckvoll als die 800er, und über den Cleansound hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens. Das öffnete die Flanke für andere Hersteller in das bisher von Marshall dominierte Marktsegment für Hard’n’Heavy einzudringen. Und auch Hughes & Kettner, bisher eher Spezialisten für Transistortechnik, stellten ihrem Flaggschiff Triamp im Jahr 2000 zwei weitere edle Vollröhrenverstärker zur Seite: den einkanaligen Puretone und den zweikanaligen Duotone.
TRADITIONELLE TECHNIK IM MODERNEN DESIGN
Im schicken Zwirn ging der Duotone auf Kundenfang. Ein edles Tolex, chromfarbene Potiknöpfe und eine blau beleuchtete Glasfront mit freiem Blick auf die Röhren sollten designtechnisch schon mal den Hi-End-Anspruch beim 100 Watt starken Head betonen.
Auch der 50 Watt starke Combo stand dem optisch kaum nach und warb zudem mit einem 12“ Celestion Vintage 30. Über einen Dreifachfußschalter kann man bei den Duotones den Kanalwechsel, einen Boost im Crunch-Kanal und ein zweites Mastervolumen schalten. Der Accutronics-Hall und der parallele regelbare Effektweg sind leider nicht schaltbar. Macht nichts, denn der Hall ist wirklich gut und darf auch im verzerrten Kanal gerne den Sound etwas fülliger machen.
Apropos Fülle: bei dem glasklaren und kräftigen Clean-Kanal orientierte sich Hughes & Kettner erfolgreich an Fenders Trademark-Sound. Der Zerrkanal dagegen ist ein JCM 800 auf Steroiden: Er liefert bereits ohne den zuschaltbaren Boost deutlich mehr Gain als das Vorbild von der Insel, bleibt aber immer transparent und meidet jedes Matschen. Wie die meisten Röhrenverstärker braucht er eine gewisse Grundlautstärke, um den richtigen Druck entfalten zu können. Aber dann geht es zur Sache.
Nebengeräusche sind selbst bei High-Gain kein großes Thema. Beeindruckend sind zudem die strahlenden Präsenzen … und der Combo klingt überraschend groß. Kaum zu glauben, dass diese Soundfülle aus nur einem Speaker stammt. Bei der Konzeption arbeiteten die Saarländer mit Dirk Baldringer zusammen, der bereits vorher zu den bekannten Marshall-Tunern gehörte und hier seine ganze Erfahrung einfließen lassen konnte. Das Ergebnis konnte sich daher nicht nur sehen, sondern auch hören lassen.
(Bild: Hughes & Kettner)
Auch der aktuelle Kiss-Lead-Gitarrist Tommy Thayer ließ sich vom Duotone überzeugen und endorste ab 2008 ein Signature-Modell, das sich technisch nicht vom Standard unterscheidet.
WARUM SO BILLIG?
Ein Verkaufsschlager war der Duotone dennoch nicht. Das hat vielleicht mit dem hohen Preis zu tun oder damit, dass Gitarristen auch in Sachen Design extrem konservativ sind. Aber wen das blaue Licht stört, der kann es ja abklemmen. Klanglich spielt der Duotone für Rocksounds in der ersten Liga. Ich fand meinen Duotone vor kurzem in den Kleinanzeigen für 500 Euro. Schon ein erstaunlich kleiner Preis für einen Vollröhren-Amp, der mal in der 2.000-Euro-Liga antrat, so flexibel ist und in allen Lagen erstklassig klingt. Wer einen ab Werk getunten Brit-Rocker sucht, sollte zugreifen. Die Gebrauchtpreise liegen derzeit zwischen 500 und 900 Euro.