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Solo Basics: Pentatonik-Lines für ‚Little Wing‘
von Wolfgang Kehle, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Shutterstock / Gansstock)
In der letzten Folge haben wir uns mit der G-Dur-Pentatonik und den in ihr verborgenen Dyads/Double Stops beschäftigt und dabei auch einen eher horizontalen Blick auf das Griffbrett entwickelt. Heute geht es um Möglichkeiten, die G-Dur-/E-Moll-Pentatonik in einer Akkordfolge einzusetzen, die mit Blues definitiv gar nichts zu tun hat.
‚Little Wing’ wurde auf dem zweiten Album der Jimi Hendrix Experience ‚Axis: Bold As Love’ 1967 veröffentlicht und gilt als einer der schönsten Songs des Gitarrenmagiers.
Die ursprüngliche Akkordfolge sah so aus:
| Em | G | Am | Em | Bm Bb | Am | C |
| G F | 2/4 C | 4/4 D | N.C. |
Beispiel 1 zeigt eine alternative Version, notiert im 2/2-Takt (alla breve). Im Gegensatz zum Hendrix-Original ist die Gitarre im Standard-Tuning auf E gestimmt. Das Tempo ist noch etwas langsamer als das Original, und die Achtel swingen.

Die Akkordfolge legt den Schluss nahe, dass sie aus einer Kirchentonleiter stammt. Und wenn wir uns E-Äolisch (Beispiel 2), die Stufen-Dreiklänge (Beispiel 3) und die Stufen-Vierklänge (Beispiel 4) anschauen, landen wir fast nur Volltreffer.
In Beispiel 5 findet sich eine Analyse der Akkord-Voicings aus Beispiel 1. Schon der erste Blick aufs Notenbild zeigt durch die Abwesenheit von zusätzlichen Vorzeichen, dass fast alle Akkorde und deren Erweiterungen leitereigen sind, also nur aus Tönen von E-Äolisch bestehen.
Erste Ausnahme ist Bb7#11 − hier scheren die Töne Bb und Ab aus dem Verbund von E-Äolisch aus. Für Kenner und alle, die die vorletzte Folge dieser Kolumne gelesen haben (Die Tritonus-Substitution, G&B 09/2025): Bb7#11 ist die Tritonus-Substitution für E7alt.
F6/9(no3) ist der nächste Ausreißer. Man kann aber die drei Akkorde G, F6/9(no3) und Cadd9 auch als V-IV-I-Verbindung in C-Dur deuten. Und der letzte Akkord F13, den ich aus Eric Gales phänomenaler Version von ‚Little Wing’ geklaut habe, ist die Tritonus-Substitution von B7alt. Die E-Moll-Pentatonik kann als „Schweizer Messer” über alle Akkorde gespielt werden, nur das in ihr enthaltene B (deutsches h) klingt über Bb7#11 nicht gut.

Beispiel 6 zeigt als Fortsetzung unseres horizontalen Ansatzes aus der letzten Folge die E-Moll-Pentatonik über mehr als zwei Oktaven. Zu beachten ist der Fingersatz der linken Hand, nur Zeigefinger (1) und Ringfinger (3) kommen zum Einsatz. So spielen viele große Blues-Gitarristen gerne!
Beispiel 7 zeigt ein Bending-Lick aus der E-Moll-Pentatonik in der XII. Lage auf H-, G- und D-Saite. Und genau in diesem Bereich spielt Jimi Hendrix den ersten Teil seines ikonischen Solos über ‚Little Wing’ (Beispiel 8).
Warum klingen diese Lines so überzeugend? Die lange klingenden zentralen Töne sind Akkordtöne wie E im ersten Takt (Grundton von Em), B im dritten Takt (Terz von G-Dur) oder G im vierten Takt (Grundton von G-Dur).
Sting hat auch eine wunderbare Version von ‚Little Wing’ eingespielt und holte für die Lead-Parts den US-Gitarristen Hiram Bullock ins Studio. Auch der spielte im ersten Teil seines Solos (Beispiel 9) fast nur mit der E-Moll-Pentatonik, garnierte diese aber mit den Zusatztönen c und f#, den zwei Tönen aus E-Äolisch, die nicht in der E-Moll-Pentatonik zu finden sind.
(erschienen in Gitarre & Bass Ausgabe 11/2025)
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