Mathias Herbst Gitarrenbau: Zwischen London und Mannheim

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(Bild: Lucie Greiner)

Er hat über 100 Gitarren gebaut, in der legendären Denmark Street gearbeitet, an der London Metropolitan University unterrichtet – und bringt heute im Mannheimer Musikpark sogar völligen Laien bei, ihre eigene Gitarre zu bauen. Gitarrenbauer Mathias Herbst vereint Handwerk, Coolness, Geduld und jeder Menge Musikerverstand. Seine Kurse? So gefragt, dass man mittlerweile bis zu zwei Jahre warten muss. Grund genug, sich mit ihm zu unterhalten. Haben wir gemacht…

Interview

Wir nehmen jetzt einfach mal an, dass du nie was anderes werden wolltest als Gitarrenbauer?

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Stimmt. Die Idee war schon da, als ich noch in der Schule war. Aber wie das so ist, gab es Umwege zum Ziel. Ursprünglich hatte ich mich in Mittenwald an der Geigenbau-Schule beworben, die auch drei Gitarrenbauer pro Jahr aufnehmen. Die haben mich nicht genommen – wahrscheinlich war ich zu maulfaul, wenn man so will.

Die wollten beim Bewerbungsgespräch eben wissen, warum man das machen will. „Ich find’ das super!” war wohl wenig überzeugend. Und sie wollten, dass du klassische Gitarre spielst. Ich hab ihnen aber ein Jazz-Stück vorgespielt. Fanden sie gar nicht gut. Daraufhin habe ich erst eine Schreinerlehre gemacht, bin nach Indien und habe mit 25 angefangen, in London zu studieren.

Weil ich schon vor dem Abi abgegangen bin, habe ich dort erst mehrere praxisorientierte Kurse gemacht – erst dann kam der Bachelor in Musikelektronik und mein Master. Insgesamt habe ich für diese drei Abschlüsse knapp sieben Jahre gebraucht. Die Schreinerlehre vorher gemacht zu haben, war tatsächlich eine super Grundlage. Ich wusste, wie man mit Holz umgeht – das hilft enorm.

Und danach?

Ich war insgesamt 23 Jahre in London, habe nach dem Studium meinen eigenen Betrieb eröffnet und natürlich auch in einem Musikgeschäft in der legendären Denmark Street gearbeitet – einer ganz kleinen Straße mit einem Musikgeschäft nach dem anderen. Und so ziemlich jeder, der in London ein Konzert spielt, schaut da vorbei, um zu sehen, welche Gitarren gerade so auf dem Markt sind.

Ich stand die ganze Zeit über in engem Kontakt mit den Dozenten meiner Uni und den Kollegen in der Werkstatt. Als eine Stelle frei wurde, habe ich neben meinem Geschäft auch als Dozent gearbeitet. Ich hatte nie den Plan, so lange in England zu bleiben – aber irgendwie bin ich da hängengeblieben. Als der Brexit kam, bin ich zurück nach Deutschland.

Auf was kommt es wirklich an, damit eine Gitarre gut klingt? Und was kann man falsch machen – was ist die größte Herausforderung?

Das Wichtigste ist die Decke – das Soundboard – und die Verstrebungen unten drunter. Das ist es, was den Sound am Ende ausmacht. Dazu kommt natürlich der Klangkörper und die entsprechenden Proportionen. Die größte Herausforderung, zumindest für mich, ist aber tatsächlich das Marketing. Wenn du verkaufen willst, musst du dich selbst verkaufen können. Das ist wichtig, weil es noch nie so viele Gitarrenbauer:innen gab wie aktuell.

Die Herbst Gitarrenbau Marlin (Bild: Lucie Greiner)

Wo wir gerade vom Verkaufen sprechen: Hast du Gitarren an Gitarristen aus der Promi-Riege verkauft?

Ich direkt nicht, was aber auch daran liegt, dass ich nicht so auf der Promi-Schiene unterwegs bin. Für mich sind alle Musiker gleich. Außerdem ist es meist so, wenn man an Promis verkaufen will, dass man einen Agenten oder eine Agentin zwischengeschaltet hat, die meist von Tuten und Blasen gar keine Ahnung haben.

Das ist zusätzlicher Druck – und auch nicht so meins. Dennoch habe ich in meiner Zeit in der Denmark Street neben meinem eigenen Business auch Customshop-Gitarren im Auftrag für BJ & Byrne gebaut. Deswegen spielen zum Beispiel auch Elliott Randall, der im Studio viele Solos für Steely Dan aufgenommen hat, oder Robin Thomson, der mit Bruce Springsteen unterwegs war, Gitarren aus meiner Hand.

Du hast ein ziemlich breites Spektrum und baust ja nicht „nur” klassische Akustik-Gitarren, sondern auch Bässe, Flamenco-, Western- und E-Gitarren. Unterscheidet sich das nicht im Bau enorm?

Naja, das ist schon alles in Teilen sehr verwandt. Die Techniken des Bundierens sind im Grunde gleich. Du musst den Hals bauen und die Bünde richtig setzen können, darauf kommt es ja wirklich an.

Während des Studiums lag mein Fokus schon auf klassischen Gitarren, danach in der Selbstständigkeit waren es eher E-Gitarren und Bässe, weil Rockmusik mehr mein Thema und meine Szene war. Nach ein paar Jahren wurde mir das ein bisschen zu langweilig, und da kam dann die Flamencogitarre ins Spiel, weil sie sich im Bau unterscheidet – sie ist wesentlich leichter gebaut, damit sie lauter und eher perkussiv ist.

Breites Sortiment: Mathias baut neben Flamenco-Gitarren und Steelstrings auch E-Gitarren und Bässe. (Bild: Lucie Greiner)

Jetzt hast du deine Werkstatt im Mannheimer Musikpark im Szeneviertel Jungbusch. Was macht die Stadt und den Musikpark für dich zum perfekten Standort?

Der Ort ist super! Ich habe viel Kundschaft aus der Popakademie, die ja nur ein paar Meter entfernt ist. Viele der Dozenten und natürlich auch Mannheimer Gitarristen und Gitarristinnen kommen zu mir, um ihre Gitarren reparieren und einstellen zu lassen.

Und ich habe es im Herbst nicht weit zum Guitar Summit, wo ich schon ausgestellt habe, als ich noch in London war. Heute kann ich mit dem Fahrrad zum Summit fahren.

Neben Bau, Reparatur, Wartung und Pflege von Gitarren bietest du auch Kurse an, bei denen du sogar komplette Laien an die Hand nimmst, um ihre eigene Gitarre von Null an zu bauen. Ist das üblich?

Gibt es nicht oft. Es gibt wohl ein paar in Deutschland, aber dadurch, dass ich das ja an der Uni gemacht habe, hat es sich angeboten. Ich hatte in den letzten Jahren viele Kunden, die handwerklich gar keine Vorkenntnisse hatten – und habe bisher noch jeden durch den Kurs gebracht, der es wirklich wollte. Sogar Leute, die noch nie einen Nagel in die Wand gehauen haben, haben sich selbst gewundert, wie viel sie eigentlich machen können.

Am Ende bauen sie alle ihre Gitarre selbst, ich nehme sie dabei an die Hand. Das kann im Grunde jeder! Ich habe immer gleichzeitig fünf Schüler:innen im Einzelunterricht, die jeweils für drei Stunden an einem Wochentag bei mir in der Werkstatt sind. Durchschnittlich dauert das fast ein Jahr.

Gibt es etwas, was du noch nicht gebaut hast – was auf deiner persönlichen Bucketlist steht?

Im Moment tut sich enorm viel im Bereich der akustischen Gitarre. Besonders im Hinblick auf die Decke, die ja maßgeblich für den Klang verantwortlich ist, haben sich in den letzten zwanzig Jahren spannende neue Techniken entwickelt – zum Beispiel das sogenannte Lattice Bracing oder die Double-Top-Bauweise.

Bei der Double-Top-Gitarre besteht die Decke im Grunde aus drei Schichten: zwei hauchdünne Holzlagen, zwischen die ein Kern aus Nomex eingearbeitet wird – einem Material, das ursprünglich aus der Raumfahrt stammt.

Als ich vor ein paar Jahren eine klassische Gitarre von Greg Smallman mit Lattice Bracing auf der Werkbank hatte, wurde mir klar, dass das Design akustischer Gitarren längst noch nicht ausgereizt ist. Seitdem experimentiere ich leidenschaftlich mit unterschiedlichen Konzepten zur Deckenverbalkung.

Und da kann es dann durchaus passieren, dass ich auch mal eine Double-Top-Gitarre baue. Zurzeit arbeite ich jedoch vor allem mit einer sehr leichten Deckenverbalkung in Kombination mit Carbonverstärkungen – eine Richtung, die ich momentan besonders spannend finde.

Muss man eigentlich Gitarre spielen, um eine zu bauen?

Lustigerweise nicht zwingend. Ich habe in meinem Kurs jemanden, der selbst gar nicht spielt – aber immer wieder aus reiner Freude Gitarren für seine Tochter baut. Mittlerweile schon seine dritte. Und alle sind super.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

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