Im Interview

Don Felder: “Ich bin ein Gitarrenschwein”

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(Bild: Jaden Osborne)

Vierundzwanzig Jahre nach seinem Rauswurf bei den Eagles muss Don Felder immer noch Fragen zu ‚Hotel California’ und seinen Ex-Kollegen beantworten. Das tut er bisweilen sogar gerne – genau wie Auskunft über sein Archiv, seine imposante Gitarrensammlung und seine berühmten Freunde zu erteilen. Gitarre&Bass hat den Altmeister in seinem Studio in Los Angeles getroffen.

Interview

Don, dein neues Werk ‚The Vault’ enthält unveröffentlichtes Archiv-Material der letzten 50 Jahre – machst du uns den Neil Young? Ist das der Auftakt zu einer Serie an angestaubten Schätzen?

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So weit wird es nicht kommen – und ich verfolge damit auch keine Strategie. (lacht) Es ist einfach Folgendes passiert: Ich habe 29 Jahre in Malibu gewohnt und nach dem fünften Waldbrand, bei dem alle Häuser um mich herum abgebrannt sind, sagte ich mir: „Es reicht – ich muss hier raus.”

Also habe ich mein Studio ausgeräumt und alle Bänder und Kassetten, die dort herumflogen, in eine Kiste geworfen und eingelagert. Als ich dann ein Haus in Beverly Hills gefunden hatte und mir ein neues, digitales Studio eingerichtet hatte, habe ich mir das Tonmaterial aus dem Lagerraum vorgenommen – weil ich nicht mehr wusste, was für Aufnahmen das sein könnten.

Ich hatte nach all den Jahren wirklich keine Ahnung. Und es waren Demos aus der Eagles-Zeit; Sachen, die ich alleine aufgenommen habe – mit 16- oder 24-Tracks – und die vom Klang her ziemlich rau und ungeschliffen waren. Ich war begeistert und habe angefangen, sie mit meinem Techniker zu digitalisieren, was ein endlos langer, nervenaufreibender Prozess war. Die Originalbänder waren zum Teil in erbärmlichem Zustand und deswegen war es eine Herausforderung, da noch etwas herauszuholen.

Aber als ich mir das angehört habe, waren da so viele tolle Ideen, dass ich einige davon genommen und in richtige Songs verwandelt habe. Denn das Meiste waren Musikbetten ohne Texte und ohne Melodien – einfach nur Song-Strukturen, wie Intro, Strophe, Refrain, Strophe, etc. Davon hatte ich hunderte – weil es das war, was Don Henley und Glenn Frey von mir wollten. Sie hatten kein Interesse an fertigen Songs, sondern ich sollte ihnen nur zuliefern, damit sie daraus mehr machen konnten. Das habe ich getan.

Wie bei ‚Hotel California’?

Für das Album habe ich ihnen 16 oder 17 Song-Demos geliefert. Eines davon ist ‚Hotel California’ geworden, ein anderes ‚Victim Of Love’. Der Rest ist im Archiv verschwunden – und genau so war es anschließend bei ‚The Long Run.’ Ich habe ihnen einen ganzen Haufen Vorschläge gemacht und sie haben zwei davon verwendet. Deshalb sitze ich seitdem auf einem Berg an unveröffentlichtem Material. Das älteste ist der erste Song auf diesem Album: ‚Move On’.

Als ich damals in die Band eingestiegen bin, suchten sie einen Slide-Gitarristen. Und ich habe versucht, einen Song auf der Slide-Gitarre zu schreiben. Ich hatte kein Schlagzeug und nur ein billiges, altes 4-Spur-Gerät zum Aufnehmen. Dann habe ich der Gitarre ein bisschen Bass und einen rudimentären Beat hinzugefügt – indem ich auf einem Karton herumgetrommelt habe. Das jetzt wieder zu hören, war der Wahnsinn. Ich habe etliche dieser Demos genommen und zu neuen Songs vervollständigt.

‚Move On’ sollte – so wollte es Don Henley – erst ‚Slide On’ heißen. Doch das war mir zu billig. Und als ich dann einen Text dazu verfasst habe, entschied ich mich, das Ganze lieber ‚Move On’ zu nennen – über ein Paar, das im Begriff ist, sich zu trennen.

Dann sind die elf Stücke des Albums nur die Spitze des Eisbergs – ein paar unter hunderten?

Ganz genau. Und ich bezweifle, dass ich sie jemals alle ausarbeiten werde, weil ich allein für diesen ersten Schwung vier oder fünf Jahre gebraucht habe. Nicht, weil ich so langsam wäre, sondern so viel um die Ohren habe: Ich bin ständig auf Tour oder sonst wie unterwegs, dass ich vielleicht eine Woche pro Monat Zeit dafür habe, mit befreundeten Musikern an diesen Demos zu arbeiten – mit Koryphäen wie meinem Kumpel Nathan East am Bass, Chad Cromwell an den Drums oder Steve Lukather an der Gitarre. Wir sind seit Jahren beste Freunde und er hat auf all meinen Solo-Alben gespielt – weil das immer ein großes Vergnügen ist.

(Bild: Michael Helms)

‚The Vault’ endet mit dem Titel ‚Blue Skies’ – ein später, versöhnlicher Abschied von Glenn Frey, der 2016 verstorben ist?

Ich hatte immer das Gefühl, dass es nett gewesen wäre, wenn wir zwei uns einfach mal zusammengesetzt, einen Kaffee getrunken und uns anschließend die Hände geschüttelt hätten. Eben, um all die Differenzen und Anfeindungen, die wir über die Jahre hatten, ein für alle Mal hinter uns zu lassen. Denn ich hatte damit sehr schnell abgeschlossen – schneller als jeder andere in der Band. Aber leider hatte ich nie die Gelegenheit, Glenn zu sehen, geschweige denn zu sprechen. Dabei habe ich mehrfach versucht, mit ihm in Kontakt zu treten.

Die einzige Antwort, die ich bekam, war von Anwälten und Managern: Dass er kein Interesse daran hätte, sich mit mir auseinanderzusetzen und endlich klar Schiff zu machen. Das war schade, aber das musste ich akzeptieren.

Hat Don Felder seinen Frieden mit den Eagles geschlossen?

Ich würde sagen: Da ist schon eine Menge Eis – aber die Hölle ist noch nicht vollständig zugefroren. Insofern: Wer weiß? Ich sage niemals nie, habe aber gleichzeitig viel Spaß alleine – mit Alben, Tourneen und was ich sonst so mache. Denn: Ich kann tun und lassen, was ich will – und mit wem ich will. Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen. Es ist lockerer und entspannter als bei den Eagles. Insofern: Ich komme gut alleine zurecht.

Was spielst du auf ‚The Vault’ – worauf greifst du im Studio zurück?

Im Grunde drei verschiedene Strats: Ein Clapton-Modell und eine Custom-Made Strat, die mir der CEO von Fender geschenkt hat. Ein Teil, das ich regelrecht liebe. Es hat ein Palisander-Griffbrett mit Binding – was für Fender sehr ungewöhnlich ist. Sie haben diese Gitarre extra für mich gebaut. Und dann habe ich noch eine Strat, die von demselben Typen stammt, der die Spezialanfertigungen für James Young von Styx anfertigt – diese Custom Stratocaster mit Sustainiacs und der ganzen Elektronik.

Außerdem habe ich auf verschiedene Les Pauls und Zemaitis zurückgegriffen – so wie auf einige Gretschs. Also Gitarren, die wirklich sehr unterschiedlich klingen – und das aus dem simplen Grund, weil man nicht für jeden Take dasselbe verwenden kann. Das wäre langweilig – für alle Beteiligten, selbst für den Hörer. Es muss abwechslungsreich und originell sein. Von daher habe ich auch 15 verschiedene Amps im Studio, um den Sound immer ein bisschen zu verändern.

Das ist eine Sache, die ich während meiner Zeit mit den Eagles gelernt habe. Denn wenn man drei Gitarristen hat, kann man unmöglich mehrere Strats oder mehrere Les Pauls gleichzeitig einsetzen. Dadurch wird der Ton matschig. Kombiniert man aber eine Les Paul mit einer Telecaster, Strat oder Gretsch, trennt sie das voneinander – und der Charakter der Instrumente tritt deutlicher hervor. Deswegen gehe ich beim Aufnehmen immer so vor, dass ich unterschiedliche Gitarren übereinanderschichte. Nach dem Motto: „Wenn du eine Les Paul benutzt, kannst du das nur mit einer Telecaster, Strat oder Zemaitis kombinieren.”

Wie steht es mit Pedals? Laut Steve Stevens befinden wir uns in einer spannenden Zeit, was Boutique-Pedals, also Nachbauten von Vintage-Sachen betrifft. Würdest du dem zustimmen?

Wenn ich live spiele, verwende ich nur drei Effekte: Ein Chorus-Pedal, ein OCD-Overdrive mit nur wenig Verzerrung und ein digitales Delay. Das ist alles. Ich habe also kein großes Rack mit 20 Pedals oder etwas in der Art. Auch im Studio nehme ich nicht mit Pedals auf – da greife ich auf Plug-ins zurück. Einfach, weil ich Sachen dann nachträglich korrigieren kann. Denn es kommt immer wieder vor, dass man sich nach Beendigung der Aufnahmen noch einmal alles in Ruhe anhört und dann denkt: „Ein toller Part – aber da ist ein Hauch zu viel Echo im Spiel.”

Oder: „Das Echo ist nicht wirklich ganz synchron.” Hast du Pedals verwendet, musst du wahrscheinlich alles noch einmal neu aufnehmen. Hast du dagegen ein Plug-in benutzt, kannst du das jederzeit verändern. Von daher nehme ich vorzugsweise trocken auf – einfach nur den Ton der Gitarre. Die Effekte werden später mit Waves oder anderen Plug-ins hinzugefügt.

Übersichtliches Live-Pedalboard: Fulltone OCD Overdrive und Boss DD-3 & CE-5 (Bild: Jaden Osborne)

Du giltst als bodenständiger, bescheidener Mensch. Einzige Ausnahme: Deine exzessive Sammelleidenschaft was Vintage-Gitarren betrifft. Was fasziniert dich daran?

Ich denke, das Exzessive beruht allein darauf, dass ich in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen bin. Und die ersten Instrumente, die ich gespielt habe, waren schrecklich. Nämlich akustische Gitarren von Nachbarskindern, die Risse oder Löcher aufwiesen und zig gerissene Saiten hatten. Also habe ich anderen Leuten den Rasen gemäht und das Auto gewaschen, um genug Geld für die fehlenden Saiten zusammenzukratzen und mir selbst das Spielen beizubringen. Aber diese Teile waren fürchterlich.

Und als ich endlich genug verdient habe, um mir Dinge leisten zu können, habe ich halt angefangen, Gitarren zu sammeln – so viele unterschiedliche, wie ich nur konnte.

Eine Kompensation für das, was du nie hattest?

Ganz genau – und vielleicht habe ich es allein deshalb übertrieben. Denn aktuell habe ich ein bisschen mehr als 300 Gitarren. Ich bewahre sie in vier oder fünf Lagerräumen auf – und sie sind alle katalogisiert. Wenn ich also eine Gibson für irgendeinen Anlass brauche, weiß ich sofort, was ich habe und wo ich es finde. Ich habe Fotos, Beschreibungen, Seriennummern von ihnen. Und natürlich ist alles versichert.

Deshalb bin ich in den letzten Jahren jeden einzelnen Lagerraum durchgegangen und habe alles genau dokumentiert – wie auch die Gitarren, die ich hier zu Hause und im Studio aufbewahre. Wir haben alles auf Vordermann gebracht. Und ganze neun davon wurden mir über die Jahre gestohlen: Eine wunderschöne, klassische Les Paul, eine 57er Stratocaster oder auch eine Telecaster von 1951. Jemand, dem ich vertraut und als meinen Gitarren-Techniker engagiert hatte, hat sie nach und nach mitgehen lassen. Und das ist der Grund, warum ich gerade wieder Inventur gemacht habe – um zu sehen, ob noch alles da ist, wo es sein sollte.

OK, aber bist du nun ein Sammler, der auch alles spielt, was er besitzt, oder geht es dir nur ums Besitzen und Wegschließen? Und wann ist es Sammeln, wann Horten?

Ich schätze, ich bin ein Gitarren-Schwein. (lacht) Also ein Trüffelschwein für Gitarren. Ich kaufe sie aus mehreren Gründen – etwa, um mehr als nur eine Gitarre für eine bestimmte Sache einsetzen zu können. Deshalb war es auch so: Als mich Gibson anrief, um mir vorzuschlagen, eine Don-Felder-Hotel-California-Gitarre zu bauen, meinte ich nur: „Welche schwebt euch da vor – die 59er Les Paul, die ich für alle Gitarren-Parts in dem Song verwendet habe? Oder die weiße Doubleneck, bei der ich erst einmal lernen musste, wie ich meinen 12-Saiten-Part und den 6-Saiten-Part miteinander kombiniere, um den Song live spielen zu können?”

Ihre Antwort war: „Lass uns beide angehen.” Sie haben dann 300 Sunburst Les Pauls und 150 weiße Doublenecks gebaut, von denen ich 50 unterschrieben habe – als limitierte Auflage. Sie waren in zwei Monaten ausverkauft, weil das gefragte Sammlerstücke sind. Und ich würde sagen, dass es mir selbst nicht so sehr ums Sammeln geht, sondern ich liebe es, diese Instrumente zu betrachten und mich an ihnen zu ergötzen.

Erst vor ein paar Tagen habe ich meine 57er Strat gesucht, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte und die ich wirklich sehr gerne spiele. Ich bin ins Lager, habe dort aber den falschen Koffer geöffnet – in dem eine 93er Fender Telecaster mit einem B-String-Bender lag.

Ich war echt überrascht: „Mein Gott, die Gitarre habe ich ja ewig nicht mehr gesehen.” Also habe ich sie mit nach Hause genommen, meine B-Bender-Fähigkeiten reanimiert und die Gitarre bei ein paar Shows eingesetzt. Was soll ich sagen: Es war ein Riesenspaß. Und deshalb habe ich zwei oder drei B-Benders. Jetzt noch einmal darüber zu stolpern und wieder damit herumzuspielen, war toll.

Don Felders selbst zusammengebaute Aluminium-Gitarre (Bild: Michael Helms)

War dir damals, als du diese Gitarren erworben hast – in den 70ern und 80ern – schon klar, wie wertvoll sie eines Tages sein würden? Also was für eine lohnenswerte Investition das ist? Und wie teuer oder günstig waren sie da?

Die meisten habe ich von einem fliegenden Händler aus Texas erworben – er hieß Tony Dukes. Jedesmal, wenn die Eagles in Texas gespielt haben, was öfter vorkam, ist er mit einem Pickup-Truck voller Gitarren aufgekreuzt: Les Pauls, Stratocasters, Telecasters, Akustik-Gitarren von den Everly Brothers, etc. Ich habe dann jedes Mal fast alles gekauft, was er hatte. Das Teuerste, was ich je von ihm erworben habe, war meine 59er Les Paul, für die ich 1200 Dollar hingeblättert habe.

Ich weiß noch, wie ich sie anschließend mit zum Soundcheck gebracht habe. Glenn schaute sie sich an und meinte: „Wow, die ist ja wirklich cool. Was hat sie gekostet?” Als ich ihm den Preis nannte, fügte er hinzu: „Wie billig ist das denn?” – und zwar so ironisch, als hätte ich mich da übers Ohr hauen lassen. Dabei ist das garantiert nicht der Fall: Die 1200 Dollar sind jetzt fast eine Million wert, weil ich das Teil auf allen Eagles-Alben verwendet habe.

Dann ist das ist quasi das Excalibur deiner Sammlung?

Das könnte man so sagen. Und ich liebe es, über all diese unterschiedlichen Gitarren zu verfügen – zumal ich auch angefangen habe, meine eigenen Stratocasters zusammenzubauen.

Wie bitte?

Ja, ich besuche regelmäßig die Fabrik in Corona – hier in Kalifornien. Das habe ich schon getan, als Leo Fender noch gelebt hat. Ich mache immer einen kleinen Rundgang, spreche mit den Leuten und finde stets etwas im Mülleimer – wie diese Stratocaster-Hälse, die angeblich nicht ihren Anforderungen entsprechen, weil da irgendeine Kleinigkeit nicht stimmt.

Also nehme ich sie mit. Genau wie den einen oder anderen Korpus, bei dem die Lackierung nicht so toll ist und den sie deshalb aussortiert haben. Insofern hatte ich irgendwann alles Mögliche – Pickups, Pick-Guards, Hälse und Bodys – und entschied mich, etwas daraus zu bauen. Einfach zum Spaß.

Ich habe mir Parts online bestellt. Wie diesen Korpus aus Aluminium. Und wenn ich die Gitarre auf Bühne verwende und das Spotlight darauf gerichtet ist, glitzert es regelrecht. Ich habe da einen Fender-Hals, ein paar gute Pickups, einen Clapton Mid-Boost und solche Sachen verbaut – und jetzt ist es eine meiner Lieblingsgitarren. Die Leute fragen mich: „Wo hast du die denn her?” Und darauf ich: „Die habe ich selbst gebaut – indem ich alte Teile zusammengesetzt habe. Was nicht schwer ist. Man braucht nur einen Schraubenzieher.”

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

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