Im Interview

Adrian Belew: Schwer beschäftigt

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(Bild: Ernesto Hernandez / Remain In Light)

Gitarrenlegende Adrian Belew ist auch mit 75 geradezu rastlos: Seit den Mittsiebzigern spielt der Mann aus Nashville mit so unterschiedlichen Künstlern wie Zappa, Bowie, Paul Simon oder Nine Inch Nails, war 33 Jahre Co-Frontmann von King Crimson, produziert eigene wie fremde Alben und geht regelmäßig auf Tournee. Seine aktuellen Projekte: Beat − eine Supergroup, die sich dem 80er-Jahre-Material von King Crimson widmet.

Aber auch seine Band mit Ex-Talking-Heads-Keyboarder Jerry Harrison, die das geniale vierte Epos der Talking Heads von 1980 aufleben lässt: ‚Remain In Light’. Grund genug für ein ausführliches Gespräch.

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Adrian, angeblich hast du deine Karriere als Drummer begonnen. Hast du das komplett hinter dir gelassen oder greifst du gelegentlich noch zu den Sticks?

Oh, ich habe 28 Solo-Alben aufgenommen und auf allen Schlagzeug gespielt − mit Ausnahme von vielleicht zweien. Sprich: Ich trommle immer noch gerne. Damit habe ich als Zehnjähriger angefangen, als ich der Marschmusik-Band meiner Junior High School beigetreten bin.

Das habe ich etwa drei Jahre gemacht, ehe ich mit meinen Eltern in einen anderen Teil von Kentucky gezogen und meiner ersten Band beigetreten bin – als Drummer und Sänger. Mit 16 habe ich mir dann selbst beigebracht, Gitarre zu spielen, aber mit dem Schlagzeug habe ich nie aufgehört. Ich liebe es, zu trommeln. Es ist wunderbar.

Was hat dich dann zur Gitarre wechseln lassen?

Ich hatte Songs, die ich in meinem Kopf gehört habe, aber niemandem erklären konnte – was ich als ziemliches Problem empfand. In meinem letzten Jahr an der Junior High School bin ich dann auch noch richtig krank geworden – ich hatte etwas, das sich Pfeiffersches Drüsenfieber nennt. Ich habe mir in der Zeit, in der ich flachlag, eine akustische Gitarre geliehen.

Ich musste schließlich zwei Monate zu Hause im Bett bleiben und konnte nichts Aktives machen – auch kein Schlagzeug spielen. Also habe ich mich intensiv mit der Gitarre beschäftigt und mir alles selbst beigebracht. Nach den zwei Monaten hatte ich dann fünf Stücke, die ich meiner damaligen Band vorgespielt habe. Sie meinten nur: „Was sind denn das für Akkorde?” Denn natürlich hatte ich meine eigenen erfunden – oder das, was ich dafür gehalten habe.

Dein Spiel zeichnet sich durch ungewöhnliche Techniken und die Kombination von zahlreichen Effektgeräten aus. Folgt das demselben Ansatz, den du gerade beschrieben hast: Den Sound in deinem Kopf umzusetzen – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln?

Das spielt da sicherlich mit rein – dass ich versuche, mich so auszudrücken, wie es meine innere Stimme verlangt. Aber es geht auch einfach darum, zu experimentieren – so viel, wie eben möglich. Einfach, um auf diese Weise etwas zu finden, das bislang noch keiner gehört hat. Zum Beispiel eine Technik, die eigenständig und originell anmutet.

Wie ein Delay auf eine völlig andere Art und Weise einzusetzen. Also so, wie es eigentlich unmöglich scheint – oder wie es niemand anderes macht. Es ist meine Liebe für Sounds, die mich antreibt, immer weiter zu experimentieren und Dinge auszuprobieren – selbst, wenn sie noch so verrückt erscheinen.

Also war es kein Mangel an Gear, der dich erfinderisch und innovativ hat werden lassen?

(lacht) Natürlich war das auch ein Grund, warum ich so viel rumprobiert habe. Ganz am Anfang hatte ich nur einen Amp und eine Gitarre – mehr nicht. So etwas wie Pedale gab es ohnehin erst ab der Zeit, als ich zur elektrischen Gitarre gegriffen habe – vorher nicht.

Und wie gesagt: Ursprünglich wollte ich auch eher Sänger und Songwriter sein. Doch als der ganze E-Gitarren-Kram immer interessanter wurde und Leute wie Hendrix, Jeff Beck, Jimmy Page und Eric Clapton auftauchten, dachte ich mir: „Wow, daran würde ich mich gerne mal versuchen.” Und über die Jahre wurde ich tatsächlich ein besserer Gitarrist als Drummer – und bin zu Bands gewechselt, die mich als Gitarristen wollten.

(Bild: Ernesto Hernandez / Remain In Light)

Was Gitarren betrifft: Was spielst du heute, da deine Lieblingsmarke Parker nicht mehr existiert? Und wie viele von den Teilen besitzt du mittlerweile?

Von den Parkers habe ich mehr als genug. Ich schätze, es sind etwa acht. Und ich habe hier zu Hause einen der besten Techniker des ganzen Landes. Er hat alle Ersatzteile von Parker, die es nur gibt. Zum Glück habe ich nie sonderlich viele davon gebraucht – mir ist nur mal ein Vibrato-Hebel abgebrochen. Das war’s. Und meine Modelle sind alle in ziemlich gutem Zustand. Was nicht weiter verwunderlich ist: Es sind unglaublich gute Gitarren.

Aber für die ‚Remain In Light’-Tour greife ich auf Strats zurück, weil das die Gitarren waren, die ich damals benutzt habe. Ich habe mir eigens zu diesem Anlass ein paar neue bauen lassen – mit allen neuen Errungenschaften: Einem besseren Vibrato-Hebel, besseren Pickups und einem Sustainer, der dafür sorgt, dass die Noten länger stehen bleiben. Das sind Sachen, auf die ich mich seit der letzten Dekade verlasse.

Und die Strats sind ja auch keine Midi-Gitarren − ganz im Gegensatz zu den Parkers. Danach richtet sich, was ich benutze: Spiele ich durch Synthesizer oder Keyboards, greife ich zur Parker Fly. Wenn es nur eine Gitarre durch einen Amp mit ein paar Effekten ist, sind es die Strats.

Manchmal auch eine Kombination aus beidem, aber für die Beat-Tour sind es Parkers und eine „Twang Bar King”-Gitarre für ältere Synthesizer. Also, wenn ich durch meinen alten Roland gehe − denselben Amp, den ich schon bei Bowie, den Talking Heads und King Crimson benutzt habe. Überhaupt ist die eine Hälfte meines Gears vintage, die andere Hälfte modern.

Hattest du nicht gleich mehrere Parker-Signature-Modelle?

Richtig – und genau die spiele ich. Es wurden 50 davon produziert; vier habe ich, inklusive des Prototypen. Außerdem habe ich noch zwei Exemplare aus der zweiten Auflage, die einen etwas anderen Korpus hat – eine bisschen andere Form und einen etwas anderen Hals. Außerdem haben sie mir ein Exemplar ohne Bünde gebaut. Ebenfalls eine fantastische Gitarre – und eine, die das Studio nie verlässt. Ich käme gar nicht auf die Idee, sie irgendwohin mitzunehmen und irgendein Risiko einzugehen. Sie ist einmalig.

Wenn die Parker-Gitarren so toll sind, warum existiert die Firma dann nicht mehr?

Weil sie Teil eines Konglomerats war – eine Company hat Saiten hergestellt, eine andere Bass-Verstärker oder akustische Instrumente. Aber alle gehörten zu einer übergeordneten Firma. Die wurde irgendwann an ein kanadisches Unternehmen verkauft.

Keine Ahnung, ob die neuen Besitzer nur ein paar Sparten übernehmen wollten, aber das gesamte Konstrukt übernehmen mussten, jedenfalls haben sie sofort ganz Parker gefeuert: 60 Arbeiter an einem Tag – alles exzellente Techniker und Gitarrenbauer, die diese außergewöhnlichen Instrumente zu verantworten hatten. Sie herzustellen, war alles andere als einfach – eher ein hochwissenschaftlicher Prozess.

Das fing mit dem Holz an – mit Pappel oder auch Linde. Sie haben den Rücken der Instrumente mit Carbon-Epoxid überzogen. Dann haben sie das Ganze sprichwörtlich in einem Ofen gebacken, wodurch das Material ins Holz eingebrannt wird.

Das machte das Instrument zehntausend Mal robuster. Es ist also eine Gitarre, die sozusagen zusammengeschweißt wurde und bei der sich der Hals nie bewegt und die sich deshalb auch kaum verstimmt. Sie wiegen teilweise um die zwei Kilo und alles, was an den Gibsons und Fenders, den führenden Marken, nicht so toll ist, hat Mr. Parker auf einen Schlag behoben.

Mit Stahl-Bünden, einem Vibrato-Hebel, der auf biegsames Metall statt auf eine Feder setzt, und vielen anderen Kleinigkeiten. Außerdem hat er den Korpus geschnitzt – er ist ein echter Gitarrenbauer, also hat er den Body so gestaltet, dass die Gitarre perfekt resoniert. Das sorgt zum Beispiel dafür, dass man eine Parker Fly auch ohne Amp spielen kann – und sie wie eine akustische Gitarre klingt.

Eben weil sie die perfekte Resonanz hat. Das sind alles Gründe, warum ich sie so liebe. Es war ein schwarzer Tag, als man da jeden gefeuert hat. Solche Gitarren konnte kein anderer bauen – und wird es auch nie wieder tun.

Sind das mittlerweile Sammlerstücke? Wie viel sind sie wert und kaufst du alles auf, was du in die Finger bekommst?

Ich glaube nicht, dass ich noch mehr davon brauche. Aber weil es nur 50 gibt und sie schon damals 10.000 Dollar gekostet haben, ist ihr Wert immens gestiegen. Letztens habe ich eine – und wirklich nur eine – auf der Plattform Reverb.com gefunden. Sie lag bei stolzen 27.000 Dollar. Dabei habe ich sie nie angerührt… (lacht) Das ist schon eine Wertsteigerung, oder?

(Bild: Ernesto Hernandez / Remain In Light)

Neben den Parkers – wie umfangreich ist deine Sammlung?

Oh, ich habe jede Menge Gitarren, würde mich aber nie als Sammler bezeichnen. Und ich habe eigentlich auch nie nach einer bestimmten Gitarre gesucht. Ich habe zum Beispiel nur ein einziges Vintage-Modell – während sich viele Sammler ja genau darauf konzentrieren. Also: Ich habe eine Les Paul, ein paar Strats, eine zwölfsaitige Rickenbacker, eine Dobro und noch ein paar andere Werkzeuge. Das ist es, was sie für mich sind. Ich meine, ich liebe sie – jede einzelne von ihnen.

Und das Entscheidende ist, dass jede von ihnen etwas kann und tut, dass die anderen nicht hinbekommen. Wenn ich genau das Charakteristikum brauche, das sie auszeichnet, greife ich zu dem entsprechenden Modell. Wobei mir etwa 95 Prozent meiner Gitarren von Herstellern überreicht wurden, die denken, dass es auch andere Musiker zu ihnen locken könnte, wenn ich sie spiele.

Dass ich da also so wie ein Magnet oder ein Vorbild wäre. Da fühle ich mich durchaus geschmeichelt. Und wenn ich die spezielle Gitarre mag, behalte ich sie. Wenn nicht, gebe ich sie zurück. Ich bin nicht in diesem Geschäft, um einen Haufen Frei-Gitarren abzugreifen, sondern ich habe lieber weniger, die aber richtig gut sind. Deshalb habe ich verschiedene Sachen – keine Vintage-Schätze, sondern nur unterschiedliche Sachen, die meinen Anforderungen entsprechen und mir verschiedene Optionen gegeben. Insgesamt sind es 50 oder 60. Definitiv nicht so viele, wie Steve Vai hat. Er ist bei über 400. (lacht)

Das klingt nach regelrechtem Horten…

Stimmt. Aber ich bin kein Horter. Ich behalte nur Sachen, mit denen ich schon aufgenommen habe und bei denen ich mir sage: „Vielleicht will ich dazu irgendwann zurückkehren und mehr in der Richtung machen.” Ansonsten versuche ich einfach, das um mich zu scharen, was ich brauche − und das ist immer noch eine Menge Kram. Ich habe ein ganzes Studio voll davon. Und noch einen Lagerraum. Das ist mehr als genug.

Spielst du eigentlich noch jeden Tag bzw. hast du eine feste Routine, was Üben betrifft? Oder versuchst du, alles so frisch wie möglich zu halten und probst deshalb wenig bis gar nicht?

Es ist ein bisschen von beidem. Wenn ich zu Hause an Songs arbeite, spiele ich ohnehin den ganzen Tag – und zwar größtenteils akustische Gitarre, denn damit schreibe ich. Ich stehe morgens ganz früh auf, habe direkt zwei von ihnen in verschiedenen Tunings neben meinem Bett stehen, setze mich mit ihnen in einen gemütlichen Stuhl – und lege los.

Fast wie ein Arbeiter oder Handwerker. Meistens bastle ich an fünf Songs gleichzeitig. Ich entwickle unterschiedliche Anfänge und Enden oder ändere immer wieder Passagen – bis ich zufrieden bin. Und wenn ich keine anderen Verpflichtungen habe, kann ich mich wirklich lange und intensiv damit beschäftigen. Zuletzt habe ich nur eine Pause eingelegt, weil ich einen chirurgischen Eingriff an meiner Hand hatte. Aber der ist schnell verheilt, in knapp zwei Wochen. Deshalb will ich gerade umso mehr spielen – als müsste ich etwas nachholen.

Was aber richtig konventionelles Üben betrifft, bin ich kein sonderlich großer Fan davon. Ich spiele einfach – weil ich das liebe. Aber ich habe kein Regime, keinen festen Trainingsplan. Ich kenne viele Leute, die sich täglich eine Stunde hinsetzen und Tonleitern üben. So etwas habe ich nie getan. Und es interessiert mich auch nicht – es wäre mir zu langweilig. Außerdem habe ich nicht vor, wer weiß wie schnell zu spielen. Sich das draufzuschaffen, kostet viel zu viel Zeit. Da bin ich lieber kreativ.

Vielen Dank für das Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2025)

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