(Bild: J.A. Dunbar/Shutterstock)
Es ist ja nun wirklich nicht so, dass Mark Tremonti über Langeweile klagen kann. Mit seiner wiedervereinigten Band Creed eilt der amerikanische Gitarrist, Sänger und Songschreiber derzeit in den USA von einem Bühnenerfolg zum nächsten. Zudem bereitet er gemeinsam mit Myles Kennedy die Aufnahmen des kommenden Alter-Bridge-Albums vor und präsentiert ganz aktuell seine neueste Soloscheibe ‚The End Will Show Us How’. Und als ob auch das noch nicht genug wäre, versucht er so oft wie möglich mit seinem Charity-Projekt Mark Tremonti sings Frank Sinatra unterwegs zu sein.
Gar nicht so einfach also, einen Termin für eine kurze Unterredung mit dem umtriebigen Musiker zu finden. Doch hat man den 50-Jährigen erst einmal zu fassen bekommen, hagelt es spannende Informationen, auch über Creed.
Mark, ist ‚The End Will Show Us How’ einfach nur ein weiteres Tremonti-Werk oder hattest du für die neuen Stücke eine besondere künstlerische Vision?
Ich wollte Songs veröffentlichen, die wirklich neu und aufregend sind und nicht einfach nur Kopien früherer Stücke, um gleichzeitig ein paar andere Facetten meines Songwritings aufzuzeigen.
Von wessen Ende sprichst du eigentlich im Titelsong?
Gemeint ist das Jüngste Gericht, vor dem wir uns irgendwann alle für das verantworten müssen, was wir im Leben getan haben. Am Ende unseres irdischen Daseins muss sich jeder Mensch den Konsequenzen seines Handelns stellen.
Existiert in deinen Texten ein roter Faden, eine Art Oberbegriff? Und fällt dieser optimistisch oder eher pessimistisch aus?
In meinen Texten herrscht tatsächlich sehr viel Pessimismus, allerdings auch einige hoffnungsvolle Momente, in denen man die Schönheit der Erde erkennen und zu einem glücklichen Leben finden kann. Ich finde, diesen Spagat sollte jedes Album haben, denn das Leben besteht nicht nur aus Sonnentagen, sondern aus einem ständigen Auf und Ab, so wie man es auch bei einer wirklich guten Scheibe erwartet. Musik sollte – wie das Leben – eine Art Achterbahn der Gefühle sein.
Ist Songwriting mit klaren Botschaften einfacher für dich, auch aufgrund deiner langjährigen Erfahrungen?
Auf der einen Seite ist es wirklich leichter geworden, weil ich bereits viele Songs geschrieben habe und genau weiß, was zu tun ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch schwieriger, weil es schon so viel Musik von mir gibt und ich natürlich aufpassen muss, mich nicht zu wiederholen. Als Künstler möchte man immer besser werden und von seinen Erfahrungen profitieren, ohne jedoch seine Kreativität und den Blick nach vorne zu verlieren. Ich möchte mit meiner Musik neue Atmosphären und Stimmungen schaffen, ohne einfach nur frühere Sounds oder Tonfolgen zu wiederholen.
Gibt es dennoch eine typische Tremonti-DNA in allen Songs, die du bislang geschrieben hast? Und was sind die offenkundigsten Unterschiede?
Die Gemeinsamkeiten sind mein klarer Fokus auf starke Melodien, sowohl beim Gesang als auch hinsichtlich der Gitarre. Gitarren- und Gesangsmelodien sind für mich die wesentlichsten Elemente von Musik. An Melodien erinnern sich die Menschen am längsten, durch sie fühlen sie sich am nachhaltigsten berührt. Hinzu kommen bei mir zunehmend mehr progressive Anteile und Ideen für ungewöhnliche Arrangements, ohne dabei der grundsätzlichen Idee des Songs zu schaden oder immer nur die gleiche Strophe-Brücke-Refrain-Formel nachzubeten.
(Bild: Chuck Brueckmann)
Ist dieser Versuch auch der Tatsache geschuldet, dass sich die Hörgewohnheiten der Menschen in den zurückliegenden 20 Jahren drastisch verändert haben?
Ja natürlich, die Technologie schreitet unaufhaltsam fort, dadurch ändern sich die Gegebenheiten und somit auch die Möglichkeiten für Künstler. Und natürlich hat so etwas immer auch Einfluss aufs Songwriting. Wir als Musiker sind generell angehalten, uns permanent weiterzuentwickeln und immer wieder neue Ausdrucksformen zu finden.
Die digitale Revolution frisst also nicht ihre Kinder?
Natürlich gibt es dramatische Veränderungen, aber dadurch entstehen auch neue Chancen. Heutzutage kann jeder seine Musik mit dem eigenen Laptop aufnehmen. Früher gab es nur wenige, die sich das teure Equipment leisten konnten, während jetzt jedes Kind sein eigener Musikproduzent sein kann. Die Folgen sind Unmengen an neuer Musik, so dass man als Konsument schnell den Überblick verlieren kann beziehungsweise ihn kaum noch hat. Ich finde, dass es viel zu viele Songs auf dieser Welt gibt und Musik dadurch generell an Wert verliert. Das ist auch der Grund, weshalb wir in diesem Jahr mit Creed so viel Erfolge feiern konnten, da unsere Fans die Songs noch kennen.
Jüngere Musikerkollegen haben es da deutlich schwerer, weil die Masse an Musik die Konsumenten hoffnungslos überfordert. Du kannst dir ja selbst mal die Frage stellen, welche Songs, die du in den zurückliegenden zehn Jahren gehört hast, für dich auch noch in 30 Jahren relevant sein werden. Diese Entscheidung fiel einem in den Achtzigern und Neunzigern deutlich leichter, da es nicht so viel Musik wie heute gab.
Apropos Creed: Erlebst du das Comeback der Band eher als Belohnung für eure frühere Arbeit oder aufgrund der langen Pause als mühevolle Herausforderung?
In erster Linie als Belohnung, denn es gibt für einen Musiker nichts Schöneres, als vor Menschen zu spielen, für die seine Songs eine so große Bedeutung haben. Man sieht Menschen tanzen, man sieht Fans vor Rührung weinen, es ist einfach unfassbar. Für mich ist Musik die magischste Sache der Welt, da sie wie keine andere Sache Menschen miteinander verbindet. Du siehst 10.000 Fans deine Songs singen, etwas, das man niemals als Selbstverständlichkeit voraussetzen darf.
Gleichzeitig ist die Creed-Reunion für mich natürlich auch eine riesige Herausforderung, weil es meinen sowieso bereits vollen Kalender mit weiteren Terminen füllt. (lacht) Mit einem solch überbordenden Erfolg hatten wir nicht gerechnet, und jetzt, da er sich eingestellt hat, muss ich gleich vier Bands auf einmal im Auge behalten, neben Creed und Tremonti auch noch Alter Bridge und mein Projekt Mark Tremonti sings Frank Sinatra. Derzeit durchlebe ich die arbeitsreichste Zeit meines Lebens, aber da ich jedes einzelne Projekt so sehr liebe ist es keine Last, sondern pure Freude.
War der riesige Erfolg des Creed-Comebacks nicht doch vorhersehbar?
Mag sein, aber dass es dermaßen durch die Decke gehen würde, haben wir nicht erwartet. Man muss sich das mal vorstellen: Wir haben auf der aktuellen Amerikatour mehr Zuschauer als jemals zuvor in unserer Karriere, und das 30 Jahre nach unseren größten Hits.
In diesem Zusammenhang könnte mich interessieren, was aus den Songs geworden ist, an denen ihr bei eurer ersten Reunion 2013 gearbeitet habt und die eigentlich zur Veröffentlichung angekündigt waren.
Ich habe sie immer noch auf meinem Computer, aber wenn ich sie mir anhöre, denke ich, dass man sie noch besser machen müsste. Wenn Creed eine neue Scheibe auf den Markt bringen, muss sie perfekt sein, da die Erwartungshaltung riesengroß ist. Einige der Songs von 2013 sind nicht auf dem geforderten Level, deshalb haben wir sie damals ja auch bewusst zurückgehalten.

Zurück zum neuen Tremonti-Album: Gab es im Vorfeld der Produktion zu allen Songs konkrete Demos, mit Computer-Drums, Pilotbass, etc.?
Ich arbeite an neuen Songs immer in meinem eigenen Studio. Mein Toningenieur Joshua Prieb kam täglich vorbei, ich spielte meine Demo-Gitarren zu einem Clicktrack ein, dann stieß unser Schlagzeuger Ryan Bennett dazu und trommelte seine Parts, auch unser Gitarrist Eric Freidman lebt hier in der Stadt. Anschließend arbeitete ich die Gesangsideen aus und organisierte alles Wichtige für die finale Studioproduktion.
Ich bin immer sehr gut vorbereitet, bevor die endgültigen Aufnahmen beginnen. Ich gehöre nicht zu den Musikern, die mit halbgaren Ideen in ein Studio schlurfen und sagen: „Mal schauen, was am Ende dabei herauskommt.” Die Songs waren im Grunde genommen bereits genauso, wie du sie jetzt auf dem Album hören kannst. In gleicher Weise arbeite ich derzeit auch am kommenden Alter-Bridge-Album. Ich bereite meine Parts zuhause vor und schicke sie dann nach Europa zu Myles. Bislang ist er mit den Ideen sehr zufrieden, ich bin gespannt, was er mir schickt.
Mit welchen Gitarren und welchen Amps hast du ‚The End Will Show Us How’ eingespielt? Ist auch digitales Gear zum Einsatz gekommen?
Für die Demos ja, da haben wir einen Kemper verwendet, den Joshua mitgebracht hat. Für Demos eignen sich Kemper großartig, sie sind einfach zu bedienen und schnell zu justieren. Auf der Bühne liebe ich die Mischung aus Röhren- und digitalen Amps. Ich finde, dass diese Kombination noch besser klingt als ausschließlich Tube-Amps.
Hast du für den Kemper eigene Profiles erstellt?
Nein, dafür bin ich technisch zu wenig versiert. Ich weiß nur, wie man das Kabel einstöpselt und ein paar Effekte davor schaltet.
Bei der finalen Produktion waren es also ausschließlich richtige Röhrenamps? Mit welchen Mikrofonen und welcher Box?
Wir hatten ein Shure SM57 und ein Royer R-121, meine Lieblingsbox war ein Mojotone-Gehäuse, das ich selbst mit zwei Celestion Vintage 30 und zwei Eminence CV-75 bestückt habe, und die in Verbindung mit meinem PRS-MT-100-Signature-Top großartig klingt. Hinzu kam ein Cornford RK100, mein PRS-MT-15-Signature und ein Dumble für die extremen Overdrive-Sounds.
Mit welchen Gitarren hast du diesmal gespielt?
Mit mehreren unterschiedlichen Modellen, da ich bei Tremonti ja auch singe und daher einige Tunings in B oder B-Flat gewählt habe, damit sie zu meiner Stimme passen. Natürlich waren es vor allem meine eigenen PRS-Signature-Modelle, speziell die mit einer festen Brücke, so wie ich es im Studio bevorzuge. Zudem habe ich die gleiche PRS-Baritone-Gitarre mit dem Korpus im McCarty-Stil gespielt, die schon auf vielen meiner früheren Scheiben zu hören ist.
Hast du deine Gitarren mit Effektpedalen aufgenommen?
Ich hatte im Studio zwar eine Handvoll Pedale dabei, aber nur wenige davon sind tatsächlich zum Einsatz gekommen. Eine meiner Geheimwaffen ist das Microsynth-Pedal von Electro Harmonix, es ist perfekt für ultraharte Riffs und klingt fast wie ein Octave-Fuzz-Effekt auf Testosteron. Wenn man einen super abgefahrenen Sound möchte, ist das Microsynth die perfekte Wahl.
Gibt es Pläne für neue Instrumente deines PRS-Signature-Sortiments?
Ja, die hat PRS tatsächlich. Ich habe vor kurzem dabei geholfen, den MT-15 rundzuerneuern. Es gibt jetzt eine Push/Pull-Option für den Clean-Kanal, sprich: Einen richtigen „clean-clean”- und einen ein wenig „overdriven-clean”-Sound, die gleiche Push/Pull-Option gibt es auch für den verzerrten Kanal. Ich bin ziemlich begeistert, dass man nun vier verschiedene Grundsounds abrufen kann. Außerdem wurde die Optik des MT-15 an die des MT-100 angepasst.
Wann wird der neue MT-15 auf den Markt kommen?
Das steht noch nicht fest, aber ich denke, dass die PRS-Techniker alles daransetzen, um ihn möglichst schnell in die Shops stellen zu können. Derzeit ist er in Produktion, es wird also nicht mehr allzu lange dauern!
(erschienen in Gitarre & Bass 04/2025)