Ein Mann für alle Fälle

Mike Hickey: The Bonamassa Guitar-Tech im Interview

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Für Insider und Fans von Joe Bonamassa ist der Name Mike Hickey mittlerweile eine bekannte feste Größe. Seit mehreren Jahren bereits arbeitet der Amerikaner als Gitarrentechniker für den Bluesrock-Superstar und ist mittlerweile aufgrund diverser eigener Videos auf YouTube zu erstaunlicher Bekanntheit gekommen. Wir trafen uns mit dem erfahrenen Bühnen-Tech und ehemaligen Begleitmusiker von Hall & Oates bei einem Bonamassa-Gig in Lingen und erfuhren viel Wissenswertes über seinen Arbeitsalltag, über den mitunter schwierigen Ankauf seltener Gibson Les Paul Bursts und Probleme mit der deutschen Gesetzgebung.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Mike, man sieht dich häufig auf YouTube und in Foren im Internet. Demnach scheinst du nicht viel weniger berühmt zu sein als dein aktueller Arbeitgeber Joe Bonamassa.

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Könnte was dran sein … (grinst)

Kannst du bitte kurz erzählen, wie du ins Bonamassa-Team gekommen bist.

Gerne. Unmittelbar vor dem Beginn meines Engagements bei Joe war ich arbeitslos und konnte lange Zeit auch nichts Passendes finden. Ich bekam zwar einige Angebote, bin aber nicht mehr der Jüngste und wollte mich deshalb nicht unterhalb eines bestimmten Niveaus drücken lassen. Ich bin zu alt, um mit Bands zu touren, deren Musiker nicht richtig spielen können. Also wartete ich, bis sich jemand meldet, der es wirklich draufhat. Eines Tages bekam ich einen Anruf von Derek Sherinian, nach eigener Aussage der „weltbeste Keyboarder“. Derek sagte: „Ich hätte einen Job für dich, hast du Interesse?“ Als ich hörte, dass es sich um Joe Bonamassa handelt, habe ich ohne Zögern zugesagt.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Kanntest du ihn bereits?

Ich hatte Joe vorher einmal kurz auf einer Party getroffen und sofort gemerkt, dass er ein total umgänglicher Typ ist. Bei meinem ersten Job für ihn handelte es sich um eine Jam-Session mit John Oates und Billy Gibbons. Billy wollte ihn unbedingt dabeihaben. Er war es auch, der mich dann Joe persönlich vorstellte. Wir beide haben sehr gute Freunde in der Welt der Vintage-Gitarren, also rief ich einige von ihnen an und fragte: „Hey Jungs, könnt ihr mir ein paar Dinge über Joe verraten?“ So fing alles an.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Davor gab es bei dir auch eine Laufbahn als Gitarrist. Wer dich spielen hört, ist hellauf begeistert.

Ich habe am Berklee College in Boston studiert, traf dort unter anderem Derek Sherinian. Wir hatten zusammen eine Band und sind in all den Jahren in engem Kontakt geblieben. Ich spielte in unterschiedlichen Formationen, war häufig auf Tournee. Wenn gerade mal keine Tour anstand, heuerte ich bei anderen Bands als Gitarrentechniker an. Mir ist es egal, was ich mache, Hauptsache es hat mit Musik zu tun. Jahrelang habe ich auch in einem Gitarrenladen gearbeitet und Unterricht gegeben. Irgendwann bekam ich einen länger befristeten Job bei Hall & Oates, spielte anschließend wieder in eigenen Bands, machte eine Menge Studio-Sessions, nahm Film-Soundtracks auf und stellte mein Equipment Tonstudios zur Verfügung. In meiner Zeit bei Hall & Oates gab es eine Fernseh-Show, live aus Daryls Haus. Es wurden etwa 30 Folgen gedreht, an denen ich beteiligt war, übrigens nicht nur als Techniker sondern auch als Musiker. Immer wenn man einen Rock-Gitarristen brauchte, hieß es: „Mike, mach du es!“ Sie wussten, dass ich dazu in der Lage bin. Allerdings gibt es auch eine Menge Gitarrentechniker, die selbst nicht spielen können, sondern nur wissen, wie man eine Gitarre pflegt, sie stimmt, neue Saiten aufzieht usw. Ich spiele bereits seit 1976 , insofern ist die Bonamassa-Band die für mich perfekte Umgebung.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Ist es in diesem Umfeld zwingend notwendig, selbst Gitarre zu spielen?

Natürlich, denn so kann man mit den Band-Mitgliedern meckern, wenn sie sich verspielen, oder ihnen alternative Akkorde empfehlen. (lacht) „Hey Mann, diesen Akkord würde ich an deiner Stelle besser ganz schnell wieder vergessen!“ Jetzt im Ernst: Ich kenne fast alle Riffs, die Joe spielt, und ich weiß genau, in welcher Lage des Griffbretts er sie greift. Deshalb kann ich ihm eine Gitarre in die Hand geben, die mit dem Wissen um diese konkrete Griffposition gestimmt wurde. Ich dehne die Saiten an der Stelle, an der Joe sie in diesem Song dehnt, schlage sie ähnlich hart an wie er, und so weiter. Es hat immer Vorteile, wenn man so eng mit dem Künstler verbandelt ist. Ich kenne beinahe jeden Ton, den Joe spielt, und deswegen höre ich auch, wenn mal einer fehlt. Dann weiß ich, dass er entweder einen Fehler gemacht hat oder aber – was eher der Fall ist – auf der Bühne irgendetwas nicht in Ordnung ist. Manchmal kann ich Joe von meinem Arbeitsplatz aus nicht sehen, sondern ihn nur hören, dann ist es natürlich hilfreich, dass ich sein Spiel in- und auswendig kenne.

Nimmst du am Equipment auch technische Änderungen vor?

Nein, ich bundiere die Gitarren nicht neu, ich tune ja auch keine Amps, tausche auch keine Trafos aus. Dafür gibt es Spezialisten, die das für uns übernehmen. An solch diffizile Aufgaben lässt man ja nicht irgendwelche windigen Typen.

1955 Fender Strat Hardtail, Joe Bonamassas Gibson Skinnerburst Les Paul Prototyp, 1965 Fender Strat Lake Placid Blue, 1981 Gibson Flying V Korina, 2014 Gibson Les Paul 59 Joe Bonamassa (v. l. n. r.) (Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Was ist deine wichtige Aufgabe: die Vorbereitung einer Show oder die Betreuung des laufenden Konzerts?

Das ist abhängig vom jeweiligen Tag. Heute zum Beispiel müssen keine Saiten gewechselt werden, deswegen ist der Nachmittag vergleichsweise langweilig. Manche Gitarren kommen bei nur einem Song zum Einsatz, andere dagegen sind in Dauerbetrieb. Bei Modellen, die in drei, vier Songs gespielt werden, wechsle ich die Saiten alle zwei Tage. Bei den anderen halte ich es flexibel, abhängig von Temperatur und so weiter. War die Show besonders heiß, wechsle ich Saiten eher, als wenn die Temperatur normal war. Außerdem kann ich fühlen, ob eine Saite abgespielt ist. Joe wird niemals erleben, dass eine Saite deshalb reißt, weil ich vergessen habe sie zu wechseln. An manchen Tagen wechsle ich überhaupt keine Saiten, weil wir einkaufen gehen und mit neuen Gitarren zurückkommen.

Man kann immer wieder beobachten, dass ihr in den USA andere Modelle dabeihabt als in Europa. Die gesetzlichen Verbote von brasilianischem Palisander machen euch das Leben hier nicht eben einfacher, oder?

Für uns ist das ein Riesenproblem. Wir sprechen hier ja nicht von einem Elfenbein-Stoßzahn eines ausgestorbenen Mammuts. Die Regelung führt dazu, dass wir die wirklich coolen Instrumente leider zu Hause lassen müssen. Welch ein Blödsinn! Theoretisch könnten wir ja versehentlich auch Diebesgut mitführen, Hölzer, die eingesetzt wurden, ohne dass wir etwas davon wussten. Natürlich sind die Gitarren, die wir hier in Europa dabeihaben, hochwertige Instrumente, an denen sich jeder Gitarrist erfreuen würde. Aber in Amerika haben wir halt mehrere echte 59er Les Pauls dabei, richtige Flying Vs, alte ES-335, alte Strats … Gerade die alten Strats sind unheimlich robust und deutlich weniger empfindlich als Les Pauls. Leider dürfen wir das alles nicht mit nach Deutschland bringen, sondern lediglich ein paar wenige Modelle mit ausgestellten Papieren.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Wird so etwas geprüft?

Ich würde es nicht ausschließen. Alles was ich sagen kann: Sie müssten theoretisch sehr viel mehr Fachwissen als ich haben, denn ich könnte bestimmte Sachverhalte nicht erkennen. Aber vielleicht können sie es ja tatsächlich, wer weiß? Sie sind vom Zoll, also dürfen sie alles. Aber es ist einfach eine Schande, denn es gibt auch in Deutschland Musiker, die seit vielen Jahren Gitarren mit diesen Hölzern besitzen, und nun auf einmal soll es illegal sein. Und die Behörden wollen darüber noch nicht einmal diskutieren. Manchmal denke ich, dass der Zoll eigentlich andere Sorgen haben müsste, wie zum Beispiel Grenzkontrollen, anstatt uns als Band, die einen schlichten Drei-Akkorde-Rock spielt, zu regulieren. Für mich ist das ein seltsames Vorgehen. Aber OK, sie wollen es so, und wir müssen uns danach richten.

Du hältst von dieser Regelung offenbar überhaupt nichts.

Ich verstehe gar nicht, was das Ergebnis sein soll, außer damit Geld zu verdienen. Diese Gitarren wurden bereits vor meiner Geburt oder in den Jahren meiner Kindheit hergestellt. Ich habe diese Bäume nicht gefällt. Bei Gitarren, die in den Fünfzigern gebaut wurden, hat man die Bäume bereits in den Vierzigern gefällt, um das Holz dann viele Jahre trocknen zu lassen. Natürlich hat das der Natur geschadet … Aber vielleicht ändert sich ja irgendwann die Gesetzeslage und wir können unsere wahren Schätze mitbringen.

2014 Gibson Bonabyrd Prototyp, 2015 Gibson ES-355 Joe Bonamassa, Gibson ES-335 Bonamassa (v. l. n. r.) (Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Auf die ihr dann allerdings auch besonders penibel aufpassen müsstet.

Ja, natürlich. Die Sachen werden in Containern verschifft, also kann immer etwas passieren. In Amerika sind sämtliche Gitarren in unserem eigenen Truck, sodass wir immer ein Auge darauf haben können.

Sind euch schon mal Gitarren gestohlen worden?

Nein, zum Glück bislang noch nicht. Aber ich kenne eine Menge Musiker, die bestohlen wurden. Allerdings fragt man sich dann immer: Was wollen die Diebe mit den Instrumenten machen? Sie verkaufen? An wen? Die Instrumente sind dokumentiert, fotografiert, man kann sie nicht verkaufen. Und falls doch, was soll der neue Besitzer mit den Gitarren machen? Er kann sie doch nur verstecken. Außerdem: Wer möchte eine gestohlene Gitarre besitzen? Ich würde sie nicht haben wollen.

Bist du eigentlich involviert, wenn Joe wertvolle Gitarren kauft?

Nicht immer, aber häufig. Er weiß selbst genauso viel über Gitarren wie ich. Meine Spezialität sind alte Les Paul Sunburst, darüber weiß ich wirklich sehr viel. Fender? Okay, man kann sie auseinanderschrauben und dann erkennen, ob der Hals mal ausgetauscht wurde. Uns geht es immer um Originalität. Von den originalen Les Paul Sunburst gibt es nur sehr wenige, dagegen aber eine Menge sehr guter Fälschungen. Joe und ich haben in den vergangenen vier Jahren etwa 160 Les Paul Sunburst gespielt. Manchmal leihen die Besitzer sie uns, sodass wir sie mit auf Tournee nehmen und testen können. Wenn dann jemand versucht, uns eine Mogelpackung anzudrehen, dann merken wir es. Nicht weil wir schon von vornherein skeptisch hinsichtlich der Herkunft waren, sondern weil sich die Sache irgendwie falsch anfühlt. Etwas Ähnliches passiert auch immer mit Flying Vs. Oft bekommt man sehr interessante Exemplare in die Hand, bei denen man sich trotzdem sofort fragt: Was soll das sein? Es gibt hervorragend gemachte Replikate, die man künstlich geaged hat. In diesem Metier wird viel Geld verdient, aber ich frage mich immer: Wie oft kann man einen solchen Schwindel durchziehen? Es mag ein, zwei Mal funktionieren, aber dann ist man doch entlarvt.

Hat man euch schon mal betrogen?

Nein, jedenfalls nicht so, dass wir es später gemerkt haben. Als ich jünger war, wäre ich vermutlich auf den einen oder anderen Schwindel reingefallen. Diejenigen Burst-Modelle, die mich misstrauisch machen, sind die vollkommen unbespielten. Wenn ein Instrument abgewetzt und neu bundiert ist, der Pickup-Rahmen abgesprungen ist, weiß ich, dass diese Gitarre ehrlich ist. Viele Leute mögen gut gemachte Replikate herstellen können, aber sie sind nicht so gut, dass wir es nicht bemerken würden. Dafür bin ich zu lange im Geschäft. Ich weiß, wie eine Gitarre aussieht, die über viele Jahre gespielt wurde, nämlich eben nicht so wie eine Relic-Strat. Bei Joe sieht man ja auch, wenn er eine Gitarre gespielt hat. Sie hat Plektrum-Spuren, dort wo er anschlägt. Oder nimm Gary Moore: Als er die Les Paul von Peter Green bekam, hatte sie noch fast überhaupt keine Gebrauchsspuren. Alle Spuren, die diese Gitarre heute hat, stammen von Gary. Wir hatten das Glück, diese Gitarre ein paar Mal spielen zu dürfen. Alle nennen sie die Peter-Green-Les-Paul, für mich ist sie die Gary-Moore-Les-Paul. Er hat sie länger als Green besessen und er ist als Gitarrist natürlich um Längen besser.

(Bild: Frank Witzelmaier, Matthias Mineur, Provogue/Christie Goodwin)

Joe und du mögt Gary Moore ganz besonders, nicht wahr?

Oh ja, absolut, ich meine: Wir sprechen hier von Gary Moore! Er war der abgefahrenste von allen. Gary hatte eine unglaubliche Technik. Ich weiß noch, wie ich mal versucht habe, diese super schnellen Hammer-Ons zu spielen. Unmöglich! Ich saß da und dachte: Wie zum Teufel kommt er auf ein solch irrwitziges Tempo?

Noch einmal zurück zu deinem Job in Joes Team: Was wäre für dich der größte anzunehmende Unfall während eines Konzertes?

Wenn alle vier Amps zur gleichen Zeit abrauchen. Aber ich hoffe, dass uns das niemals passieren wird. Ein abgebrochener Headstock wäre sicherlich auch sehr dramatisch … Weißt du übrigens was das Schlimmste ist, was einem Gitarrentechniker passieren kann?

Wahrscheinlich eine falsch gestimmte Gitarre …

Nein, ein lausiger Gitarrist, für den man arbeiten muss und der einen mies behandelt. Einer der denkt, dass der Techniker die Schuld hat, wenn eine Saite reißt. Der denkt, dass der defekte Amp auf einen Fehler des Technikers zurückzuführen ist. Also ein Typ wie Dave Mustaine, der sich in Videos über seine Techniker lustig macht. Ich meine: Mustaine schreibt ja nun nicht gerade Concertos. Was bildet der sich ein? Mustaine ist ja kein zweiter Yngwie.

Letzte Frage: Spürst du, wenn Joe auf der Bühne unzufrieden ist?

Klar, dann versuche ich ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. (lacht) Im Ernst: Er erzählt es mir sowieso. Er kommt zum Bühnenrand und macht Späße: „Heute spiele ich fürchterlich.“ Oder er sagt, dass es auf der Bühne brutal schlecht klingt, weil der Sound total trocken ist. Wir verwenden weder Reverb noch Delay, sondern gehen direkt in die Tweed-Amps, und dafür muss man verdammt gut spielen können. Ansonsten reden wir während der Show nicht allzu viel miteinander, außer es gibt etwas zu lachen oder eine Tragödie ist passiert. Insgesamt ist Joe unglaublich konstant, er spielt jeden Abend wundervoll. Selbst seine durchschnittlichen Abende wären für jeden anderen Gitarristen ein Traum. Und er kennt sich mit allem bestens aus. Wenn ihm der Ton der Gitarre nicht gefällt, kann er dir genau den Frequenzbereich benennen, der verändert werden soll. Er sagt dann nicht nur: „Zu viele Mitten!“ Er erklärt dir gleich, um welche Frequenzen es sich handelt. Joe ist einzigartig und darüber hinaus ein toller Typ, der alle im Team gut behandelt, der keinerlei Unterschiede macht und niemanden bevorzugt. Es macht einfach Spaß, für ihn zu arbeiten.

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