Gitarren für Zeitreisende

Zu Besuch bei Nick Page Guitars: Back to the Future

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Wer seinen Kreationen Namen wie Baron oder gar Gott gibt, der lutscht wohl kaum am unteren Ende der Fahnenstange – der will vermutlich eher hoch hinaus. Gitarrenbauer Nick Page genießt mit seinen aufsehenerregenden Retro Chic-Designs mittlerweile internationale Aufmerksamkeit. In diesem Artikel von 2013 erinnern wir uns an die Anfänge von Nick Page Guitars.

Nick Page

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Die Karriere

Nick Claus Putulski (der sich später Nick Page nennen wird) wollte sich schon als Jugendlicher einfach nicht anpassen. Bürgerliche Konventionen waren ihm ein Graus. Der Lümmel schwänzte die Schule und ging lieber in die Werkstatt von Eduard „Ede“ Tüske (Phantom Guitars) in Köln Ehrenfeld, wo er es warm hatte und immer was zu Werkeln in die Hand bekam. Mit etwa 15 Jahren kloppte er aus einem Stück Pappel und ein paar Resten seine erste E-Gitarre zusammen.

Da aber doch so einiges daran nicht funktionierte, ging er in jenen Gitarrenladen in Köln und bat um Hilfe. „Der Ede war so begeistert davon, dass er gesagt hat: Pass mal auf, wir können das ganze Ding in einem feierlichen Akt verbrennen und dir mal eine anständige Gitarre bauen (lacht).“ Ede witterte Talent und nahm den wissbegierigen Burschen unter seine Fittiche: „Ja, der Nick ist mein Schüler. Er ist mal ca. 1996 mit einem unglaublich beschissen gemachten Tele-Body bei mir aufgeschlagen, da war er ca. 16.

Aber ich dachte, wer soviel Mühe in so ein Scheißteil investiert, kann mit Background-Wissen ziemlich gute Arbeit leisten. Klar, ohne seinen Zufallsbesuch in meiner damaligen Werkstatt hätte sein Leben einen völlig anderen Verlauf genommen, ganz sicher.“ Nick hatte Glück mit seinem Mentor, der wohl den genau richtigen Ton von Herausforderung und Ermutigung traf, es aber auch an Provokation nicht mangeln ließ: „Der Eduard ist ja ein cooler Typ. Der hat mich unglaublich viel machen lassen und unheimlich viel kaputt machen lassen. Die Ausbildung bei ihm war Zuckerbrot und Peitsche.

Das Team

Da hast du da gesessen, zwei Stunden lang irgendwas gemacht, und dann kam er vorbei und sagte nur: hab ich schon vor zwei Stunden gesehen, dass das Scheiße wird (lacht). Aber er war es, der mir beibrachte, was Eigenes zu machen. Der sagte, hör auf Sachen zu kopieren, du musst selber was designen, und du musst stolz auf deine Designs sein. Dass ich so eigenständiges Zeugs mache, hängt mit ihm zusammen.“

Nach seiner inoffiziellen Lehrzeit bei Ede Tüske – „Ich sehe meinen Instrumenten die Phantomale Herkunft an“ – verbringt Nick lange Jahre im Servicebereich. Er baut zwar weiterhin noch Gitarren in der Phantom-Werkstatt, arbeitet jedoch Vollzeit bei Art of Sound in Kölns Altstadt und später dann noch etwa sechs Jahre lang bei Ulis Musik in der Heliosstraße in Ehrenfeld. „Bei Uli Kurtinat hab ich noch unglaublich viel gelernt, dort zwar relativ wenig Gitarren gebaut, dafür aber wiederum viel entworfen. Das Grund-Design des Baron zum Beispiel ist beim Kurtinat im Keller entstanden.“

Danach macht Nick seinen eigenen kleinen Laden in Köln auf. Kaum fasst er Fuß, wird dort auch schon eingebrochen. Nichts ist versichert und nach Tilgung der Schulden ist Nick pleite. Ein kurzes Intermezzo bringt ihn nach London, wo er bald schon wieder mit dem Rücken an der Wand steht. „Das machst du ungefähr drei Monate und wenn du dann 65 Kilo wiegst, fährst du wieder nach Hause. Nachdem ich in London auf 8 qm gewohnt habe, mit jemand zusammen wohlgemerkt, und mir den Arsch wundgearbeitet hatte für dieses Zimmer und was zu essen, da hab ich gedacht: So, jetzt such ich mir einen Ort, wo ich eine riesige Altbauwohnung für ganz wenig Geld kriege − und das war Berlin.“

Werkstatt

Nick residiert heute in der Nansenstraße 32 in Berlin Neukölln. „Das Team rekrutiert sich aus dem Freundeskreis nach dem Motto: Ich hab eine Idee, wer macht mit.“ Tony Heimeier – gestaltet die Metalloberflächen, macht auch das Web-Design u. v. m – ist von Anfang an dabei. Christian Korth arbeitet hauptsächlich im Service-Bereich. Nicks Job-Philosophie: „Ich bin zu faul zum Arbeiten, deshalb bin ich Gitarrenbauer geworden. Wenn das Arbeit für uns wäre, würden wir das für so wenig Geld nicht machen. Wir arbeiten sechs Tage die Woche, 10 Stunden am Tag. Gemessen daran, was du in anderen Jobs verdienst, ist das ein Witz. Ich empfinde das aber auch nach wie vor nicht als Arbeit. Ich steh morgens auf, geh hier runter, die Katze freut sich, ich freu mich, wir hängen hier im Gitarrenladen rum, schnitzen, sägen, hobeln – mein Leben ist ein Ponyhof.“

Das ehemalige Geschäftslokal mit großem Schaufenster und bunt bemalter Front ist ein unkonventioneller Mix aus Büro, Showroom, Werkstatt und Lager. Im Eingangsbereich befinden sich Arbeitsplätze für die Kommunikation und Kundenbetreuung, die Umsetzung des Designs, den allgemeinen Service und eine Testecke mit repräsentativen Fender- und Marshall-Amps. Gut in Szene gesetzte Exponate aus der aktuellen Fertigung zieren die Wände. In den hinteren Räumen sind Werkbänke und die gängigen Maschinen für die Holz- und Metallbearbeitung aufgestellt, in allen Gängen lagert Tonholz, Parts, Halbfertiges und in Schubladen eine Kollektion von eventuell einmal funktional umzuarbeitenden Flohmarktfunden.

Aus einem schönen alten Scharnier könnte z. B. einmal ein abgefahrener Saitenhalter werden. Aber auch der allgemeine Service wird groß geschrieben. Nick: „Ich stehe ja total auf Reparaturen. All meine Gitarren haben einen Charme von Vintage, und alles was ich über Vintage-Gitarren weiß, das weiß ich, weil ich mein Leben lang Reparaturen mache und die gern mache. Ich kann mich rühmen, fast alles auf dem Tisch gehabt zu haben, und ich hab mir immer alles ganz genau angesehen: Wie haben die was gemacht, wie ist die Konsistenz von dem Holz wirklich etc. und dem entsprechend weiß ich wovon ich rede.“

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Rochen-Tailpiece (Modell Interceptor Stingray)

Design

Die Modellkreationen des Nick Page greifen auf verschiedene Stilelemente zurück, die ein Gefühl von Déja-vu beim Betrachter hervorrufen. Man hat das im Prinzip alles schon einmal irgendwo gesehen, erkennt unter anderem Tendenzen zum Art Déco oder auch Aspekte des Rickenbacker-Designs in den Arbeiten, und doch sind die auch irgendwie zeitgerecht auf den Punkt gebracht und in der Moderne zu Hause. Inspirationsquellen dafür sind aber nicht nur die 30er/40er Jahre mit diesem speziellen Gothic Chic der Superhelden-Comics und dem optisch so präsenten Art Déco, es finden sich durchaus auch ikonische Elemente späterer Zeiten.

Als Beispiel mag das „Rochen“-Emblem vom Kotflügel eines Opel Manta der 70er Jahre dienen, welches bei Nick Karriere als Saitenhalterverzierung machte. Nick streift mit dem Blick für das Spezielle, das für seine Zwecke funktional oder ornamental Wandelbare über Flohmärkte, oder sucht im Internet danach. Im besten Sinne ist er also auch ein Recycler. Nicht von ungefähr korrespondiert das auch mit seiner alten Liebe zur Telecaster: „Ich bin ein Riesenfan von der Tele. 1949 war die E-Gitarre perfekt, die hätte nichts mehr gebraucht – darüber reden wir nicht. Althergebrachte Sounds auf meine eigenen Sachen zu übertragen, ist die eine Sache, ich entwickle aber auch SoundKonzepte. Die Lucid ist ein vollkommen eigenes Sound-Konzept, die Strich II ist ein vollkommen eigenes Sound-Konzept. Ich überlege mir vorher, wie die Gitarre klingen soll, und experimentiere dann so lange, bis ich genau dieses Klangbild habe.

Die Gitarre designe ich dann quasi erst drum herum, obwohl ja meistens der Klang und das Design miteinander einhergehen.“ Zur optischen Wirkung seiner Instrumente sagt Nick: „Ich mache ja bekanntlich Gitarren für Mädchen, die Jungs kaufen. Wenn wir auf Shows sind, gehen auch schon mal Pärchen am Stand vorbei. Sie, vollkommen gelangweilt, zupft ihn plötzlich am Ärmel, die da, die sind schön. Wir verkaufen aber an Männer – dieses Phänomen hab ich noch nicht verstanden.“ Schön und gut, aber wir wollen die Komplexität von Design natürlich nicht auf dessen Schauwert reduzieren, denn bei allen formalästhetischen und symbolisch wirksamen Faktoren ist es vor allem die optimale Funktionalität und souveräne Klangausstattung, welche gutes Design im Instrumentenbau auszeichnet, und da ist man bei Nick Page auf der sicheren Seite, denn bei aller abgefahrener Optik, seine Gitarren sind immer auch höchst funktionstüchtige, gut klingende und bestens spielbare Arbeitsgeräte.

Programm

Die gelistete Modellvielfalt auf der Nicks Website ist zunächst geradezu verwirrend. Immerhin 10 verschiedene Modelltypen, allen voran der herausragende Baron, nochmals aufgelöst in vier Variationen, suggerieren eine Vielzahl von Designs, aber schaut man genauer hin, so fallen bestimmte Merkmale ins Auge, die sich konsequent wiederholen, was durchaus so etwas wie eine charakteristische Linie, einen roten Faden ergibt. Unübersehbar sind Stilelemente, welche auf bestimmten Rickenbacker-Designs fußen (Baron, Songwriter). Parallelen kann man in gewissem Sinne auch zu so exaltierten Modellen, wie etwa der Ibanez Iceman ziehen (von der Nick natürlich Fan ist). Aber auch Merkmale modernistischen amerikanischen E-Gitarren-Designs der frühen 60er-Jahre, wie etwa die Res-O-Glas-Konstruktionen (Fiberglas) von National, Valco oder Supro kommen prominent vor (Strich- 2).

Stark konturierte Bodies mit German Carve sind wiederum eher dem Ricky-Lager zuzurechnen (Surfmaster). Mehr oder weniger konventionelle Züge tragen Designs wie, P-Type oder Paisley. Das Modell Lucid lässt sich nur auf den ersten Blick mit einer Les Paul in Verbindung bringen. Die besondere Page-Handschrift wird dann aber auch jenseits der verzierten Metallverkleidungen in vieler Hinsicht deutlich: Schraubhals aus Ahorn, Pickups, Fensterkopf. Überhaupt ist Nicks Liebe zum Fensterkopf unübersehbar, fast alle Modelle sind damit ausgestattet – und gibt es ein schöneres Slotted-Headstock-Design als dieses? Angetan hat es ihm grundsätzlich auch das Paisley-Muster und andere florale Zier. Spezialität ist die Aludecke und vor allem deren kunstvoll geäzte Ornamentierung. Aus Aluminium sind auch die Auflagen für die Kopfplatten und die Deckel für das Elektrikfach auf der Korpusrückseite gefertigt – allesamt mit Nick-Page-Logo, oder auch zusätzlichen Ornamenten versehen. Selbst die Gitarrenkoffer schmückt eine großzügige NP-Plakette. Was alle Nick Page Guitars auszeichnet, ist die Liebe zum Detail und die kunstreiche Gestaltung in jeder Hinsicht.

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Service-Station

Auch das sogenannte Aging aus Nicks Hand ist nicht weniger als großartig, überhöht quasi den nostalgischen Chic, aber auch die Handhabung dieser Instrumente, welche natürlich allesamt mit Nitrolack versiegelt sind. „Es gibt ja einen Grund, warum alle Nick Page Guitars geaged sind. Ich kann bei einem geageten Instrument anders an die Substanz rangehen, Bundkanten, Bundverrundung, Sattel, Brücke und broken-in-Griffbrettkanten sind mittlerweile ja auch bei neuen Gitarren anerkannt. Ich habe z. B. für die Griffbretter und Bundierung Techniken entwickelt, die bestimmte Muster imitieren, als wenn du 20 Jahre darauf geflitzt bist. Du spielst besser, weil sich die Gitarre besser anfühlt und das macht sie besser.“

Technik

Um seinen präzisen Vorstellungen nahezukommen, lernte Nick auch die vom traditionellen Material gesetzten Grenzen zu überwinden. So erkannte er, dass Holz allein für bestimmte Klangkonzepte nicht unbedingt der bestgeeignete Werkstoff ist und begann mit Aluminium in verschiedenen Stärken und Legierungen zu experimentieren. Lange dauerte es, den richtigen Kleber zu finden, um Holz und Aluminium dauerhaft fest gekoppelt zu verbinden – „eins unserer bestgehüteten Geheimnisse“.

Die Aludecken werden eingeschliffen und mit der Stimmgabel abgehört, also klanglich in ihrem Höhenanteil kalibriert. Der Weg zu deren Verzierung mittels Ätztechniken war nicht ohne Gefahren. Nick: „Für die ersten Versuche mit dem Ätzen habe ich drei Tage im Krankenhaus verbracht. Seitdem wissen wir, dass es giftig ist (lacht).“ Mühsame Wege sind zu gehen, bis aus einer Klang-Idee ein tragfähiges, real umsetzbares Design-Konzept wird. Erst die richtige Auswahl der Materialien und deren kunstvolle handwerkliche Verbindung in Harmonie bringt das gewünschte Ergebnis und unser Protagonist ruht nie, bevor das in seinem Kopf entstandene Klangbild auch real hörbar wird. Von hundert Ideen, so Nick, haben sich letztlich aber nur fünf oder sechs durchgesetzt. Aktuell beschäftigt er sich mit akustischen Bauweisen.

Eine Jazzgitarre mit Vollkorpus ist gerade in der Konzeption. In Bezug auf den Gitarrenbau und seine handwerkliche Basis hat Nick Page klare Vorstellungen: „Für mich war das Handwerk immer ganz weit vorn, und das hat auch wieder mit Eduard zu tun, der mir diesen Stolz auf das, was wir können, eingebleut hat, weshalb ich auch diese Verachtung für CNC habe. Also bei E-Gitarren unterteile ich jetzt mal ganz grob in 70/30 – ich weiß, dass mich einige Leute dafür steinigen werden. 70 % vom Sound macht der Hals, 30 % der Body. Der Hals wiederum ist extrem abhängig vom Trussrod und am besten klingt der Modelltyp Fender Truss Rod. Der ist natürlich von allen Halsstäben auch am schwierigsten einzubauen. Wenn du einen Fehler machst, ist der ganze Hals im Eimer, und du merkst es erst, wenn du Saiten drauf machst. Aber der Hals hat einfach mehr Attack, und auch bei Mahagonihälsen soll der Hals den Attack bilden.

Der Hals macht den Attack, der Body den Bottom, zumindest bei meiner Klangvorstellung. Natürlich ist das alles die Summe der Teile. Wenn du in deine Gitarre nur einen Ölpapierkondensator einbaust, hörst du nichts. Hast du ein gutes Poti, hast du einen Ölpapierkondensator, ein Aluminium Stop Tailpiece, hast du einen Fender Truss Rod drin, hast du ein Griffbrett, das gut klingt, hast du einen Dunlop-Draht? Eine dieser Sachen zu machen, bringt überhaupt nichts, die Vielzahl der Dinge macht am Ende den Ton.“ Abgesehen von Standardkomponenten, wie Bigsby Vibrato und ABR- oder Tele-Bridge sind die Metallparts, vornehmlich Saitenhalter und Abdeckungen bei den Nick-Page-Gitarren allesamt selbstgefertigt.

Elektronische und andere Komponenten entsprechen den bewährten Standards der 50er Jahre: CTS-Potis, Oil-Caps, Kluson White Button Tuners („nach wie vor der beste Tuner der Welt – er ist leicht, er ist schlicht, er sieht wunderschön aus und er funktioniert“). Das Material für seine Kreationen kommt im Übrigen nicht aus den herkömmlichen Quellen: „Ich kaufe mein Holz nicht beim Tonholzhändler. Das habe ich auch wieder beim Eduard so gelernt. Wir kaufen unser Holz in Bohlen und trocknen das angeblich schon trockene Material noch einmal drei Jahre lang selber. Dann weiß ich, dass ich mich drauf verlassen kann. Mein Mahagoni ist unglaublich leicht, dann hab ich ein Swamp Ash, bei dem ich stumpf nach Gewicht vorgehe, zu leicht darf es nicht sein.

Wenn der Body einer Telecaster 1,5 kg wiegt, klingt die Gitarre wie so eine Ibanez RG. Der perfekte Body für eine Telecaster wiegt 1,9 kg – ist so. Jetzt habe ich das große Glück, dass mein Interceptor Prime, den ich ja klanglich da angelegt habe, leichter ist von der Body-Größe her, d. h. ich kann das selbe Holz verwenden und komme auf ein Gewicht von 1,6 kg. Das Design von der Gitarre hat halt weniger Masse, ich komme kurz gesagt mit dem gleichen Holz bei weniger Gewicht auf den gleichen Ton.

Pickups

Seine Tonabnehmer bezieht Nick Page vornehmlich von Amber-Pickups. Nick: „Es gibt für mich einen ganz einfachen Trick, um rauszufinden, ob mir ein Pickup gefällt. Seit ich 15 bin spiele ich den selben Amp (Marshall JCM 800/4103 aus 2203 Combo; 4×12 1960 Marshall Box mit Greenbacks), den kenne ich also sehr, sehr gut. Diesen Amp reiße ich ganz auf, und wenn es nach Heavy Metal klingt, ist der Pickup Scheiße, wenn es nach Rock ’n’ Roll klingt, ist der Pickup auf jeden Fall schon mal von der Leistung her gut ausgelegt.

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Bandmaster und JCM 800 als Testkontrahenten

Mit Wolfgang Damm (Amber-Chef) hab ich mit seiner berühmten Pickup-Testgitarre am Anfang alle seine Tonabnehmer durchgecheckt. Wir standen hier bis 10 Uhr abends, die Nachbarn vermutlich kurz vorm Durchdrehen, weil ich den Amp die ganze Zeit am Anschlag hatte, also: nächster Pickup und immer das selbe Lick. Erst beim letzten Pickup blieb mir die Spucke weg, das war sein Spirit of 59. Offen, klar, brillant, wenig Leistung. Der Tonabnehmer war perfekt, genau das was ich gesucht habe – seitdem arbeite ich mit Wolfgang.“ Mit dem Amber-Chef verbindet ihn inzwischen ein langer gemeinsamer Weg, eine Kooperation, wie man sie sich nur wünschen kann. Nick: „Die Chemie muss stimmen. Beim Wolfgang ist es so, als ob ich mit Toni arbeite. Nach all den Jahren weiß er einfach, was ich erwarte.“

Das sieht Wolfgang Damm genau so: „Nick ist absolut mit dem Herzen dabei. Seit ich für ihn vor gut fünf Jahren einen P90-Pickup mit Abgriffsmöglichkeiten gebaut habe, sind wir uns bei der Umsetzung von Klangvorstellungen immer nähergekommen. Nick weiß, was er will, vor allem aber ist es so angenehm mit ihm zu arbeiten, weil man in ihm eine Mischung von Liebenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit findet, die im Musikgeschäft eher selten ist.“

Custom

Nick Page hat sich der konsequenten Einzelfertigung verschrieben, was letztlich zum Bruch mit seinem vormaligen, mehr zur Serienfertigung tendierenden Partner André Lindner geführt hat. Somit haben wir es mit einem Custom Shop im wahren Sinne des Wortes zu tun, nur dass der Kunde Nick seine Identität lassen muss, will meinen: er verbiegt sich nicht in eine Richtung, die ihm gegen den Strich geht. „Ich bau im Grunde alles, wenn es mir gefällt. Es gibt auch immer wieder Ideen, wo ich denke: geil, mach ich sofort. Wenn nicht, sag ich dem Kunden auch, dass ich dazu keine Lust habe.“

Über eine lange Zeit hat er seinen unverwechselbaren persönlichen Stil entwickelt, und genau das macht ja auch seinen Erfolg aus. Die Modellvorgabe ist dennoch eher grobe Richtung, als gesetzte Bedingung. Da ist also in der Planungsphase nicht nur im Detail immer noch vieles möglich. „Wenn du dem Kunden halbwegs zuhörst, kannst du wirklich auch das bauen, was er möchte. In 90 % der Fälle treffe ich. Grundsätzlich gilt: Wenn du zum Gitarrenbauer gehst, solltest du wissen, was du willst, aber Musiker sind ja in der Regel nicht auf den Mund gefallen.“

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Nick mit seiner ersten selbstgebauten Gitarre

Auf die provokante Frage, ob denn das eigentlich alles wirklich Spieler sind, die Gitarren von ihm kaufen, sagt er: „Ich nehme zumindest jeden Kunden als Spieler ernst. Ich bin kein Technik-Fan, ich bin ein Fan von Ton. Wenn du einfach nur einen guten Ton liebst, reicht das aus, damit ich dich ernst nehme.“ Nick pflegt Kontakte auch zu seinen Händlern, legt Wert auf Feedback und erfährt in der Regel auch welcher Kunde seine Gitarre gekauft hat, wie und was der spielt. Großen Wert legt er auf die Feststellung, dass alle seine Instrumente absolut funktionstüchtige Stage-Gitarren sind, „ausgelegt hundert Jahre alt zu werden, dabei so solide und schlicht wie eine Telecaster“.

Viele internationale Händleranfragen muss Nick abweisen, den Besuch auf der amerikanischen NAMM-Show hat er gestrichen, denn er ist sowieso schon bis Ende des Jahres ausgebucht. Wer ein Instrument bei ihm in Auftrag gibt, muss also bis zu einem Jahr Wartezeit in Kauf nehmen. Die Preise beginnen für ein „Brett mit Saiten“ bei € 2500, für ein durchschnittlich ausgestattetes Modell wie Baron Classic sind etwa € 4000 aufzubringen.

Info/Kontakt: www.nickpageguitars.com

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. intressanter typ mit sehr starken designs (-;

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  2. Eigentlich ein recht sympathischer Typ! Entgegen aller anderen Gitarrenbauer „fährt“ er seinen ganz eigenen Stil! Leider ist er mit seiner „Werkstatt“ bereits seit längerer Zeit vom Berliner „Problem- und Schmuddel Bezirk“ Neukölln in der düsteren Nansenstraße in‘s deutlich saubere und vornehmere Potsdam gezogen,was vermutlich auch dringend nötig wurde,denn im finsteren Neukölln scheint seit geraumer Zeit absolut nicht mehr die finanzkräftigste Klientel vorzuherrschen,die,so gerne man sich als „einfacher“ Neuköllner auch eine Nick Page Gitarre leisten wollte,die notwendige Finanzierung dafür eben nun mal nicht mehr so locker zur Verfügung steht.
    Klartext: innovative Künstler und durchaus gute Musiker,-bzw. Gitarristen/-innen „hausen“ im sichtlich herunter gekommenen Berlin-Neukölln in enorm großer Anzahl,doch traurigerweise fehlt den meisten Leuten dort die notwendige Kohle für solch schöne und extra-vagante hochpreisige Custom Gitarren,wie sie Nick Page in solider Handarbeit individuell und auf besonderen Kundenwunsch nun im elitären Potsdam anfertigt.
    Ich kann die Entscheidung des Umzugs eines Nick Page jedoch sehr gut nachvollziehen,da meine Familie und ich,ebenfalls vor kurzem dem „Problemkiez“ Berlin-Neukölln endgültig den Rücken kehrten!
    Fakt ist,daß Page wirklich sehr schöne und funktionelle Gitarren baut,die absolut einzigartig klingen,und somit jeden Cent wert sind.
    Schade,daß die musikfreudigen Neuköllner einen ihrer besten Gitarrenbauer nicht mehr in ihrer Nähe haben.Aber,wozu gibt es den bequemen Internetkauf,dort ordert man(n) ja auch prima Gitarren aus der Serien-Massenproduktion.
    So geht,gerade in Zeiten der Corona Pest Pandemie,das Licht in diesem Berliner Kiez wohl jetzt besonders schnell aus.Komische Zeiten.
    Dies mußte einfach einmal gesagt werden!

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