Wege aus der II-V-I

Jazzgitarre in Deutschland – Teil 2: Hanno Busch

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(Bild: Martin Schmidt)

Trifft der Rocker auf den Jazzer, ist die Liste der Vorwürfe lang: endloses Skalengedudel, verkopft, technisch brillant, aber kein Feeling. Andersherum sieht es nicht viel besser aus: Primitiv, immer die gleichen Akkorde, Songs, die auf für den Massenverkauf tauglichen Formeln basieren und natürlich viiiel zu laut – willkommen im musikalischen Schubladenland, in dem sich die zwei Lager seit Jahren unversöhnlich um die Krone der wahren Musik streiten. Aber muss das so sein?

In Amerika wandern Musiker wie Scott Henderson, Bill Frisell, Jim Campilongo und Michael Landau zwischen den Welten, spielen Jazz-Lines mit Rocksound, kombinieren Country, Rock, Bebop und Blues zu ihrem ganz eigenen Stil. Und in Deutschland?

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Auch da scheint sich was zu tun. Eine Gruppe von jüngeren Jazz-Gitarristen – aufgewachsen mit Rock und Pop, ohne Scheu vor Elektronik, Verzerrung und singbaren Melodien – schickt sich an, den Jazz wieder spannend und auch abseits der Szene hörbar zu machen.

Zeit für Gespräche mit drei Protagonisten über ihre Ausbildung, musikalische Motivation, finanzielles Überleben und Vorurteile in der Szene.

Interview: Hanno Busch

Hanno Busch kennen viele als den Gitarristen aus Stefan Raabs „TV Total“-Band The Heavytones. Nach dem Ende des TV-Jobs spielt der in Remscheid aufgewachsene Musiker mit dem Hanno Busch Trio und dem Projekt Sommerplatte seine ganz eigene Jazzversion, in der man Elektronik und Pop genauso wiederfindet wie dezent an Pat Metheny erinnernde Melodiebögen und atmosphärische Gitarrensounds.

Der Start

Hanno, wie hat es bei dir mit dem Musikmachen angefangen?

Durch meinen Vater, der evangelischer Pfarrer war. Chorgesang und Kanonsingen, das war ganz entscheidend. Ich habe mit Blockflöte angefangen und mit zehn Jahren ein paar Akkorde von meiner Mama gelernt. Mit 14 hab ich einen Gitarristen namens Werner Hucks gehört, der Choralarrangements auf der Gitarre gespielt hat, und dachte mir: „Dafür musst du wohl Unterricht nehmen.“

Durch meinen Vater, der evangelischer Pfarrer war. Chorgesang und Kanonsingen, das war ganz entscheidend. Ich habe mit Blockflöte angefangen und mit zehn Jahren ein paar Akkorde von meiner Mama gelernt. Mit 14 hab ich einen Gitarristen namens Werner Hucks gehört, der Choralarrangements auf der Gitarre gespielt hat, und dachte mir: „Dafür musst du wohl Unterricht nehmen.“

Thomas Brill von der Remscheider Musikschule hat mich von Anfang an ganz breit in alles E-Gitarren-mäßige reingeschmissen. Ich habe ein bisschen Klassik gespielt und in der Musikschul Combo Funk, Pop und Soul. Mit 15, 16 haben wir dann relativ unbedarft mit Jazz angefangen. Er hat mir harmonisch nicht viel erklärt, sondern mich eher über die Ohren herangeführt.

Gibt es gitarristische Vorbilder?

Ich war nie der große Transcriber, sondern habe eher versucht, einen eigenen Weg zu finden. Ich hatte während des Studiums immer Angst, dass ich, wenn ich z. B. zu viel Metheny höre, irgendwann auch so klinge. Im Pop/Rock-Bereich finde ich Michael Landau fantastisch, wie er sich in den Dienst des Songs und Kontexts stellt. Im Jazz-Bereich ist für mich John Scofield der Allergrößte. Wenn er will, kann er unglaublich komplex und harmonisch advanced sein. Im gleichen Moment kommt aber so ein bluesiges Ding angeflogen.

Was ist deine Definition von Jazz?

Das ist eine echt schwierige Frage. Ein Kernding ist, dass improvisiert wird. Viele machen es auch an der Instrumentierung fest, dann ist Pop mit Kontrabass plötzlich Jazz, aber für mich steht auch eine bestimmte Haltung dahinter. Es gehört eine große stilistische Offenheit dazu, Sachen ungewöhnlich zu kombinieren, es mit gewissen Dogmen nicht so eng zu sehen.

Was gefällt dir an der Stilistik und gibt es auch Sachen, die dich stören?

Ich mag diesen Forschergeist, etwas Neues zu entwickeln und gleichzeitig am Zeitgeist zu bleiben. Das geht dem heutigen Jazz teilweise etwas verloren. Die schönsten Konzerterlebnisse hatte ich in einer Indie-Band, bei Peter Licht. Da ging es nur darum, dass die Band gemeinsam eine Emotion erzeugt, eine Haltung verkörpert, und das Publikum ist nur dazu da, um das ohne Erwartungshaltung aufzunehmen, berührt zu werden, eine gute Zeit zu haben und das trifft exakt meine Musizierhaltung. Das ist im Jazz nur für einen Teil des Publikums gegeben. Viele haben die Erwartungshaltung, Virtuosität und tolles Handwerk zu sehen.

Ein typischer Vorwurf des Nichtjazzers an den Jazzmusiker ist es, er sei verkopft. Kannst du das verstehen?

Ja, teilweise. Kunst ist immer subjektiv und Geschmackssache und es ist auch in Ordnung, dass man Musik hört, weil man sie handwerklich beindruckend findet. Das gibt es auch im Rock oder Pop, wo das Handwerk eher der Inhalt ist als die Idee einer Haltung oder einer Aussage.

Wie findest du die Herangehensweise an Jazz an Universitäten, dieses Nachvollziehen der Jazzgeschichte, II-V-ILicks etc.?

Ich war in Amsterdam an der Hochschule, und habe da immer nur meine Archtop mitgenommen. In Köln hatte ich meine Bands und habe andere Sachen gemacht. Das war für mich wie eine Parallelwelt: Funk, Rock und Soul haben da nicht stattgefunden, es gab nur Standards und Jazz bis Anfang der Sechziger. Für mich war es inspirierend, kompakt die traditionelle Schule zu lernen. Die Frage, ob man das so lernen muss, kann man gar nicht beantworten. Bei den Platten, die mich wirklich berühren, sind ein paar Leute dabei, die das studiert haben, aber ein Großteil auch nicht. Um Kunst zu machen, sein eigenes Zeug, muss man sich vorher gut überlegen, ob man dafür das Studium braucht. Mach ich das eher aus Netzwerkgründen, oder um etwas zu lernen, oder wegen der Eltern. Was ich an der deutschen Hochschullandschaft nicht gut finde, ist die Trennung in Jazz und Pop. Das hilft dem Jazz nicht weiter, weil er sich in der Nische immer mehr abkapselt und entspricht auch nicht den Interessen der Studenten. Die sind offen, hören alles und haben Elektro-, Pop- oder Crossover-Projekte, aber das findet nicht in den Abteilungen statt. Es gibt keine wirkliche Verbindung, manchmal auch keinen gegenseitigen Respekt und kein gegenseitiges Interesse.

Trio/Sommerplatte

Dein Trio klingt sehr modern, was Sounds angeht. Wie beschreibst du denn selbst das, was ihr macht?

Es ist für mich immer noch eine Reise und Findung. Ich versuche Musik zu machen, die ich mir selber gerne anhören würde und die Welten zu vereinen, die ich gut finde. Die Kompositionen sind recht poppig, loopartig aufgebaut, aber es muss auch die Freiheit geben, zu öffnen, für Improvisationen und gemeinsam etwas zu entwickeln. Ich tue mich schwer damit, der Sache einen Stempel aufzudrücken. Die Platte ist aber im Jazz gelistet. (lacht)

Wie entstehen die Songs. Sind das deine Kompositionen oder kommt das von der Band?

Ich schreibe alleine, aber bei manchen Songs gibt es entscheidende Ideen von den Jungs, die stark färben.

Wie sehr arbeitest du Arrangements aus?

Ich komponiere zu Hause hauptsächlich an Gitarre und Bass, nehme mir kleine Layouts auf und notiere die aus. Die Schlagzeugideen, die ich habe, kommuniziere ich dann in der Probe. Manchmal habe ich eine konkrete Vorstellung, manchmal aber auch nicht und dann suchen wir.

Wie oft spielt ihr und wo?

Das hängt einzig und allein an mir und ob ich Zeit zum Booken habe. Für einen CD-Release versuche ich eine kleine Tour zu organisieren. Das heißt beim Jazz fünf Gigs und ein paar kleine Festivals im Sommer.

Wie unterscheidet sich das Projekt Sommerplatte von deinem Trio?

Sommerplatte ist ein Projekt mit vier gleichberechtigten Musikern, die sich in vielen Projekten begegnet sind. Bei einer Produktion mit Gregor Meyle auf einem Bauernhof, die einfach herrlich war, kam die Idee auf, so etwas jeden Sommer zu machen – nur ohne Gesang. (lacht) Wir treffen uns, mieten ein Studio und nehmen auf, worauf wir Bock haben.

Macht ihr das wirklich jedes Jahr?

Nein, das schaffen wir nicht. Wir haben alle Familien und müssen Geld verdienen. Drei Monate mit nichts ins Studio zu gehen wie eine große Rockband und dann steht das Album, das wäre geil. (lacht) Wir versuchen aber, jedes Jahr etwas rauszuhauen. Im letzten Jahr haben wir eine halbstündige Improvisation veröffentlicht, die wir bei einer Studiosession gemacht haben. Anfang des Jahres gab es den ersten Vorgucker – in Form eines You-Tube-Videos – auf unser neues Album, das am 21.6. veröffentlicht wird.

Gear

Du spielst hauptsächlich modernes, individuell angefertigtes Equipment. Wie kommt es dazu?

Ich habe mich durch die Pop-Gigs durch diverse Endorsements durchgehangelt und mich von vielen großen Companies schlecht betreut gefühlt. Dann habe ich nach kleinen Firmen gesucht, wo ich mit Leuten reden kann, es auf menschlicher Ebene stimmt und man sich musikalisch und geschmacklich trifft. Nik Huber hat mich angesprochen und mir Gitarren zum Testen geschickt. Ich habe dann nach einer Semiakustik gefragt und seit ich die habe, ist alles super. Die spiele ich eigentlich überall.

Nik Huber Semiakustik und Tonehunter Clearwater Amp (Bild: Martin Schmidt)

Dein Amp ist von Tonehunter?

Ja, das ist der Clearwater, ein reiner Clean-Amp mit zwei unterschiedlichen Clean-Eingängen, der sich gut durchsetzt und nicht so färbend ist wie ein Vox oder Fender.

Wie sieht es mit Pedalen aus? Wechselst du viel?

Man möchte ja immer das geilste Pedalboard der Welt in Aspik gießen, aber das geht irgendwie nicht. Ich lande immer wieder beim Xotic-BB-Preamp als Hauptzerre in Kombination mit diversen Boostern. Zurzeit habe ich aber auch die Roger-Mayer-Sachen wiederentdeckt, den Voodoo Vibe, den Voodoo Boost, Voodoo 1 und das WahWah. Das Voodoo Vibe ist eine Spezialwaffe, in einer Einstellung mit kaum hörbarem Vibrato. Das hört man nur als minimale Bewegung im Sound, macht aber auch etwas mit dem Attack in den Höhen. Vor einem halben Jahr habe ich angefangen Fuzz- und Oktavpedale auszuchecken und bin beim FoxRox Octron gelandet, der macht eine analoge Oktave nach unten, aber auch einen Octafuzz-Sound und man kann die drei Sounds (Clean, Octave down, Octafuzz) getrennt leveln.

Hannos Pedalboard (Bild: Martin Schmidt)

Beim Guitar Summit hattest du auch ein paar Moog Pedale auf einem Amp Case.

Ja, die sind entscheidend für manche kompositorische Idee. Am meisten arbeite ich mit dem Analog-Delay. Der Ring Modulator ist manchmal auf eine Tonart gestimmt und erzeugt dadurch eine Art zweite Stimme, manchmal aber auch Noise. Die Pedale machen Spaß!

Die Moog-Effekte auf einem Ampcase zur Direktbearbeitung per Hand (Bild: Martin Schmidt)

Heavytones

Du hast lange in der Band von Stefan Raab, den Heavytones, gespielt. Wie kommt man an einen solchen Job?

Netzwerk. (lacht) Ich habe vorher schon viel in Köln Musik gemacht und kannte die Bandmitglieder. Vorher hatte ich schon ein Dreivierteljahr in der Band von Anke Late Night gespielt. Ein Audition-Tipp: Man kann nie zu gut vorbereitet sein. Die Heavytones hatten zu der Zeit eine Platte draußen, ich habe die ganze Platte auswendig gelernt und als sie gefragt haben, welche Nummer ich spielen möchte, habe ich gesagt: „Ich kann alle.“ (lacht)

Wieviel ist daran Arbeit/Beruf, wieviel Spaß?

Mir hat der Job immer Spaß gemacht, weil er abwechslungsreich war, es konnte etwas Unvorhergesehenes passieren, es gab interessante Künstlerbegleitungen, aber im Endeffekt ist es natürlich Arbeit. Es fehlt die musikalische Freiheit oder dass man mal ein ganzes Konzert spielt.

Wie groß ist die Gefahr, dass einen solche kommerzielleren Projekte von der eigenen, künstlerischeren Musik abhalten?

Wenn man sich die vielen Kollegen anschaut, die vergleichbare Jobs machen, ist die Gefahr sehr groß und ich kann das auch bestätigen. Man hat eigentlich genug Zeit und den finanziellen Freiraum, die eigenen Sachen zu machen, aber man muss es auch machen. Ich habe ziemlich lange dafür gebraucht, das zu realisieren. 2010 habe ich ein paar Gigs als Gast von Michael Wollny gespielt und die ganze Arbeitsweise, die Haltung dahinter, die Zeit, die man sich fürs Proben genommen hat, hat mir viel gezeigt. Erst dadurch habe ich angefangen darüber nachzudenken, mein eigenes Zeug an den Start zu bringen.

Business

Wie ist denn die finanzielle Lage als Jazzmusiker heute?

Ich glaube, die allerwenigsten Jazzmusiker in Deutschland können allein von ihrer Konzert- und Kompositionstätigkeit leben. Für die meisten in meiner Größenordnung ist es eine kleine Einnahmequelle, aber sie brauchen andere Bands oder einen guten Unterrichtsjob zum Geldverdienen.

Wie hast du das aufgeteilt?

Bei mir besteht die Mischung aus Workshops und Konzerten in anderen Bereichen. Im Sommer habe ich mal zwei Konzerte für die Kelly-Family gesubt. Die Gagen im Sideman-Popbereich sind zum Teil leider total im Keller, weil es alle mit sich machen lassen und viele Angst haben den Job zu verlieren. Eine persönliche Wertschätzung gibt es in den wenigsten Projekten. Seit Sommer bin ich bei einem Deutsch-Rap-Projekt aus Rostock dabei, die nennen sich DIE GUTEN und das ist eine schöne Pop-Baustelle, bei der alles stimmt: Sehr transparent auf der Management-Ebene, totale menschliche Wertschätzung und trotzdem große Festivalbühnen. Außerdem habe ich im letzten Jahr Musik zu einem Dokumentarfilm und für ein Theaterstück gemacht. Da gab es Filmförderung und dadurch war es bezahlte Arbeit und nicht nur Idealismus. Das ist familienkompatibler als Konzerte.

Viele Musiker klagen und fordern Mindestgagen. Wie stehst du dazu?

Generell ist Kunst und Kultur förderungswürdig, und durch eine Förderung bekommt sie die künstlerische Freiheit. Aber in ganz vielen Bereichen sieht man Sachen, bei denen man denkt, es gäbe vielleicht relevantere oder qualitativ hochwertigere Sachen, die förderungswürdiger gewesen wären.

Inwieweit bist du in die anderen Bereiche involviert wie Booking und Promotion?

Ich mache alles selber. Ich engagiere höchstens einen Promoter für die Alben, der sich um Presse und Radio kümmert, damit es gesehen und gehört wird. Ich habe ständig das Gefühl, ich müsste mehr machen. Ich würde gerne viel Arbeit outsourcen, aber dafür ist kein Geld da.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)


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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr spannendes Interview! Ich bin der der Meinung, dass wir Musiker, als Diven, uns zu wenig um Kommunikation kümmern. Wir sind toll, also muss die Karriere auch etwas werden. Leider stimmt das nicht! Ein hervorragendes Instrument und Virtuosität allein bringen nichts. Unsere Städte sind dafür einfach auch zu klein (Berlin ist da etwas anders). Die Gattungstrennung Jazz, Pop, Rock etc. schadet mehr, als zu nützen. Von außen betrachtet könnte man meinen, was kein Geld bringt, braucht man nicht. Aber wo ist die kulturelle Entwicklung, die Eigenständigkeit? Auch eine Gitarre von 1957 und ein Amp von 1964 sind nur ein Abklatsch alter Erfolge, der am Ende von 2 Akkorde Keyboard Phrasen dominiert wird. Wo sind die Produzenten, die Clubs, die Radiosender etc. , die die neue Freiheit wollen? Kreativität muss raus aus dem Herzen, dem Kopf durch die Finger in die Ohren der Welt!

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