Romantic Revisited

Interview: Yusuf Islam / Cat Stevens

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(Bild: Rhys Fagan)

Als „Cat Stevens“ veröffentlichte der britische Songwriter 1970 ‚Tea For The Tillerman‘, ein Album, das zum Synonym für Frieden, Empathie und Liebe wurde. Es machte den Sänger und Gitarristen gleichzeitig zur Gallionsfigur einer Songwriter-Riege, die fest glaubte, ein paar Gitarrengriffe könnten die Welt verändern. Nun, 50 Jahre später, hat er sich diese Songs noch einmal vorgenommen.

Cat Stevens oder Yusuf Islam: Egal welcher Name auch nach außen getragen wird, es ertönt die wohlvertraute Stimme, der dezent melancholische Duktus, die einnehmenden Melodien und die gestreichelten Gitarrenakkorde. Die britische Folk-Ikone hat sich ihr Kultalbum ‚Tea For The Tillerman‘ noch einmal vorgeknöpft, und für die Version 2.0 die Stücke in der gleichen Reihenfolge des Originals gesetzt, sie allerdings neu arrangiert, eingespielt und aufgenommen.

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Gesang, Melodien, Rhythmen, alles hat der 72-Jährige dezent moduliert bevor er seine Songs ein zweites Mal in die Welt entließ. Verblüffend: Nichts vermag die zeitlose Schönheit und melancholische Anziehungskraft von Klassikern wie ‚Wild World‘, ‚Where Do The Children Play‘ oder ‚Father And Son‘ zu beeinträchtigen. Lieder, die die Besinnung auf wahre Werte, die Suche nach nostalgischem Halt und schlichtem Glück beinhalten. Dinge, die vielen Menschen abhandengekommen scheinen.

(Bild: Rhys Fagan)

INTERVIEW

Welche Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du deine Klassiker ‚Wild World‘ oder ‚Father And Son‘ neu bearbeitet hast?

Das war zunächst einmal eine ganz neue Erfahrung. Ich begann völlig frei mit den Songs zu experimentieren, denn ich wollte nicht zu sehr reflektieren wie wir sie damals aufgenommen hatten. Natürlich hatte ich Bilder im Kopf, schöne Erinnerungen, das bleibt ja nicht aus. Alles hat sich verändert. Selbst Studios haben sich verändert! Wir haben die meisten Takes direkt im Kontrollraum aufgenommen, im La Fabrique (in Südfrankreich, zwischen Arles und Avignon, d. Red.) Ich wollte keine Kopie des Originals von vor 50 Jahren abliefern.

Die neuen Arrangements unterscheiden sich zum Teil merklich.

Dieses Album hat deutlich mehr elektrische Gitarre, die diesmal prominenter vertreten ist. Dadurch wirkt das Album eher „rootsy“, inspiriert vom Blues, den ich liebe. Ein Song wie ‚On The Road To Find Out‘ zeigt das recht deutlich, finde ich.

Die Aufnahmen ermöglichten ein Wiedersehen mit deinem damaligen Produzenten Paul Samwell-Smith, Gitarrist Alun Davies und deinem Bassist Bruce Lynch. Wie war die Zusammenarbeit?

Unglaublich angenehm und unkompliziert, Paul und ich arbeiten sehr intuitiv. Er weiß, wie er mich führen muss, welche Sounds ich mag und wie man sie produziert. Er musste einfach nur im Sessel sitzen! (lacht) Dazu kommt, dass ich heute erfahrener bin und besser weiß, was ich möchte. Das galt auch für alle beteiligten Musiker.

Bei ‚Father And Son‘ warst du 1970 in der Rolle des Sohns. Heute singst du den Song aus der Perspektive des Vaters. Wie fühlt sich das an wenn Yusuf Islam über Cat Stevens singt?

Ich wollte immer schon mal einen Blick in mein Innerstes werfen! Natürlich ist dies der Blick auf mein jüngeres Ich. Und das aus dieser Perspektive sehen zu können, ist das Resultat einer lebenslangen Reise. Ich war ein Mensch, der damals vielleicht nicht so viele Antworten hatte wie heute, aber der interessiert und neugierig auf den Sinn des Lebens war.

Dein Sohn hatte die Idee zu diesem Remake. Er hat dich 2004 auch nach einer langen Schaffenspause zurück zur Musik gebracht. Dafür hatte er dir angeblich eine deiner alten Gitarren nach Haus gebracht.

Das war keines meiner alten Instrumente, sondern eine Gitarre, die er für sich mitgebracht hatte. Er wollte eine schwarze Gibson, fand dann aber diese schwarze Yamaha-Acoustic. Er tat das nicht mit der Absicht mich zum Spielen zu bringen, sondern schrieb eigene Songs darauf. Er ließ sie bei uns im Haus liegen, und so nahm ich zum ersten Mal wieder eine Gitarre in die Hand.

Mit dem Initiator bei der Arbeit: Yusuf/Cat Stevens mit seinem Sohn Yoriyos. (Bild: Rhys Fagan)

Was hast du zuerst gespielt?

Als erstes habe ich einen F-Akkord ausprobiert, weil ich nicht wusste, ob ich den noch hinkriegen würde! (lacht) Der erste Song war dann ‚The Laughing Apple‘.

Denkt man an dich in den frühen Jahren, fallen einem Fotos mit deinem Gibson-Everly-Brothers-Modell ein. Hast du die Gitarre noch?

Ja. Ich habe sie für viel Geld zurückgekauft. Sie wurde mir vor Jahren gestohlen, ging durch viele Hände, bis mein Sohn sie auf eBay wiederfand. So habe ich sie zurückbekommen. Der Gibson Custom Shop hat mir inzwischen eine Kopie dieser Gitarre gebaut, sie haben sie mir gerade geschickt.

Eine traurige Geschichte mit Happy End. Wie bist du überhaupt zum Folk und Fingerstyle gekommen, in Londons West End?

Die Musicals des West Ends haben in mir die Liebe zur Musik ausgelöst. Leonard Bernstein, George Gershwin, Rodgers und Hammerstein – das waren meine frühen Helden auf der einen Seite. Auf der anderen Seite klopfte der Rock’n’Roll an. Wie alle, hing auch ich am Radio! Little Richards ‚Tutti Frutti‘ war die erste Single, die ich mir kaufte. Und als die Beatles auftauchten, waren sie diejenigen, die unsere Tagträume aussprachen. Durch sie änderte sich alles. Dadurch entwickelte ich langsam einen Draht zum Blues, zu John Lee Hooker und Jimmy Reed. In den angesagten Clubs spielten sie den Blues, der aus Amerika zu uns rüberkam.

Die Isley Brothers spielten ‚Twist And Shout‘ lange vor den Beatles, auch wenn die den Song berühmt machten. Ich ging damals gerne in einen Folk-Club in Soho mit einem Freund namens Peter. Wir hörten dort Bert Jansch, John Renbourn und Davey Graham. Das faszinierte mich total! Auch Sandy Denny (Fairport Convention, Strawbs) spielte dort und Jackson C. Frank, ein Gitarrist der deutlich mehr Achtung verdient! Er war sozusagen der Vorläufer von Nick Drake, der aufkeimenden Londoner Folk-Szene. Sein Song ‚Blues Run The Game‘ ist großartig! Dies waren also meine ersten Gitarrenhelden. Und Bob Dylan. Er hatte einen großen Einfluss auf die Jugend und die Protestszene. In der Hinsicht war er ein Pionier, er führte die Vision von Woody Guthrie weiter. Das gibt dir eine ungefähre Idee meiner Einflüsse.

Es gibt ein frühes Foto auf dem du mit Jimi Hendrix zu sehen bist. Ihr wart gegensätzliche Pole der Londoner Musikszene, er der Rocker, du der Folkie.

Ich war zu jener Zeit eher noch in der Glitter-Fraktion mit Samtjacke und Glitzerweste! Jimi war Vorreiter der Psychedelic-Rock-Szene, er eröffnete uns ein neues Musikuniversum. Er brachte uns dazu, den Himmel zu küssen, um es mal mit seinen Worten zu formulieren. Er war ein unglaublich netter Kerl. Wir haben uns immer gut unterhalten. Er hatte eine Menge guter Sachen zu sagen.

Du hast zuvor Dylan erwähnt, der faszinierend mit Sprache umgehen kann. Das ist auch eine deiner Qualitäten. Schaut man ins Netz, haben unfassbar viele Menschen eine persönliche Geschichte, die mit einem deiner Songs verbunden ist. Wie schafft man es universell zu schreiben und doch so viele Menschen emotional zu berühren?

Ich besitze keine definierte Nationalität. Mein Vater kam aus Griechenland, meine Mutter aus Schweden. Ich bin in England geboren. Ich fühlte mich auch keiner Kultur zugehörig. Ich war aber Teil der damaligen Jugendbewegung. Wir hatten viele Fragen, die uns beschäftigten und wir suchten nach Antworten, die nicht in den alten Denkweisen und Traditionen zu finden waren. Ich denke dieser neue, neutrale Standpunkt führte dazu, anders zu sein, die Dinge anders zu sehen und anders zu formulieren.

Entspanntes Arbeiten in La Fabrique. Im Hintergund Kontrabassist Bruce Lynch. (Bild: Rhys Fagan)

Textlich ist ‚Tea For The Tillerman‘ heute noch hoch aktuell und relevant: Der respektvolle Umgang mit der Natur, der Konflikt der Generationen, das Hinterfragen politischer Themen.

Dieser Sinngehalt gab mit den Ausschlag diese Songs noch einmal aufzunehmen. Emotional fiel es mir überhaupt nicht schwer mein Herz aufs Neue in diesen Liedern zu versenken. Sie sind heute noch bedeutungsvoll und haben starke soziale Botschaften. Denk nur an ‚But I Might Die Tonight‘ – ein Song über all die Menschen, die tagein, tagaus in Fabriken schuften und trotzdem so arm sind, dass sie ihr Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen können, sondern quasi ihrer Firma gehören.

Du glaubst fest daran, dass ein Song nicht nur Menschen zusammen bringen, sondern auch die Welt positiv beeinflussen kann?

Auf alle Fälle! Wenn Menschen Musik hören und von einem Stück gefesselt sind, kann eine unglaubliche Einigkeit entstehen und zwar weltweit! Ein Song kann uns zusammenbringen, und sei es auch nur für drei Minuten. Dieser Effekt kann noch viel länger nachhallen, wenn die richtigen Botschaften vermittelt werden.

Zahlreiche Gitarren haben dich in deiner Karriere begleitet, von besagter Gibson Everly Brothers über Ovations, Gibson J-45 und J-200, man sieht dich gelegentlich sogar mit Resonatorgitarren. Gib uns einen kurzen Abriss deiner Instrumente.

Am Anfang spielte Lautstärke noch keine große Rolle. Meine Everly Brothers ist keine laute Gitarre, sie klingt gut und hat eine gute Bassprojektion. Später stellte ich aber zunehmend fest, dass ich auf der Bühne zu leise war, ich brauchte eine druckvollere, größere Gitarre. So kam ich zur Gibson J-200. Dann entdeckte ich Ovation, die eine gute Bühnengitarre entwickelt hatten. Sie funktionierte gut live, klang aber eher wie eine elektrische. Ich hatte immer das Problem – bis heute – den Klang meiner akustischen Gitarre so naturgetreu wie möglich zu projizieren. Die große Herausforderung liegt darin, die Wärme und den natürlichen Klang einer Steelstring in einem Stadion authentisch rüberzubringen.

Du benutzt live einen Schalllochtonabnehmer.

Stimmt. Im Studio nehmen wir meine Gitarren zusätzlich mit zwei Mikrofonen ab. Bei der ursprünglichen Aufnahme von ‚Tea For The Tillerman‘ ist der Gitarrenton nahezu perfekt von Paul Samwell Smith aufgenommen. Die Aufnahmequalität meiner Gitarren war mir immer schon sehr wichtig.

Du bist jetzt 72. Was hast du für Pläne, was treibt dich an?

Ich arbeitete gerade an einem neuen Album, als uns der 50. Geburtstag von ‚Tea For The Tillerman‘ dazwischenkam! (lacht) Denn erstens war es toll, sich noch einmal darauf einzulassen und zweitens haben viele Menschen tolle Erinnerungen daran. Das ist großartig. Und es gibt mir die Möglichkeit den Leuten auch meine neuen Songs zu zeigen. Das nächste Studioalbum ist nahezu fertig, bis auf Kleinigkeiten.

Kannst du schon etwas dazu verraten?

Ich liebe Musicals und klassische Musik, Beethoven, Bach, Tschaikowsky. Ich habe eine Passage aus dem ‚Schwanensee‘ in einem der neuen Songs benutzt. Inhaltlich gibt es natürlich auch soziale und spirituelle Botschaften. Ich versuche, das nicht plakativ nach außen zu kehren, sondern eher spielerisch. Menschen sind konstant in Bewegung und viele sind sich nicht sicher, wohin sie wollen, was sie erreichen möchten und welchen Weg sie dafür einschlagen müssen. Das gilt es zu respektieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Zwei Jahre älter als ich, der Gute. Er hat so herrliche Songs geschrieben. Seine Musik hat mich in vielen Stunden meiner Jugend begleitet auf Kuschelpartys wo man heute noch gern dran denkt. Selbst heute noch fliegt Abends zu einer gemütlichen Flasche Wein gern mal seine Musik auf meine HiFi Anlage.

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