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Axel Rudi Pell: Ich brauche das Brett auf der Bühne, nur so ist es Rock´n`Roll

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Axel Rudi Pell
(Bild: Mineur)

Alle Jahre wieder, pünktlich zur Veröffentlichung einer neuen Scheibe, geht der Bochumer Gitarrist Axel Rudi Pell mit seiner Band auf Tour. Dabei gibt es einige logistische Besonderheiten zu bedenken, denn die fünfköpfige Gruppe besteht aus drei Deutschen (Pell, Bassist Volker Krawczak und Keyboarder Ferdy Doernberg), aber auch zwei Amerikanern (Sänger Johnny Gioeli und Ex-Rainbow-Schlagzeuger Bobby Rondinelli), die frühzeitig in die Terminfindung einbezogen werden müssen. Wie also laufen die Planungen ab? Wann beginnen die Vorbereitungen und worauf kommt es in der heißen Phase unmittelbar vor Tourbeginn an? All das und mehr fragten wir ihn bei seinem letzten Konzert in Hamburg im Rahmen seiner Frühjahr-2018-Tour.

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interview

Axel, seit Jahren gehst du im Rahmen einer Albumveröffentlichung gleich zweimal auf Tour, einmal im Frühling, einmal im Herbst. Wie weit im Voraus wird so etwas geplant?

Die ersten Tourneeplanungen beginnen ein Jahr vor der ersten Show, noch bevor das betreffende Album geschrieben ist. Unsere Booking-Agentur Continental Concerts fragt an, in welchem Zeitraum ich überhaupt touren möchte. Das wiederum muss ich natürlich erst einmal mit meinen Musikern absprechen, damit sie das terminlich einplanen können. In der Regel startet die erste Tour etwa sechs Wochen nach Veröffentlichung. Gleichzeitig wird auch bereits der Zeitraum der zweiten Tour festgelegt. Beide Tourneen werden gewissermaßen parallel gebucht, verständlicherweise mit Priorität zunächst auf den ersten Teil.

In der Zwischenzeit kümmerst du dich um das Album, schreibst Songs, gehst ins Studio, und so weiter. Während dieser Phase spielen Tourplanungen für dich und deine Musiker aber keine Rolle, oder?

Nein, überhaupt keine. In dieser Zeit arbeitet Continental Concerts alleine im Hintergrund, bucht die Shows, holt sich Angebote für Nightliner ein, kümmert sich um die Konzertplakate, um die Poster-Motive. Solche Dinge muss ich zum Glück nicht selbst organisieren. Das ginge auch gar nicht, da ich zu diesem Zeitpunkt im Studio bin, um die neue CD aufzunehmen.

Gereist wird in einem Nightliner. Mit oder ohne zusätzlichem Hotel?

Wir reisen und schlafen generell im Nightliner, allerdings frage ich meine Bandmitglieder, an welchen Tagen sie zusätzlich einen Day-Room haben möchten, um wenigstens für ein paar Stunden aus dem Trubel raus zu kommen. Ich nutze die Möglichkeit eines Day-Rooms häufig, um mich nachmittags etwas auszuruhen. Johnny und Bobby sind dann meistens mit dabei.

Axel Rudi Pell
Die Axel Rudi Pell Band mit den Amerikanern Johnny Gioeli (Gesang) und Bobby Rondinelli (Schlagzeug) (Bild: Mineur)

Wie geht die Vorbereitung weiter? Das Album ist aufgenommen, möglicherweise schon veröffentlicht, und du schickst eine Liste herum, welche Songs auf der Tour gespielt werden sollen?

Exakt. Nach so vielen veröffentlichten Alben ist die Setlist nicht ganz einfach, denn einerseits können wir nicht immer die gleichen Songs spielen, andererseits dürfen die Klassiker der Band nicht fehlen, weil sich sonst die Zuschauer beschweren. Wir müssen also immer ‚The Masquerade Ball‘, ‚Casbah‘ und ‚Rock The Nation‘ spielen, ansonsten meutern die Fans.

Wann legst du die Wahl der Gitarren fest, die du auf die Tour mitnimmst? Wann entscheidest du dich für den passenden Amp und die Pedale?

Das Pedalboard und die Amps sind immer gleich. Die Amps sind seit Jahren zwei ENGL Powerball, von denen einer nur als Endstufe genutzt wird. Ansonsten gilt: Ich besitze so viele Fender Strats, dass ich spontan entscheide, auf welche ich aktuell am meisten Bock habe.

Axel Rudi Pell
Vier 4x12er Boxen, ebenfalls von ENGL (Bild: Mineur)

Hängt die Entscheidung davon ab, welche Gitarren du auf der aktuellen Scheibe gespielt hast?

Nein, damit hat meine Entscheidung nichts zu tun. Letztlich geht es mir vor allem um die Optik oder wie sich meine Finger gerade anfühlen. Die Lefthand beispielsweise besitzt einen dünnen, sehr schmalen Hals, passt also nicht immer. Eigentlich spiele ich sie immer dann, wenn ich nicht so viel geübt habe, da sie einfacher zu handhaben ist. Die anderen Hälse sind etwas dicker. Trotzdem spiele ich auf der Bühne zwei andere Strats, und die Lefthand ist nur als Ersatz dabei, falls mal etwas kaputt geht.

Wie weit im Vorfeld der Tour trifft sich die gesamte Band für die letzten Vorbereitungen?

Die Jungs kommen vier Tage vor der ersten Show an, dann haben wir noch drei volle Tage Zeit, um zu proben. Für diese Tour haben wir beispielsweise in der Bochumer ‚Zeche‘ geprobt, mit kompletter Monitoranlage. Das war natürlich perfekt.

Interessant ist, dass ihr komplett mit Wedges tourt, also ohne jegliches In-Ear-Monitoring.

Weil In-Ear-Monitoring das Spielgefühl verändert. Daran müsste man sich vermutlich tage- oder sogar wochenlang gewöhnen. Ich für meinen Teil möchte es nicht haben, ich brauche das Brett auf der Bühne, sowohl aus den Amps von hinten, als auch aus den Monitoren von vorne und aus den Sidefills. Nur so ist es Rock´n`Roll, das andere ist mir zu Popmäßig.

Axel Rudi Pell
Spartanisch: Das Pedalboard mit Ibanez Tubescreamer, Rocktron Hush The Pedal zur Rauschunterdrückung und Boss FC-50 (Bild: Mineur)

Welche Instrumente lässt du dir auf deine Monitore geben?

Alle. Die Drums kommen bei mir meistens aus den Sidefills, speziell Bobbys Ride-Becken brauche ich sehr laut, weil er damit einige Songs einzählt. Generell brauche ich die Drums auf den Monitoren ziemlich laut, Volkers (Krawczak) Bass dafür nicht so sehr. Die Signale von Gitarre und Keyboards sind ungefähr auf dem gleichen Level, der Gesang steht ein klein wenig darunter.

Und dann steht vom ersten Song an der Monitor-Sound?

Überhaupt nicht. Wir haben keine abgespeicherten Monitor-Einstellungen am Pult und mit Publikum klingt es sowieso immer anders als nachmittags in der leeren Halle. Deswegen wird während der gesamten Show am Monitor-Sound geschraubt. Zudem bewege ich mich bei meinem Solo in ‚Mystica‘ von meiner Seite aus rüber zu Ferdy, dabei muss mich der Monitormann natürlich verfolgen, damit ich mich überall hören kann. Allerdings darf er dann nicht vergessen, meine Gitarre auf den Wedges meiner Bandkollegen anschließend wieder leiser zu machen.

Wie viele verschiedene Gitarren-Sounds fährst du auf der Bühne?

Ich habe einen harten Grundrhythmus-Sound, mit dem ich auch meine Soli spiele, und einen cleanen Sound. Die einzige Änderung: Bei den Soli schalte ich ein Delay dazu, alles andere bleibt exakt gleich, auch die Lautstärke. Der Rhythmussound ist ganz trocken, also kein Hall, nichts, nur der Powerball plus Tubescreamer.

Axel Rudi Pell
Pells ENGL Powerball Heads (Bild: Mineur)

Hat dein Tourleben komplett andere Zeiten als dein Privatleben?

Ja, total. Ich gehe einmal pro Woche mit meiner Frau raus, zum Griechen, mit Kollegen lecker essen, und bin dann nachts spätestens um eins, halb zwei wieder zu Hause. Mein Frau muss ja am nächsten Tag zur Arbeit, und auf mich warten auch schon organisatorische Dinge, die ich abarbeiten muss.

Gibt es demzufolge eine Art Kater, wenn du nach einer Tournee nach Hause kommst?

Meine Frau behauptet, dass ich nach einer Tour immer ein paar Tage brauche, bis ich mich daran gewöhnt habe, das niemand Applaus spendet, wenn ich zum Frühstück die Treppe herunterkomme. (lacht) Nein, Scherz! Ich muss mich vor allem erst einmal wieder zeitlich umstellen und mir bewusst werden, dass sich nicht alles um mich dreht und im Haus noch andere Menschen und Tiere wohnen. Das dauert ein bis zwei Tage, bis ich wieder drin bin. Die Zeitumstellung dauert bei mir sogar schon mal bis zu einer Woche. Ich werde dann abends nicht müde und brauche vielleicht noch einen extra Schlummertrunk. Ansonsten trinke ich zu Hause gar nichts.

Axel Rudi Pell
Bassist Volker Krawczak während der Show (Bild: Mineur)

Letzte Frage: Wie lange dauert es nach einer Tour, bis du dich wieder auf die nächste freust?

Wir denken am Ende jeder Tour, dass wir gerne noch ein paar weitere Shows drangehängt hätten, weil es gerade so viel Spaß macht. Aber natürlich freue ich mich auch auf zu Hause, wenn alles vorüber ist.

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(erschienen in Gitarre & Bass 08/2018)

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