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Test: Vintage Revolution PedalPro EX

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Vintage Revolution PedalPro EX
(Bild: Dieter Stork)

Das hier ist der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz. Optisch unauffällig, fast schon öde/langweilig schlicht, Funktion auf den ersten Blick gar nicht erkennbar. Na gut, ein Multi-FX-Prozessor. Aha, so what?! Ist doch nix Neues, gibt es schon massenhaft! Ja, richtig, in digitaler Technik. Aber dieser hier hat keinen binären Organismus! Ja, richtig gelesen: Hier verquicken sich umfangreiche Parameterprogrammierung und analog erzeugte Effekte.

Wer traut sich, so ein Projekt in Angriff zu nehmen? Natürlich jemand, der technisch hoch qualifiziert ist. So einer wie Max De Iulis. Der Italiener mit Wohnsitz in den Niederlanden hat 1994 in Rom sein Examen als Elektronikingenieur gemacht. Seit 2005 arbeitet er bei der European Space Agency in Noordwijk (NL) als Elektronik-Designer für Flugzeug-Hardware. Genau, wenn der nicht weiß wie High-Tech-Elektronik geht, wer dann?! Die Verbindung zur Musik hat ihren Ursprung in der Schulzeit, wo sich Max De Iulis der klassischen Gitarre widmete. Sein Unternehmen Vintage Revolution hat er 2007 gegründet. Er ist also alles andere als ein Newcomer bzw. das Projekt „PedalPro“ ist über Jahre gereift.

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opulente technik

Den großen Funktionsumfang eines Multieffektgerätes bereitzustellen, ist für digitale Technik, sprich auf Software-Basis, heutzutage ein Klacks. Ganz anders, höchst anspruchsvoll, gestaltet sich die Aufgabenstellung auf der analogen Ebene. Weil einerseits die speicherbare Parametersteuerung hohe Anforderungen stellt, und andererseits das Erreichen sehr hoher Signalqualität in dem komplexen Schaltungsverbund viel vom Designer verlangt. Nur mit allerbesten Bauteilen kann so etwas gelingen, so viel dürfte klar sein.

Das PedalPro EX ist sehr reichhaltig ausgestattet. Folgende Funktionstypen stehen zur Verfügung:

Compressor, Boost, Preamp & Distortion, Pre & Post Equalizer, Wah (mit original Fasel-Spule), Vowel Generator, Optical Volume/Tremolo, Phaser, Chorus, Flanger, Analogue Delay und Noise-Gate. Nirgendwo wurde an Einstellungsmöglichkeiten gespart, die Effekte sind jeweils umfassend ausgestattet. Anders ausgedrückt stehen sie in ihrer Konzeption digitalen Prozessoren in nichts nach. So kann man z. B. beim Phaser u. a. auch die Modulationswelle ändern und satte sieben Waveform-Optionen nutzen.

Die analogen Effekte werden durch eine digitale DSP-Sektion ergänzt, die in stereo arbeitet. Acht Preset-Hall-Typen stehen zur Wahl, alternativ fünf Delay-Typen (Double Delay, Cave Delay, Single Delay, Four Taps Delay, Triplet Delay; max. 614 ms) und vier frei programmierbare Reverbs (Plate, Spring, Hall, Free). Aus dem gesamten Angebot ergeben sich drei Funktionsgruppen.

Am Anfang des Signalwegs steht eine Gruppe, die wie ein regulärer Amp/Preamp die Sound-Formung übernimmt (Boost, Preamp & Distortion, Pre & Post Equalizer), darauf folgt die Abteilung der modulierenden Effekte, plus Noise Gate, und zuletzt die Delays und die DSP-Sektion. Der Kick an der Sache ist, dass der Signalweg variabel ist. Über sogenannte Routings können die FX-Anordnungen verändert werden.

Integriert in diese Routings ist der External-Effects-Insert-Weg, soll sagen, auch seine Position im Signalverlauf ist variabel. An dieser Stelle kann ein einzelnes externes FX-Gerät angeschlossen werden, oder ein Pedalboard, und/oder ein Preamp. Der Ext.-Weg ist also auch die ideale Stelle um das PedalPro EX mit einem Verstärker bzw. dessen Vorstufe zu verbinden („4-Kabel-Modus“).

Daneben steht noch ein Stereo-/Zweiwege-Einschleifweg zur Verfügung, der – verbunden mit der DSP-Sektion – einen festen Platz hat, aber je Preset im Status programmierbar ist. Wie an fast allen Stellen der Signalbearbeitung erfolgt dies über Relais. Auch die Pegelverhältnisse sind über einen Mixer abstimmbar, luxuriös, je Weg die Level von Send-, Wet- und Dry-Signal.

Selbstverständlich für einen Prozessor dieser Klasse ist, dass man via MIDI umfangreich in Echtzeit auf die Parameter zugreifen kann. Eine Lösung dafür, die preisgünstig ist und vieles – aber noch nicht alles – davon beherrschen kann, ist das FC300 von Roland/Boss. Auch Usus ist, dass der User neue Firmware laden kann, was das PedalPro EX technisch auf dem Stand der Dinge hält. Und es gibt natürlich eine Software zum Programmieren, womit die Handhabung des komplexen Geräts deutlich an Komfort gewinnen dürfte; der Konjunktiv hat seinen Grund, die Software lag uns zum Zeitpunkt des Tests noch nicht vor.

Soweit die Features des PedalPro EX im Grundabriss. Eines ist noch hinzuzufügen: Optional, zum Aufpreis von € 100, kommt das PedalPro mit dem sogenannten Switching-Board, einem Modul, das vier Schaltfunktionen (Kanalwechsel an Verstärkern etc.) übernehmen kann – natürlich wären/sind auch die je Preset programmierbar. Der Speicher umfasst im Übrigen satte 400 Plätze. Eine Favoritenliste erlaubt 18 Presets zusammenzustellen, was natürlich für Komfort im Abruf sorgt.

Der Verarbeitung sieht man stellenweise die Kleinserienfertigung an, sie zeugt aber von Sorgfalt bis ins Detail. Außerdem ist der Aufbau mechanisch grundsolide.

Vintage Revolution PedalPro EX
sehr aufwendige Technik, viele Relais (Bild: Dieter Stork)

abgefahren

Streng genommen darf man das PedalPro EX gar nicht einfach Multi-FX-Gerät nennen. Multi ja, aber FX wird den Gegebenheiten nicht wirklich gerecht. Denn hinter der Sektion „Preamp & Distortion“ verbirgt sich ein großzügig ausgelegtes Sound-Modul, das in seiner Leistungsfähigkeit die Vorstufen analoger (Röhren-) Verstärker gewissermaßen übertrifft. Die Details machen es deutlich. Es stehen fünf Sound-Ebenen zu Wahl: Clean, Dist-SiGe (Silicon/Germanium), Dist-Jet (Jfet-Transistor), Dcascade (serielle Anordnung der vorgenannten), und Fuzz-NPN.

Die Klangformung orientiert sich also an der Technik von Distortion-Pedalen. Klangformende Parameter finden sich hinter der Distortion-Stufe in Form eines 8-Band-Equalizers (-12/+12dB). Auch davor ist Sound-Shaping möglich, und zwar mit dem sogenannten Emphasis-Block: regelbar sind Höhen und Bässe, sowie die Ansatzfrequenz, Resonance und Intensität der Emphasis, die extreme Kolorierungen der Mitten erlaubt.

In der Praxis erweist sich der Preamp als sehr variabel. Die Klangfarben sind weitreichend voneinander abgegrenzt. Die Signalqualität besticht durch hohe Transparenz und satte Dynamik. Des Weiteren zeichnet sich der Preamp durch schnelle und recht stramme Rückmeldung auf den Attack aus, sowie schönes, musikalisches Tonvolumen und homogenen Ausklang des Signals. So ergibt sich eine gleichermaßen kultivierte wie breit gefächerte Sound-Palette, passend für fast jede Stilistik.

Heißt für die Praxis: (Stereo-?) Endstufe und Boxen dran, schon kann es losgehen, man braucht nicht zwingend zusätzlich einen Gitarrenverstärker. Das Gleiche gilt für die D.I.-Abnahme ins Mischpult u. Ä. Eine Speaker-Simulation hat das PedalPro EX zwar nicht, aber indem man die 8 kHz am EQ runterzieht, ist das Signal dafür im Prinzip schon ausreichend aufbereitet (Nachregeln der Klangabstimmung kann natürlich notwendig sein). Wunderbar. Doch man darf nicht verkennen, dass den maximalen Luxus und den noch pikanteren Ohrenschmaus in der Sound-Formung letztlich die Kombination mit einem adäquaten Amp liefert.

In der Natur der Sache liegt, dass man bei so einem Testkandidaten wie dem PedalPro EX längst nicht alle Aspekte des Konzepts und der Funktion darlegen kann. Zu komplex, zu vielfältig, zu umfangreich. Daher kommentiere ich die Effektsektion global zusammenfassend. Was angemessen ist und leicht fällt, weil man im Umgang mit dem PedalPro EX quasi nur Superlativen begegnet. Alle Effekte bestechen nämlich mit exzellenter Signalqualität. Große Tiefe und im Klangeindruck maximal detailreiche Transparenz und Präzision mischen sich mit Wärme. Frappierend ist dabei, dass es Max De Iulis gelungen ist, die analoge Technik ziemlich rauscharm zu halten (im Zweifel hilft das schnell reagierende Noise Gate).

Darüber hinaus hat er die Bedienung übersichtlich gestaltet. Die Parameter sind schnell zugänglich in den Menüs angeordnet. Wie das Konzept ja auch an anderen Stellen maximal, um nicht zu sagen luxuriös, praxisorientiert ausgelegt ist; siehe Routings, Einschleifwege etc. und z. B. die Tatsache, dass in Presets parallel drei Tap-Eingabefunktionen (Delay, Tremolo usw.) aktiv sein können. Ab und an habe ich allerdings ein an der Frontplatte zugängliches globales Master-Volume-Poti vermisst – sollte bei so einem Gerät eigentlich vorhanden sein.

alternativen

Keine. Exotenstatus. Das PedalPro EX ist aufgrund seiner typischen technischen Konzeption zumindest zur Zeit einzigartig auf dem Markt.

resümee

Ein ambitioniertes Projekt super elegant umgesetzt. Das PedalPro EX erweist sich als hochpotentes Soundtool, besticht mit exzellenter Signalqualität, ist hinsichtlich der Effekte-/Funktionstypen sehr großzügig ausgestattet und fackelt damit ein schillerndes Feuerwerk an Sounds ab. Mit seinen variablen Routings und den Einschleifwegen gibt es dem User ein weitgehend offenes System in die Hand, die umfangreichen Optionen zur Echtzeitsteuerung stellen ein weiteres Plus dar. Heißt in der Summe: Wer sich z. B. für (Modeling-) Produkte von Fractal Audio und Artverwandtes interessiert, sollte unbedingt mal das PedalPro EX probieren und prüfen, ob ihm dessen analoges Wesen nicht doch mehr zusagt.

Kritische Anmerkungen halten sich im Rahmen. Das analoge Delay ist mit max. 614 ms Verzögerungszeit nicht unbedingt optimal. Es fehlt ein Master-Volume und vielleicht wird sich der eine oder andere (aus Gewohnheit?) eine manuell ein/aus-schaltbare Speaker-Simulation wünschen – auch wenn sie funktional nicht unbedingt notwendig ist. Was aber ob der Komplexität der Materie ganz klar ein Minus darstellt, ist die Tatsache, dass es die Bedienungsanleitung nur in Englisch gibt.

Und wie sehen wir nun schlussendlich die Kosten-/Nutzungs-Relation? Nun, das PedalPro EX ist alles andere als billig, aber gemessen an seiner Qualität und Leistungsfähigkeit ist der Preis doch vollkommen plausibel.

Vintage Revolution PedalPro EX

Vintage Revolution PedalPro EX


Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG,platziert vor zwei Celestion Vintage 30 im 4×12-Cab. Das Vintage Revolution PedalPro EX steuerte eine Röhrenstereoendstufe an, die Strategy 400 von Mesa/Boogie, die im Prinzip linear verstärkt (im Gegensatz z.B. zur MB-295).

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt.

KEINE EXTERNEN EFFEKTE!

Wir hören allein das Vintage Revolution PedalPro EX! Wunderbare Tiefe und Transparenz im Hall usw.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

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